Alfred Nobel Was ihr noch nicht über den Erfinder und Nobelpreis-Stifter wusstet

Von: Ortrun Huber

Stand: 18.09.2023

Er war Schwede, er war Chemiker und am Ende seines Lebens schwerreich. Aber warum stiftete dieser Großindustrielle und Erfinder, der sein Leben buchstäblich mit viel Wumms verbrachte, schließlich den wichtigsten Wissenschaftspreis des Planeten? Und warum werden die Nobelpreis-Medaillen alljährlich am 10. Dezember verliehen? Hier erfahrt ihr mehr über das explosive Leben des Alfred Nobel.

Eine Statue von Alfred Nobel bei der Verleihung des Nobelpreises in der Stockholmer Konzerthalle. Alfred Nobel, der Erfinder des Dynamits, stiftete den wichtigsten Wissenschaftspreis der Welt, den Nobelpreis.   | Bild: picture alliance / Photoshot

Düsentrieb des Dynamits: Alfred Nobel und seine zündenden Erfindungen

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WDR 26. Mai 1868 - Alfred Nobel erhält in den USA das Patent für Dynamit | Bild: Kalenderblatt (via YouTube)

WDR 26. Mai 1868 - Alfred Nobel erhält in den USA das Patent für Dynamit

Als der kleine Alfred 1833 im schwedischen Stockholm geboren wird ahnt noch niemand, dass sein Leben derart zünden wird. Als Sohn einer reichen Ingenieursfamilie studiert Alfred Nobel Chemie und beschäftigt sich ab 1859 mit der Weiterentwicklung von Sprengstoff für technische Anwendungen, beispielsweise im Tunnel- und Bergbau. Zwar hat der Italiener Ascanio Sobrero bereits einige Jahre zuvor das explosive Sprengöl Nitroglyzerin erfunden. Das ist allerdings sehr anfällig für Erschütterungen und gilt daher als gefährlich und wenig tauglich für die Arbeit unter Tage. Alfred Nobel beschäftigt die Frage, wie Nitroglyzerin kontrolliert gesprengt werden kann. Mithilfe einer Zündschnur und eine kleinen Menge Schwarzpulver tüftelt er an einem Initialzünder, der mehr Sicherheit beim Sprengen verspricht. Doch diese Sicherheit ist trügerisch.

Im Herbst 1864 kommt es im Stockholmer Unternehmenssitz der Familie Nobel zu einem verheerenden Unglück, bei dem Alfred Nobels jüngster Bruder Emil, der gerade erst sein Abitur gemacht hat, um Leben kommt. In der Folge untersagt das Land Schweden die Herstellung und Lagerung von Sprengöl in der Nähe besiedelter Gebiete. Nobel zieht daraufhin nach Deutschland in die Gemeinde Geesthacht bei Hamburg und eröffnet dort die Firma Alfred Nobel und Co.. Doch auch Nobels erste Pulverfabrik in Geesthacht fliegt schon kurz nach der Errichtung 1866 in die Luft.

Nach der verheerenden Explosion verspricht Nobel den Behörden, einen sichereren Sprengstoff zu produzieren. Nach vielen Experimenten stößt der Chemiker auf die erfolgreiche Mischung aus Nitroglyzerin und Kieselgur, ein sehr poröses Sediment aus Kieselalgen. Da Kieselgur die Sprengkraft des Nitroglyzerins nur um ein Viertel verringert, aber dafür unempfindlich für Erschütterungen macht, ist die Erfindung mehr als erfolgsversprechend. Alfred Nobel nennt den neuen Sprengstoff nach dem altgriechischen Wort für Kraft dynamis "Dynamit".

Sein Dynamit lässt Alfred Nobel in vielen Ländern patentieren. Im Laufe seines Lebens gründet er in über zwanzig Ländern Firmen und Labore und meldet über 350 Patente an. Die meisten Erfindungen entstehen im Zusammenhang mit Tunnel- und Bergbau sowie der Rüstungsindustrie. Zu seinen Erfindungen gehören Sprengzünder, Sprengkapsel und auch Ballistit, der Vorläufer vieler moderner rauchloser Pulversprengstoffe, die noch heute als Raketentreibstoff verwendet werden.

Kaufmann des Todes: Das schlechte Gewissen des Alfred Nobel

Das Testament von Alfred Nobel, aufgenommen im Nobelmuseum im schwedischen  Stockholm. Alfred Nobel, der Erfinder des Dynamits, stiftete den wichtigsten Wissenschaftspreis der Welt, den Nobelpreis.     | Bild: picture alliance/dpa | Jessica Gow

Das Testament von Alfred Nobel vom 27. November 1885 wird im Nobelmuseum im schwedischen Stockholm verwahrt.

Nicht nur Alfred Nobel ist ein rühriger Erfinder, auch seine Brüder Robert und Ludvig arbeiten als Ingenieure, Konstrukteure und erfolgreiche Industrielle. Auf sie gehen Erfindungen wie die Ölpipeline und die moderne Ölraffinierung zurück. Als Ludvig Nobel 1888 in Cannes stirbt, veröffentlicht eine französische Zeitung einen Nachruf - irrtümlich aber nicht auf Ludvig, sondern auf Alfred Nobel. Die Überschrift lautet: "Der Kaufmann des Todes ist tot". Der Autor erklärt darin den Reichtum Alfred Nobels damit, er habe Mittel gefunden, "mehr Menschen schneller als jemals zuvor zu töten". Kein besonders schmeichelhaftes Urteil für die Nachwelt. "Da stand: Dieser Mann könne nur schwer als ein Wohltäter der Menschheit bezeichnet werden. Nobel fand das vermutlich ungerecht," sagt Gustav Källstrand, Historiker am Nobelmuseum in Stockholm, gegenüber dem Deutschlandfunk.

Gustav Källstand vermutet, Nobels Testament sei die Art des berühmten Erfinders gewesen, der Welt zu zeigen, wer er eigentlich war. Tatsächlich beginnt Alfred Nobel sich fortan mit der Frage zu beschäftigen, wie ihn die Nachwelt sehen würde. Er spricht über das Thema auch mit seiner engen Freundin Bertha von Suttner, einer späteren Friedensaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin, die bei Alfred Nobel kurze Zeit als Privatsekretärin arbeitet. "Nobel wollte, dass Menschen das Geld bekommen, die hart für ihren Erfolg gearbeitet haben, und gute Ideen haben. Besonders gerne Forscher, die es vielleicht schwer haben mit ihren Ideen Geld zu verdienen."

Da der Erfinder keine eigenen Kinder hatte, verfügte er in seinem Testament vom 27. November 1895, dass sein Vermögen Grundstein einer Stiftung sein solle, die alljährlich die besten Wissenschaftler der Fachrichtungen Medizin, Physik, Chemie und Literatur auszeichnet, "die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben". Darüber hinaus weist er einem Komitee des norwegischen Parlaments die Aufgabe zu, den Friedensnobelpreisträger zu küren. Am 10. Dezember 1896 stirbt Alfred Nobel an einem Herzinfarkt in San Remo, Italien. An seinem Todestag werden seit 1901 jährlich die Nobelpreise verliehen.

Anschauen: Alfred Nobels Vermächtnis

Kein Ruhmesblatt I: Alfred Nobel und die Frauen

Der Tüftler Alfred Nobel war nie verheiratet. Doch 1876 traten gleich zwei Frauen in sein Leben.

Bertha von Suttner

Bertha von Suttner, gebürtige Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau, stammte aus einer verarmten böhmischen Adelsfamilie. Sie hatte sich in Paris bei Alfred Nobel als Privatsekretärin beworben, arbeitete aber nur kurze Zeit für ihn, da Nobel nach Schweden zurückkehren musste. "In dieser Zeit fragte Nobel Bertha von Suttner, ob ihr Herz frei wäre", sagt Gustav Källstrand vom Nobelmuseum in Stockholm. "Wir denken, dass das bedeutet, dass er an ihr interessiert war. Das Problem war, dass sie Nein antwortete." Zwar passten die beiden, trotz ihres Altersunterschieds von zehn Jahren, gut zueinander und führten lange tiefe Gespräche. Doch die spätere Schriftstellerin, Friedensforscherin und Pazifistin lebte da bereits mit ihrem Verlobten Arthur Gundaccar von Suttner zusammen, den sie später auch heiratete.

Der Chemiker Alfred Nobel und die Journalistin und Pazifistin Bertha von Suttner blieben zeitlebens befreundet und tauschten sich häufig über Krieg und Frieden aus. "Ich möchte einen Stoff oder eine Maschine schaffen können von so fürchterlicher, massenhaft verheerender Wirkung, dass dadurch Kriege überhaupt unmöglich würden", schreibt Nobel seiner Freundin. Während Alfred Nobel weiter an Sprengstoffen arbeitet, um durch Abschreckung zum Frieden zu gelangen, gründet Bertha von Suttner diverse Friedensgesellschaften in Österreich, Deutschland und Ungarn und veröffentlicht einen Antikriegsroman, der zum Welterfolg wird: "Die Waffen nieder". 1906 - zehn Jahre nach dem Tod des Stifters - erhält Bertha von Suttner als erste Frau überhaupt den Friedensnobelpreis. 

Sofie Hess

Ebenfalls 1876 traf Alfred Nobel auf eine ganz andere Frau, die ihn viele Jahre begleiten sollte. Die 17 Jahre jüngere Blumenverkäuferin Sofie Hess lernte Nobel in Baden bei Wien kennen. Anfangs stehen Heiratspläne im Raum, doch bald führt das Paar eine Art offene Fernbeziehung. Hess und Nobel schreiben sich Hunderte von Briefen, die - wohl auch wegen des teilweise wenig schmeichelhaften Inhalts - erst 2017 veröffentlicht werden durften, wie die österreichische Tageszeitung "Der Standard" schreibt. Der vermeintliche Wohltäter Alfred Nobel entpuppt sich in den Briefen als Chauvinist und Zyniker. So schreibt er an Sofie Hess: "Jahrelang suchte ich nach jemandem, dessen Herz sich mit meinem verbinden könnte. Aber das kann nicht das Herz einer Frau sein, deren Lebensaussichten und Interessen nichts mit meinen gemein haben." Doch trennen will er sich von seiner jungen Geliebten nicht: "Dir fehlt jede nötige Kultur und Bildung, Du bist noch ein Kind und denkst nicht an die Zukunft. Da ist es nur gut, wenn ein alter, aufmerksamer Onkel über dich wacht."

Sofie Hess, in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, nutzt die Beziehung zu dem reichen Fabrikanten für ihren gesellschaftlichen Aufstieg. Sie reist und amüsiert sich im Luxus, den Nobel finanziert, ohne sich wirklich um den eigenbrötlerischen Chemiker zu kümmern. Prompt spart Nobel in seinen Briefen nicht mit antisemitischen Bemerkungen gegenüber der in eine jüdische Familie geborene Sofie Hess: "Obwohl Du sonst keine jüdischen Eigenschaften hast, ist Dein Bedürfnis zu prahlen typisch für Dein Volk." Als Hess 1891 von einem anderen Mann schwanger wird, erklärte Alfred Nobel die Beziehung für endgültig beendet. Dennoch bleibt das Paar in Kontakt und der Industrielle bedenkt sie sogar in seinem Testament.

Der Erfinder und das Blumenmädchen: Eine verhängnisvolle Affäre

1876 lernte Alfred Nobel in Baden bei Wien seine Geliebte Sofie Hess kennen. Alfred Nobel, der Erfinder des Dynamits, stiftete den wichtigsten Wissenschaftspreis der Welt, den Nobelpreis.   | Bild: picture alliance / Photoshot

"Du bist dermaßen ohne Verstand und Kultur, mein liebes, gutes Kind, dass ich in Deiner Gesellschaft beim geringsten Kontakt mit anderen Menschen Höllenqualen erleide."

 Alfred Nobel in einem Brief an seine Geliebte Sofie Hess

Kein Ruhmesblatt II: Der Nobelpreis und die Frauen

Die französische Physikerin Irene Joliot-Curie (l) mit ihrer Mutter, der zweifachen Nobelpreisträgerin Marie Curie, 1925 in einem Labor im Institut du Radium in Paris. Alfred Nobel, der Erfinder des Dynamits, stiftete den wichtigsten Wissenschaftspreis der Welt, den Nobelpreis.   | Bild: picture-alliance / dpa | afp

Die absolute Ausnahme: Marie Curie und Tochter Irene Joliot-Curie (l.) erhielten beide den Nobelpreis, Marie gar zweifach - in Physik und Chemie.

Frauen spielen als Preisträgerinnen in der Geschichte des Nobelpreises nur eine kleine Nebenrolle. Gerade einmal sechs Prozent der begehrten Preise in den Forschungsdisziplinen Chemie, Physik und Medizin gingen bisher an Wissenschaftlerinnen. Was auch damit zu tun hat, dass Forscherinnen in der Öffentlichkeit weniger wahrgenommen werden als ihre Kollegen. Ein Phänomen, dass 1993 erstmals von der Wissenschaftshistorikerin Margarete Rossiter als "Matilda-Effekt" beschrieben wurde. Dieser Effekt besagt, dass die Ergebnisse und Erfolge von Wissenschaftlerinnen systematisch verdrängt oder geleugnet und stattdessen ihren männlichen Kollegen zugerechnet werden.

Auch in der Geschichte des Nobelpreises gibt es viele Forscherinnen und Forscher, die gemeinsam arbeiteten - und der Mann schließlich den Preis erhielt. So forschte die Physikerin Lise Meitner jahrzehntelang mit Otto Hahn, der schließlich 1944 den Nobelpreis für die Entdeckung der Kernspaltung bekam. Ebenso erging es einer ganzen Reihe von Wissenschaftlerinnen, die bahnbrechende Arbeit leisteten, aber bei der Nobelpreisvergabe das Nachsehen hatten:

  • Rosalind Franklin: Ihre Forschung trug wesentlich zur Aufklärung der Doppelhelixstruktur der DNA bei, für die Watson, Crick und Wilkins 1962 den Medizin-Nobelpreis erhielten. Da war Franklin zwar bereits verstorben und der Nobelpreis wird nicht posthum verliehen. Doch wurde die Forscherin auch in der Nobelpreisrede ihrer Kollegen nicht gewürdigt.
  • Jocelyn Bell Burnell: Die Astrophysikerin entdeckte als erste die Pulsare (rotierende Neutronensterne). Sie wurde bei der Vergabe des Nobelpreises für Physik 1974 an Anthony Hewish und Martin Ryle nicht berücksichtigt.  
  • Esther Lederberg: Die Molekularbiologin konnte zusammen mit ihrem Mann Josua Lederberg 1951 nachweisen, wie Bakterien resistent  gegen Antibiotika werden. 1958 erhielten ihr Mann und zwei weitere amerikanische Wissenschaftler den Nobelpreis für Medizin, Esther Lederberg ging leer aus.
  • Chien-Shiung Wu: Der Physikerin gelang 1957 in dem nach ihr benannten Wu-Experiment, unter der Mitarbeit der Physiker Lee und Yang, ein experimenteller Nachweis zur räumlichen Spiegelung im subatomaren Bereich. Für ihre Theorie bekamen Lee und Yang 1957 den Nobelpreis für Physik, Chien-Shiung Wu wurde nicht gewürdigt.
  • Mileva Einstein-Maric: Es ist nicht bekannt, wie viel Einsteins erste Frau, die studierte Mathematikerin und Physikerin war, zu den Arbeiten der Relativitätstheorie beitrug. Doch als Einstein 1922 den Nobelpreis für Physik erhielt, trat er die mit dem Preis verbundene Summe an seine inzwischen von ihm geschiedene Ex-Frau Mileva ab. Zitat Einstein: "Ich brauche meine Frau. Sie löst alle meine mathematischen Probleme."  

Fun Fact: Was der Nobelpreis mit Parkplätzen zu tun hat

Luftaufnahme der für Nobelpreisträger (Nobel Laureates - NL) reservierten Parkplätze auf dem Campus der University of California in Berkeley, Kalifornien. Alfred Nobel, der Erfinder des Dynamits, stiftete den wichtigsten Wissenschaftspreis der Welt, den Nobelpreis.   | Bild: picture alliance/dpa/MAXPPP

Luftaufnahme der für Nobelpreisträger (Nobel Laureates - NL) reservierten Parkplätze auf dem Campus der University of California in Berkeley.

Nobelpreisträger sollen es bequem haben: Einige Universitäten reservieren daher für die Nobelpreisträger ihrer Fakultäten einen exklusiven Parkplatz auf Lebenszeit, als praktische Anerkennung ihrer Leistung. Die University of California, in Berkeley im nördlichen Kalifornien, eine der renommiertesten Universitäten der Welt, markiert seit 1980 diese besonderen Parkplätze mit einer eigenen NL-Beschriftung auf dem Asphalt (Nobelpreisträger, auf englisch: Nobel Laureates = NL) und einem blauen NL-Schild. Ursprünglich geht die Tradition auf den polnischen Dichter Czeslaw Milosz zurück, der 1980 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Er wünschte sich einen Parkplatz an der Universität in Berkeley, also fragte er - halb im Scherz - danach. Seinem Wunsch wurde entsprochen und ist seit 1983 zum Standardprivileg für Nobelpreisträger avanciert.

Inzwischen gestaltet die University of California die Idee nachhaltiger: So stellte man in Berkeley, ergänzend zu den Parkplätzen, 2007 Fahrradständer für Nobelpreisträger bereit, die aber (anders als die NL-Parkplätze) auch von anderen Radfahrern genutzt werde dürfen.

Reinhören: Von Dynamit und Seelenqualen - Das Leben des Alfred Nobel

Quellen und Sendungen: Alfred Nobel und sein berühmter Wissenschaftspreis

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