Große Menschenaffen Das Sozialverhalten unserer nahen Verwandten
Orang-Utans, Schimpansen und Gorillas sind nicht nur mit uns verwandt – sie ähneln uns auch in mancherlei Verhalten: die Affen benutzen Werkzeuge, führen Kriege, haben Freunde, leben in Gruppen und lösen komplizierte Probleme.
Bei uns Menschen spiegelt das Gesicht unsere Stimmung wider. Forscher möchten ergründen, ob wir das so erlernt haben oder ob wir nicht anders können, weil die Mimik ein Produkt der Evolution ist. Deshalb vergleichen sie die Mimik des Menschen immer wieder mit dem mimischen Ausdruck der Menschenaffen. Und auch wenn es Übereinstimmungen gibt wie beim Lächeln, so gibt es im Vergleich mit den Menschenaffen doch auch Unterschiede, zum Beispiel bei Frust.
Lächeln als Friedenszeichen
Das Lächeln ist ein mimisches Signal, das beim Menschen und beim Schimpansen für Friedfertigkeit und guten Willen steht. Gerade weil die Tiere ihre Konflikte durchaus körperlich lösen, hat das Lächeln und das Zeigen eines freundlichen Gesichts eine positive, besänftigende Wirkung auf die Artgenossen. Das funktioniert beim Menschen - normalerweise - ganz ähnlich.
Kinder zeigen ihren Frust
Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn es um die Mimik in Frustsituationen geht. Das hat die Evolutionspsychologin Bridget Waller von der University of Portsmouth in einer im März 2014 in "Biology letters" veröffentlichten Studie herausgefunden. Sie präsentierte drei- und sechsjährige Kindern eine Box mit einer Belohnung: einem Spielzeug. Dann zeigte sie, wie einfach diese Box zu öffnen sei und gab den Kindern diese Schachteln. Doch die Sache hatte einen Haken: die Boxen konnten nicht mehr geöffnet werden. Die Kinder bemühten sich die Schachteln zu öffnen und je erfolgloser sie waren, desto frustrierter waren sie. Sie hoben ihr Kinn, machten eine Schmolllippe oder pressten ihre Lippen zusammen.
Affen bleiben stoisch
Waller wiederholte das Experiment mit erwachsenen Schimpansen. Ihnen wurde als Belohnung eine Banane offeriert, an die sie aber trotz alle Bemühungen ebenfalls nicht gelangten. Statt zusammengepressten und Schmolllippen, die sie durchaus beherrschen, zeigten die Affen kaum eine Regung im Gesicht. Ihr Ausdruck veränderte sich kaum. Für die Psychologin hat dies damit zu tun, dass Menschen ihre Schwächen stärker zeigen, da sie häufiger auf die Hilfe ihrer Artgenossen zählen. Schimpansen seien zwar auch zur Kooperation bereit, im Vergleich seien sie aber egoistischer.
Mutterliebe bei Orang-Utans ins Gesicht geschrieben
Studien zum Verhalten der Menschenaffen
Schimpansen suchen gezielt nach Fellpflegepartner
Wer dachte, ein Schimpanse würde wahllos Artgenossen lausen, der hat sich gründlich getäuscht. Wie eine Studie von Forschern am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI) in Leipzig belegt, wählen freilebende Schimpansen und die Primatenart Rußmangaben ihre Fellpflegepartner anhand zahlreicher Kriterien aus, etwa wie die soziale Beziehung ist, ob ein Weibchen ein Junges hat oder empfängnisbereit ist, ob zuvor gestritten wurde oder welchen Rang der potenzielle Partner in der Gruppe hat.
Was bekomm ich für die Fellpflege?
Die gegenseitige Fellpflege spielt bei den Primaten eine besondere Rolle: Affen, die sich gegenseitig das Fell nach Ungeziefer durchforsten, erwarten voneinander, dass sie sich helfen, etwa bei Streitigkeiten oder der Suche nach Nahrungsquellen. So lausen Schimpansen gern auch einen ranghöheren Artgenossen, weil der bei einem Kampf hilfreich sein könnte.
Zuschauer bei Fellpflege unerwünscht
Wie der Erstautor der Studie, Alexander Mielke, erklärt, ist es für die Primaten eine schwierige Aufgabe aus bis zu 15 Kandiaten einen möglichen Fellpflegepartner auszusuchen. Diese lösen sie flexibel, allerdings erkannte Mielke Präferenzen: "Sowohl Mangaben als auch Schimpansen betreiben am liebsten mit Weibchen Fellpflege, die ein Baby haben, was man von Schimpansen bisher nicht wusste. Beide Arten nutzten die soziale Fellpflege zur Versöhnung nach Auseinandersetzungen und wählten als Partner häufiger ihre Freunde aus." Auffallend sei gewesen, dass die Primaten vermieden, Tieren das Fell zu pflegen, deren Freunde in der Nähe waren. Diese hätten die Interaktion möglicherweise stören können, so der Forscher.
Schimpansen besitzen kognitive Fähigkeiten
Wie Mielke erklärt, benutzen beide Priamtenarten alle Informationen, die sie über verfügbare Partner und ihr soziales Umfeld besitzen, um den maximalen Nutzen aus ihrer Entscheidung zu ziehen. Diese Ergebnisse zeigten, dass Primaten "nicht nur über den Rang und die sozialen Beziehungen ihrer Artgenossen Bescheid wissen, sondern dass sie viele Individuen gleichzeitig beurteilen und flexibel die für sie beste Option wählen können", heißt es weiter. Für den MPI-Forscher beweist die Studie, dass Mangaben und Schimpansen mit kognitiven Fähigkeiten ausgestattet sind, die ihnen in ihrem komplexen Sozialgefüge zum Erfolg verhelfen.
Affen aus dem Tai-Nationalpark, Elfenbeinküste
Die Primatologen vom MPI untersuchten das Verhalten von zwei Schimpansen- und einer Rußmangaben-Gemeinschaft im Tai-Nationalpark an der Elfenbeinküste. Die Forscher gingen davon aus, dass jedes Fellpflegeangebot eine persönliche Entscheidung des einzelnen Affen ist. Für ihre Studie nutzten sie Daten, die über viele Jahre gesammelt worden waren und werteten sie für jeden einzelnen Affen aus. Die Studie wurde am 11. Juli 2018 bei Royal Society Open Science veröffentlicht.
Menschenaffen sehen Irrtümer anderer voraus
Menschenaffen können anscheinend erkennen, dass andere von einer falschen Annahme ausgehen. Bislang dachten Forscher, nur Menschen seien dazu fähig. Bei entsprechenden Tests hatten Menschenaffen nämlich bisher versagt. Eine internationale Forschergruppe hat aber Anfang Oktober 2016 im Fachmagazin "Science" eine Studie veröffentlicht, die nahe legt, dass zumindest einige Menschenaffen Irrtümer anderer doch vorhersehen können.
King Kong hinter einem Heuhaufen
Die Forscher zeigten den Menschenaffen einen Film und zeichneten dabei die Augenbewegungen der Tiere auf. In dem Film ist ein Mann zu sehen, der beobachtet, wie sich ein anderer Mann in einem King-Kong-Kostüm hinter einem Heuhaufen versteckt. Daraufhin verlässt der Beobachter die Szene. King-Kong versteckt sich erst hinter einem anderen Heuhaufen und läuft dann ganz weg. Nun kommt der Beobachter wieder herein.
Perspektive eines anderen einnehmen
Menschenaffen sahen einen Film mit einem Mann im Kostüm von King-Kong (hier aus dem gleichnamigen Film aus dem Jahr 2005)
Wo wird der Beobachter nach King-Kong suchen? Menschen können diese Frage ab einem Alter von etwa vier Jahren beantworten. Erst dann sind sie fähig, die Perspektive eines anderen einzunehmen und deren Wissensstand zu berücksichtigen. Eine Fähigkeit, die sich "Theory of mind" nennt und die in dem Verständnis gipfelt, dass andere sich irren können und deshalb falsch handeln (false-belief). Aber auch bei etwa zweijährigen Kleinkindern konnten mit einfacheren, nonverbalen Tests "Theory of mind"-Fähigkeiten nachgewiesen werden. Die Forscher zeichneten dabei Augen- und Blickbewegungen auf.
Wissenschaftler beobachten Augenbewegungen
Diese Methode übernahm das Team um Christopher Krupenye vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Fumihiro Kano von der Kyoto University. Während der Film lief, zeichneten sie bei 19 Schimpansen, 14 Zwergschimpansen und 7 Orang-Utans die Augenbewegungen auf. Tatsächlich vermuteten die meisten der 40 Affen, dass der Beobachter im Film den King-Kong hinter einem der Heuhaufen suchen würde: 30 visierten einen der beiden Heuhaufen an, obwohl die Tiere selbst gesehen hatten, dass King-Kong dort nicht mehr versteckt ist. 20 der Versuchsteilnehmer fixierten sogar zunächst das erste Versteck. Nach Schlussfolgerung der Forscher erkennen die Primaten, dass nicht die Realität, sondern bestimmte subjektive Annahmen für die Handlungen anderer entscheidend sind.
Affen-Freunde vertrauen sich
Dass Tiere Freundschaften schließen können, das ist den Forschern schon länger bekannt. Nun haben Leipziger Forscher in einer Verhaltensstudie an einer 15-köpfigen Schimpansengruppe in Kenia festgestellt: Schimpansen mögen nicht nur manche Artgenossen lieber als andere, sie vertrauen ihnen auch mehr als anderen.
Spiel mit zwei Optionen
Um ihr Experiment zu starten, hatten die Verhaltensforscher die Schimpansengruppe über Monate beobachtet und herausgefunden, welche Tiere miteinander befreundet waren. Dann machten sie mit je zwei Schimpansen ein Spiel, bei dem jedes der Tiere zwei Optionen hatte: Es konnte entweder an einem Seil ziehen und erhielt unmittelbar darauf ein paar Stückchen Banane – das war die sichere Option.
Die riskantere Möglichkeit setzte Vertrauen voraus: Zog ein Tier an dem Seil, bekam sein Gegenüber mehr Äpfel und Bananen, als bei der ersten Option. Aber würde er auch davon abgeben? Würde der Seilzieher etwas von den Früchten abbekommen? Es zeigte sich, dass befreundete Affenpaare "sehr viel häufiger" diese potenziell ertragreichere Variante wählten als nicht befreundete, so die Forscher des Max-Planck-Institutes für evolutionäre Anthropologie.
Vertrauen und soziale Ader
Mit dieser Studie sei gezeigt, dass Schimpansen gezielt bestimmten Artgenossen vertrauten, so Jan Engelmann vom Forscherteam. Nicht auszuschließen sei allerdings, dass eine sozialere Ader gegenüber Freunden die Entscheidungen mit beeinflusst hätte. Nun wollen Engelmann und seine Kollegin Esther Herrmann untersuchen, ob sich Affen-Freunde eher gegenseitig helfen als Schimpansen ohne freundschaftliche Bande.
Schimpansen betrinken sich
Trinkgelage mit Freunden gibt es auch bei Menschenaffen: Rund 17 Jahre lang hat ein Team internationaler Wissenschaftler eine Gruppe wilder Schimpansen im westafrikanischen Guinea beobachtet. Einige Tiere wurden per Kamera wiederholt dabei erwischt, wie sie sich vergorenen Palmsaft schmecken ließen - so gut, dass ihnen der Konsum zuweilen deutlich anzumerken war.
Selbstgebastelter Trinkschwamm
An das berauschende Getränk kamen die Affen durch eine ausgeklügelte Methode. Die menschlichen Bewohner der Region ritzen Raffiapalmen unterhalb der Kronen an und sammeln den austretenden Saft in Auffangbehältern. Durch Fermentation gärt der Palmsaft darin zu einer Art Palmwein. Die Affen wiederum stecken sich Palmblätter in den Mund, zerkauen und formen sie zu einer Art Trinkschwamm, tauchen sie in die Auffangcontainer und schöpfen und schlürfen so den vergorenen Saft heraus.
So viel wie fünf Flaschen Bier
Besonders fingerfertige Schimpansen brachten es im Beobachtungszeitraum auf mehrere Liter des alkoholischen Getränks pro Trinkgelage. Als geschätzten Höchstwert nennen die Forscher knapp 85 Milliliter Ethanol - das würde ungefähr fünf Flaschen Bier entsprechen. Zwar hätten die Schimpansen den fermentierten Palmensaft nicht sehr häufig zu sich genommen, aber gewohnheitsmäßig. Oft tranken sie in geselliger Runde, die Männchen genauso wie die Weibchen.
Rausch wird ausgeschlafen
Die Forscher schließen eine "zufällige Alkoholaufnahme" durch ihre langjährigen Beobachtungen aus. Auffällig sei gewesen, "dass einige Trinker sich unmittelbar nach dem Genuss des vergorenen Saftes ausruhten", berichtet Kimberley Hockings, Co-Autorin der Studie, von der Oxford Brookes University in England. Die Studie wurde Mitte Juni 2015 in der Zeitschrift "Royal Society Open Science" veröffentlicht.
Feixen und Schmunzeln - Schimpansen ähneln beim Lachen den Menschen
Schimpansen nutzen ihr Lachen ähnlich flexibel wie der Mensch. Zu diesem Resultat kamen die Neurowissenschaftlerin Marina Davila-Ross und ihr Team von der Universität Portsmouth. Sie beobachteten über drei Monate lang vier Kolonien Schimpansen in einer sambischen Wildtierstation. Dabei stellten sie fest, dass auch die Affen die Mimik unabhängig von Lautäußerungen nutzen – diese Fähigkeit gilt als eine Schlüsselkomponente menschlicher Kommunikation.
Da Menschen über Gesichtsausdrücke verfügen, die bewusst mit Lauten wie einem Lachen kombiniert werden können, ist ihre Kommunikationspalette vielseitig. Ob Menschenaffen dazu ebenfalls in der Lage sind oder das Verziehen der Gesichtszüge bei ihnen automatisch mit dem Lachen gekoppelt ist, war bislang unklar. Davila-Ross, die sich schon sehr lange mit der Evolution des Lachens befasst, filmte mit ihren Kollegen 46 Affen im Alter von zwei bis 35 Jahren in Spielsituationen, um dem Phänomen auf die Spur zu kommen. Sie wertete die Daten mit einem Verfahren zur Beschreibung von Gesichtsausdrücken bei Schimpansen aus, das auf einem Programm für menschliche Mimik (Facial Action Coding System) basiert.
Die Forscher zählten bei den Affen 14 verschiedene Gesichtsausdrücke mit offenem Mund – vom lauthals Lachen bis zum stumm Grimassieren. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass die Tiere ihre Mimik unabhängig von einer Lautäußerung nutzen.
Zudem lachten die Affen je nach Situation unterschiedlich: Spielten die Affen vor allem körperlich mit ihren Artgenossen, untermalten sie ihr Lachen mit Lauten. Lachte das Gegenüber, lachten auch sie. Wissenschaftler nennen dies eine spiegelnde Reaktion. Die Forscher gehen davon aus, dass lautes Lachen in interaktiven Spielsituationen von den Affen gezielt eingesetzt wird und damit eine interaktive Funktion erfüllt. Das mit Lauten untermalte Lachen könnte aber auch von der Erregung und der Freude der Schimpansen an solchen Spielen kommen, so die Studie weiter.
Die britischen Wissenschaftler untersuchten auch die evolutionäre Beziehung zwischen den Gesichtsausdrücken mit offenem Mund bei Schimpansen und dem Menschen. Sie vermuten, dass das lachende Gesicht des Menschen wahrscheinlich aus dem Minenspiel mit offenem Mund eines Affen-Vorfahren entstanden ist. Dieses primitive Lachen habe sich dann umso mehr verändert, je komplexer soziale Kommunikation wurde.
"Das Lachen muss nach dem gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Schimpansen eine immer wichtigere Rolle in sozialen Interaktionen bekommen haben – es löste sich von Spielsituationen und wurde zu einem grundlegenden Instrument der Sprache und der emotionalen Intelligenz beim Menschen", so die Studie, die im Fachmagazin "PLOS ONE" im Juni 2015 erschien.
Schimpansen und das Kochen
Geduldig, selbstbeherrscht und motiviert – das sind kognitive Eigenschaften, die für das Kochen von Bedeutung sind – und die auch Schimpansen besitzen. Zu diesem Schluss sind zwei US-Forscher der Harvard Universität in Cambridge gekommen, nachdem sie eine ganze Versuchsreihe mit Menschenaffen und gekochtem Essen durchgeführt und ausgewertet haben.
In ersten Versuchen konnten die Affen durch Zeigen zwischen gekochten und rohen Süßkartoffeln wählen. Auch wenn sie warten mussten: Die Schimpansen entschieden sich lieber für drei gekochte Stücke Süßkartoffel, statt ein rohes Stück sofort zu verspeisen – gekocht schmeckte ihnen einfach besser.
In weiteren Versuchen wurden eine Herdattrappe und eine Kontrollbox eingesetzt. Bekamen die Schimpansen ein Stück rohe Möhre oder Süßkartoffel und zeigten sie auf einen "Herd", legte der Versuchsleiter die Stücke hinein. Nach kurzer Zeit kamen sie jeweils gekocht wieder heraus. In dem "Herd" war ein doppelter Boden, in dem ein gekochtes Stück versteckt worden war. Bei der Kontrollbox hingegen bekamen die Affen das rohe Süßkartoffelstück zurück. Die meisten Affen entschieden sich dafür, ihre Nahrung in der Herdattrappe "aufwärmen" zu lassen.
Weitere Versuche zeigten: Die Schimpansen hatten verstanden, dass nur rohe Lebensmittel in diesem "Herd" erwärmt werden konnten. Zum Teil trugen die Affen ihre rohen Nahrungsmittel selbst bis zum "Herd", selbst wenn er weiter weg stand. Und manche Tiere warteten sogar drei Minuten lang, bis ein Versuchsleiter die "Kochstelle" im Raum platziert hatte und sie ihre Nahrung "kochen" konnten.
Aus den Ergebnissen der Tests schließen die Forscher, dass Schimpansen viele der für das Kochen notwendigen Fähigkeiten mit uns teilen. Daraus ziehen sie Rückschlüsse darauf, wann der Mensch in der Evolution begonnen hat, zu kochen – eine bisher noch ungeklärte Frage. Den Übergang von roher zu gekochter Nahrung sehen die Forscher aber als einen Meilenstein in der Entwicklung des Menschen an. Denn im Vergleich von rohen Früchten, Blättern oder Fleisch bringt gekochte Nahrung wesentlich mehr Energie. Deshalb soll der Wechsel von Rohem zu Gekochtem eine wichtige Voraussetzung dafür gewesen sein, dass das Gehirn des Menschen größer werden konnte, denn Hirngewebe benötigt viel Energie um sich zu entwickeln.
Die Tatsache, dass die Schimpansen nur sehr wenig Zeit hatten, sich den neuen Weg der Essenszubereitung zu erschließen, dies aber dennoch erfolgreich meisterten, weise darauf hin, dass das Kochen in der menschlichen Evolution sehr früh auftrat, so die Studie (veröffentlicht im Fachblatt „Proceedings B“ der britischen Royal Society im Juni 2015).
Schimpansen lernen "Fremdsprachen"
Wenn Schimpansen Futter finden, weisen sie andere gern mit einem Grunzen darauf hin. Wissenschaftler aus England und der Schweiz haben im Februar 2015 herausgefunden, dass Affen diese Art der Kommunikation an neue Artgenossen anpassen können.
Die Wissenschaftler zeichneten drei Jahre lang auf, welche Grunzlaute ausgewachsene Schimpansen im Zoo von Edinburgh ausstießen, wenn sie Äpfel bekamen. Die Gruppe bestand aus 18 Tieren, neun davon hatten vorher in einem Safaripark in den Niederlanden gelebt.
Die ersten Laute sammelten die Forscher 2010, kurz bevor die beiden Gruppen zusammengebracht wurden. 2011 und 2013 machten sie dann weitere Aufnahmen der "Hey, ich habe leckere Äpfel entdeckt"-Botschaften.
Die Vergleiche zeigten, dass sich die Apfel-Grunzer anfangs in beiden Gruppen unterschieden. Die niederländischen Schimpansen stießen hochfrequentere Laute aus als die schottischen. 2013 klangen die Grunzer dann sehr ähnlich: Die Niederländer hatten ihre Laute denen der Schotten angepasst. Binnen der drei Jahre hatten die Schimpansen beider Gruppen immer engere Bindungen untereinander geknüpft, was offensichtlich ihre Kommunikation beeinflusste.
"Es wäre aufregend zu wissen, warum Schimpansen mehr wie ihre Artgenossen klingen wollen", sagte Simon Townsend, einer der beteiligten Wissenschaftler. "Wollen sie das, um besser verstanden zu werden? Oder einfach nur, um ihren Freunden ähnlich zu sein?"
Bislang hatten Forscher angenommen, bei Schimpansen seien die Laute und die Situation, in der sie ausgestoßen werden, starr miteinander verknüpft. Die Fähigkeit, Dinge flexibel mit sozial erlernten Begriffen zu belegen, war nur dem Menschen zugesprochen worden. Die neuen Ergebnisse lassen vermuten, dass die evolutionären Wurzeln dafür älter sind als gedacht.
Geschicklichkeit geerbt – wie der Vater so der Sohn ...
Wie erfolgreich Schimpansen im Umgang mit Werkzeug sind, darüber entscheiden auch die Gene. Das haben Wissenschaftler um William Hopkins von der US-amerikanischen Georgia State University herausgefunden. Sie beobachteten über 240 Schimpansen in zwei Forschungszentren bei einem Experiment. Die Tiere mussten mit einem Lutscherstiel in einem engen Loch herumstochern, um an eine Leckerei zu kommen. Die Forscher stoppten die Zeit, die die Tiere benötigten, um an Sirup und Barbecue-Soße zu kommen. Dann notierten sie, welche Hand die Affen bei jedem ihrer 50 erfolgreichen Versuche benutzten.
Die Verwandtschaftsverhältnisse und Herkunft der Schimpansen war den Forschern bekannt. Die Wissenschaftler hatten zwei Schimpansengruppen gewählt, die genetisch nicht miteinander verwandt waren. Bei beiden Gruppen stellten die Wissenschaftler fest, dass sowohl die Geschicklichkeit als auch die Händigkeit – also welche Hand lieber benutzt wird – erblich ist. Die Forscher vermuten, dass die gleichen Gene für beide Eigenschaften verantwortlich sind. Die Art der Aufzucht – ob von der eigenen Mutter oder von einem Pfleger in der Aufzuchtstation – beeinflusse die Geschicklichkeit dagegen nicht, so ein Ergebnis des Experiments, veröffentlicht in "Proceedings B" der britischen Royal Society im Dezember 2014.
Außerdem stellten die Forscher fest, dass Schimpansen umso länger brauchten, je älter sie waren und dass unter den Männchen mehr Linkshänder waren als unter den Weibchen.
Die Wissenschaftler nehmen an, dass die genetischen Voraussetzungen für den Werkzeuggebrauch vermutlich bereits bei den letzten gemeinsamen Vorfahren von Schimpansen und Menschen vorhanden waren.
Das probier ich auch - Die Lernkultur der Schimpansen
Schimpansen lernen nicht alleine für sich, sondern gemeinsam in ihrem sozialen Umfeld. Das haben Schweizer Forscher der Universität Neuchâtel im September 2014 erstmals in freier Wildbahn beobachtet.
Im Budongo-Schutzgebiet im Nordwesten Ugandas konnten die Forscher um Thibaud Gruber verfolgen, wie sich der Gebrauch eines Werkzeuges verbreitete. Die Tiere nutzen dort Schwämme aus zerkauten Blättern, um aus Baumhöhlen Wasser zu holen. Einige Schimpansen entwickelten zwei neue Varianten. Schwämme aus Moos und Blättern sowie die Wiederverwendung von bereits benutzten Schwämmen.
Erfinder des Moos-Schwamms war der 29-jährige Nick, ein dominantes Männchen. Eine Schimpansendame beobachtete sein Verhalten und benutzte nun auch einen Moos-Schwamm. In den nächsten Tagen kamen immer mehr Tiere dazu, die jeweils vorher Artgenossen mit dem neuen Schwamm gesehen hatten.
Es handelt sich also um soziales Lernen durch Beobachten und Nachahmen, statt um individuelles Lernen, bei dem verschiedene Tiere das Werkzeug für sich entwickeln. Mit statistischen Methoden wiesen die Wissenschaftler nach, wie sich das Verhalten ausbreitete. Das Wissen wurde entlang des sozialen Netzwerks des Erfinders weitergegeben.
Soziales Lernen ist eine der Grundvoraussetzungen von Kultur. Das sowohl Menschen als auch Schimpansen auf diese Weise Wissen weitergeben, bedeutet: schon ihr letzter gemeinsamer Vorfahre hat sich vermutlich so verhalten.
Bonobos lösen Stress-Situationen mit Sex
Bonobos sind in freier Wildbahn noch kaum erforscht. Doch berühmt sind sie trotzdem, denn die Zwergschimpansen aus dem Regenwald des Kongogebietes sind dafür bekannt, dass sie Konflikte mit Sex lösen.
Die Primatologin Simone Pika, die mittlerweile am Max-Planck-Institut für Ornithologie arbeitet, hat die Bonobos studiert. Dabei stellte sie fest, dass Tiere, die in Konkurrenz um Futter stehen, bei Stress diese Situation lösen, indem sie Sex haben. "Und Sex jetzt nicht nur zwischen Männchen und Weibchen. Das heißt, es hat auch nicht mit reproduktivem Sex zu tun, aus dem dann Nachwuchs entsteht. Sondern der Sex wird verwendet, um diese Stresssituation runterzufahren - und dann können eigentlich fast alle friedlich miteinander fressen", so die Forscherin.
Mit Schreien, die sie dabei ausstoßen, zeigen sie den anderen, ob sie gerade mit einem Tier des gleichen Geschlechts Sex haben oder ob der Partner von höherem beziehungsweise niedrigerem Rang ist. Diese Botschaften senden sie an die restlichen Mitglieder ihrer Gruppe.
Genau diese Laute sind es, die Simone Pika interessieren, denn Bonobos zeigen auch in ihrem sonstigen Verhalten, dass sie sich wesentlich differenzierter verständigen können als andere Menschenaffen. Bonobos kommunizieren mit verschiedenen Lauten und Rufen sowie mit Gesten und Berührungen.
Bei den Bonobos ist das Sozialsystem weniger hierarchisch als bei den Schimpansen. Männchen und Weibchen sind eher gleichgestellt. Dieses friedliche Sozialsystem hat, so die Forscherin, auch zu einer subtileren und flexibleren Kommunikation mit Gesten geführt. Zudem benutzen die Menschenaffen auch zahlreiche unterschiedliche Laute und Rufe, um sich im dichten Regenwald noch untereinander verständigen zu können.
Haben Bonobos einer Gruppe abends den passenden Baum zum Schlafen gefunden, rufen sie die anderen. Haben Bonobos einen Futterbaum entdeckt, sitzen sie auf ihm und geben akustisch Bescheid. Andere Bonobos, die ein bisschen weiter weg sind, antworten darauf und kommen nach. Zudem dienen die Rufe dazu, die Gruppe vor Feinden zu schützen. Denn vor einem Feind, der sich von hinten anschleicht, schützt keine Geste, wenn der Gefährdete gerade mit Fressen beschäftigt ist.
Bonobos haben verschiedene Rufe, um das Territorium zu markieren, um Macht zu zeigen, andere Tiere zu warnen oder den besten Fortpflanzungspartner zu finden. Gesten dagegen spielen eine Rolle bei der intimeren Kommunikation zwischen den Affen, beim Spielen, Kuscheln oder Lausen.
Simone Pika hat die Kommunikationsfähigkeiten der Bonobos mit denen von Kleinkindern verglichen. Dabei hat sie herausgefunden, dass sich das Gestenrepertoire der Affenkinder und Menschenbabys in frühen Phasen ihrer Entwicklung gleicht. So setzen Bonobos genauso wie Babys in den ersten Monaten vor allem Gesten ein, die Aktionen initiieren sollen, etwa um von ihrer Mutter hochgenommen zu werden. Doch während das Stadium der gestischen Kommunikation bei den Bonobos dauerhaft ist, entwickelt ein Kind sein komplexes sprachliches System weiter.
Auch bei Orang-Utans geht Freundschaft durch den Magen
Das stellten Roman Wittig und sein Team vom Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in einer Studie im Budongo-Schutzgebiet in Uganda fest, die sie im Januar 2014 veröffentlichten. Schimpansen, die Nahrung mit ihren Artgenossen teilten, produzierten verstärkt das für die soziale Bindung wichtige Hormon Oxytocin. Dieses Hormon ist beim Menschen unter anderem für die Festigung der Mutter-Kind-Bindung verantwortlich.
Urinproben als Beweis
Die Forscher hatten 29 Urinproben von 26 freilebenden Schimpansen genommen, die maximal eine Stunde zuvor gefressen hatten. Dabei stellten sie fest, dass der Oxytocinspiegel im Urin von Schimpansen, die ihre Nahrung mit den Artgenossen teilten, wesentlich höher war als bei Schimpansen der Gruppe, die nicht geteilt hatten.
Teilen besser als lausen
Oxytocin schütten die Menschenaffen auch aus, wenn sie sich gegenseitig lausen und das Fell pflegen. Nach dem Teilen von Nahrung maßen die Forscher jedoch einen noch höheren Spiegel des Hormons. "Futter mit anderen zu teilen könnte ein Schlüsselverhalten für den Aufbau sozialer Beziehungen unter Schimpansen sein, resümierte Roman Wittig. Ob auch Menschen verstärkt Oxytocin produzieren, wenn sie ihre Mahlzeiten teilen, müssten weitere Studien klären, so der Forscher.
Mit Händen und Füßen: Orang-Utans sind clevere Pantomimen
Kanadische Forscher um Anne Rousson vom Glendon College aus Toronto haben herausgefunden, dass Orang-Utans sich mit Gesten bis hin zur Pantomime mit ihren Artgenossen und mit Menschen "unterhalten" können. Eine Kommunikation mittels Gesten und Pantomime gilt als typisch menschliche Fähigkeit. Allerdings hatten Forscher in früheren Studien bereits bei in Gefangenschaft lebenden Gorillas und Schimpansen festgestellt, dass diese Affenarten Gesten lernten. Die kanadischen Forscher haben das Verhalten wieder ausgewilderter Orang-Utans in Indonesien und Borneo über 20 Jahre ausgewertet. Dabei stellten sie fest, dass die Tiere auch in der Wildnis Gesten und pantomimische Darstellungen einsetzen.
In den meisten Fällen verstärkten die Tiere mit diesen Gesten eine Aufforderung, und zwar dann, wenn die erste Kontaktaufnahme unbeantwortet geblieben war. Manchmal diente die Pantomime aber auch der Täuschung. Wenn ein Orang-Utan Gesellschaft sucht oder spielen will, kann er als Zeichen die Arme heben oder einem Artgenossen winken. So wie Menschen es auch tun, wenn sie zeigen wollen: Hier bin ich, komm doch mal rüber.
Reagiert der Artgenosse begriffsstutzig, verpassen Orangs als Aufforderung zum Spielen ihren Kollegen auch schon mal einen Hieb.
In anderen Situationen rollen sie auf dem Rücken herum, was aber offenbar nur besonders verspielte Orang-Freunde zum Mitmachen animiert.
Nicht nur das Armeheben und das Winken erinnern an menschliche Gesten: Wenn Orang-Utans auf einen Leckerbissen wie eine Banane hinweisen wollen, halten sie die Frucht ihren Freunden entgegen, was so viel bedeutet wie: "Schau mal – willst du auch eine?" Wenn sie selbst nichts anzubieten haben, sondern vielmehr auf Futter erpicht sind, können sie durch Bewegungen mit dem offenen Mund fragen: "Teilst du mit mir?" Das ist die höfliche, fast unterwürfige Variante. Es geht aber auch rauer – und schneller: Einfach das Futter wegzureißen ist auch eine Geste, die vorkommt. Wenn sie später wieder in Freundschaft vereint den Platz wechseln wollen, können Orangs das signalisieren, indem sie ihr Gegenüber umarmen und mitziehen.
Ob sie nun zusammen spielen, Futter teilen oder auf den nächsten Baum klettern, wenn Orang-Utans wieder alleine sein wollen, signalisieren sie das mit einer ebenfalls sehr menschlichen Geste: Sie schieben die Hand oder den Arm ihres Kollegen einfach weg.
Ihre erstaunliche Ausdrucksstärke teilen Orang-Utans mit den zwei anderen Menschenaffenarten – Gorillas und Schimpansen –, wobei die größte Übereinstimmung mit Schimpansen besteht, die zu 80 Prozent die gleichen Gesten wie Orangs nutzen. Die Beobachtungen zeigen aus Sicht der Wissenschaftler, dass Orang-Utans ihre Körpersprache bewusst als Mittel zur Kommunikation einsetzen. Diese zielgerichteten Gesten seien ein wichtiger Vorläufer der abstrakten Kommunikation und von der Sprache gar nicht mehr so weit entfernt.
Menschliche Züge: Auch Schimpansen haben Mitgefühl
Schimpansen sind, im Gegensatz zu Menschen, nicht uneigennützig hilfsbereit. Diese Erfahrung wurde aus Studien mit Zootieren gewonnen. Doch Primatenforscher haben herausgefunden, dass Schimpansen sehr wohl altruistisch handeln. Sie haben in einem Nationalpark an der Elfenbeinküste beobachtet, wie erwachsene Schimpansen mehrere verwaiste Jungtiere adoptiert haben. Bisher wurde die Fähigkeit, nicht verwandten Artgenossen gegenüber Hilfsbereitschaft zu zeigen, nur dem Menschen zugestanden.
Studien mit Zootieren hatten gezeigt, dass Schimpansen zu einer uneigennützigen Hilfsbereitschaft nicht in der Lage sind. Doch zumindest für freilebende Tiere konnte ein Forscherteam um Christophe Boesch vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie diese Schlussfolgerung widerlegen: Im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste wurden 18 junge Schimpansen-Waisen adoptiert. Die Hälfte der Jungtiere wurde von Männchen aufgenommen, die - außer in einem Fall - nicht der Vater waren. Über mehrere Jahre hinweg kümmerten sich die erwachsenen Tiere intensiv um den Nachwuchs - sie warteten auf den Pflegling, beschützten ihn und teilten ihre Nahrung mit ihm.
Bei den Studien im Zoo hatten die Tiere nur äußerst begrenzt mit anderen Gruppenmitgliedern geteilt oder kooperiert. Für die Primatenforscher am Leipziger Max-Planck-Institut ist das nicht überraschend: Zootiere seien meist wohlgenährt und nicht aufeinander angewiesen. Unter natürlichen Bedingungen jedoch gebe es viele Situationen, in denen das Überleben eines Schimpansen von der Hilfsbereitschaft anderer Gruppenmitglieder abhänge - beispielsweise bei der Revierverteidigung gegen Raubtiere.
In freier Wildbahn beobachten Forscher Schimpansen dabei, wie sie einander helfen, indem sie ihre Nahrung teilen, Koalitionen nutzen, gemeinsam jagen und die Grenzen ihres gemeinsamen Lebensraumes verteidigen. Offensichtlich hängt das Verhalten der Schimpansen von ihrer Umgebung ab. So gibt es auch unter den freilebenden Schimpansen noch Unterschiede. Bei den Tieren im westafrikanischen Taï-Nationalpark wurden mehr Adoptionen beobachtet als bei Schimpansen in Ostafrika. Die Forscher vermuten, es könnte an den vielen Leoparden liegen, mit denen sich die Taï-Schimpansen ihren Lebensraum teilen.
Die ständige Bedrohung durch diese Großkatzen scheint die Solidarität innerhalb der Gruppe gefördert zu haben, vermutet Boesch und folgert: "Nur genaue Beobachtungen frei lebender Schimpansen können uns verraten, wie intelligent diese Tiere wirklich sind. Dann und nur dann werden wir die Frage beantworten können, was den Mensch zum Menschen macht."
Auch bei Bonobos heißt Kopfschütteln "Nein"
Das Kopfschütteln als Nein-Geste haben Forscher bei Bonobo-Menschenaffen in den Zoos von Leipzig und Berlin und im belgischen Tierpark Planckendael beobachtet. Die Wissenschaftler um Christel Schneider vom Leipziger Max-Planck-Institut hatten beispielsweise gesehen, wie ein Jungtier mit einem Stück Lauch gespielt hatte. Die Mutter versuchte zunächst, das Kleine vom Spielen mit dem Lauch abzuhalten, indem sie es vom Essen wegzog. Als das nicht gelang, blickte sie ihr Junges an, schüttelte nachdrücklich ihren Kopf, entwendete ihm schließlich den Lauch und warf ihn weg.
Auch bei anderen erwachsenen Zootieren hatten die Forscher dieses Kopfschütteln als Nein-Geste beobachtet. Dass Menschenaffen generell Gesten wie Kopfschütteln oder Nicken verwenden – beispielsweise beim Spielen – ist nicht neu. Überraschend war für die Forscher, dass das Kopfschütteln genau wie beim Menschen als Geste des Widerspruchs eingesetzt wurde.
In ihren Studien stellten die Forscher außerdem fest, dass Bonobo-Menschenaffen ein ausgeklügeltes und wenig hierarchisches Sozialsystem haben, in dem auch Weibchen Führungsrollen übernehmen können. Die im Kongo beheimateten Affen verständigen sich auf vielfältigere Weise als andere Menschenaffen. Außerdem zeigten sie sich in den Studien toleranter und kooperativer als beispielsweise Schimpansen, Gorillas oder Orang-Utans – auch wenn sie gelegentlich Jagd auf andere Primaten machen.
Fressverhalten: Bonobos jagen andere Primaten
Bonobos galten wie auch die anderen Menschenaffen lange als friedliebendes Affen-Volk. Doch eine Studie fand heraus: Bonobos sind gar nicht so nett – vor allem wenn's ums Fressen geht. Die deutschen Biologen trauten ihren Augen nicht, als sie die Zwergschimpansen in einem kongolesischen Nationalpark beobachteten: Fünfmal wurden die Forscher Zeugen, als Bonobos Jagd auf andere Affenarten machten. Dreimal konnten die Zwergschimpansen ihre Opfer fangen und sogar fressen. Die Beobachtungen der Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie warfen alles über Bord, was man bis 2008 über das Fressverhalten der Bonobos wusste.
Dass Bonobos neben Pflanzen und Insekten auch Antilopen, Eichhörnchen und andere Nagetiere mögen, war bekannt. Dass sie andere Affen verspeisen, hatten die deutschen Forscher nur vermutet. Die Anthropologen hatten zwar einen Affenfinger in den Fäkalien eines Tieres gefunden, doch weil sie die Zwergschimpansen nie bei der Jagd auf Primaten erwischt hatten, war unklar, ob der Bonobo den Affen selbst getötet oder einem Raubtier abgeluchst hatte. Diese Frage ist jetzt wohl geklärt.
Die großen Verwandten der Bonobos, die Schimpansen, sind bekannt dafür, dass sie gerne mal einen Artgenossen verspeisen. Die Männchen dringen in den Lebensraum benachbarter Völker ein, töten dort Affen und ziehen anschließend weiter. Dieses brutale Verhalten erklärten sich die Forscher bislang dadurch, dass in der Schimpansenhierarchie die Männchen dominieren und dass solche patriarchalen Völker aggressiver sind.
Umgekehrt nahm man an, dass die Bonobos wegen der dominierenden Weibchen und der netten Angewohnheit, Konflikte durch Sex zu lösen, friedfertiger sind und weder Jagd auf Artgenossen noch andere Affenarten machen. Diese These ist jetzt widerlegt: An der Jagd auf andere Affenarten beteiligten sich sowohl Bonobo-Weibchen, als auch Bonobo-Männchen. Trotzdem ist die Jagd auf Verwandte eine Ausnahme - in erster Linie fressen sie Früchte und Blätter.
Silberrücken leiten mit Gestank
Bekanntlich leiten Gorilla-Männchen ihre Gruppe mit lautem Gebrüll und Imponiergehabe. Weniger bekannt ist, dass sie sich mit ihren Artgenossen über den Geruch verständigen. Wenn das Männchen besonders stinkt, dann hat es auch etwas zu sagen.
Michelle Klailova und Phyllis Lee von der schottischen Universität Stirling sind 2007 zwölf Monate lang in der Zentralafrikanischen Republik einer Gruppe von 13 Westlichen Tieflandgorillas gefolgt. Darunter war ein männlicher "Silberrücken", der Chef im Gorillareich. Die Forscher fanden heraus, dass seine ausgesendeten Duftstoffe nicht nur ein Ergebnis von Erregung sind, sondern auch gezielt zur Beeinflussung anderer Affen eingesetzt werden können. Die Stärke des Geruchs wird bei Gefahr oder wenn ein Rivale in der Nähe ist gezielt hoch- oder runtergeregelt. Will das Alpha-Tier einem Rivalen imponieren, dann stinkt es förmlich zum Himmel, bei Rückzug drosselt es seinen Geruch auf kaum noch wahrnehmbar herunter. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Tiere ihre Duftsprache im dichten zentralafrikanischen Dschungel auch zur Orientierung einsetzen.
Drei Primatenforscherinnen - drei Langzeitstudien
Evolution: Mensch und Menschenaffe
Gemeinsamer Vorfahr
Der Mensch stammt nicht vom Affen ab. Vielmehr haben wir Menschen und die heute lebenden Menschenaffen einen gemeinsamen Vorfahren. Von diesem Urahn aus entwickelten sich Affen und Menschen - allerdings in verschiedene Richtungen.
Der aufrechte Gang
Schimpansen und Gorillas, unsere nächsten Verwandten, bewegen sich im sogenannten Knöchelgang. Sie stützen sich am Boden auf die mittleren Fingerglieder auf, wenn sie gehen. Wir dagegen gehen aufrecht. Die Entwicklung zum aufrechten Gang beim Menschen begann vor rund vier Millionen Jahren.
Hypothesen
Warum unsere Ahnen den aufrechten Gang entwickelten, dazu gibt es mehrere Theorien. Die eine besagt, dass sich unsere Vorfahren aufrichteten, um Raubtiere im hohen Gras der Savanne früher zu entdecken und sich dadurch besser zu schützen. Eine zweite Theorie, die Ufer-Hypothese, geht davon aus, dass Menschenaffen ihre Nahrung gern in Gewässern suchten. Da sie aber nicht schwimmen konnten, mussten sie sich strecken, um den Kopf über Wasser zu halten.
Die große Greifzehe
Der Übergang vom Knöchelgang zum Laufen auf zwei Beinen dauerte einige Zeit und ging bei unseren Vorfahren auf Kosten der Kletterfähigkeit. Aus dieser Entwicklung resultiert, dass heutzutage Oberschenkel und Hüfte des Menschen anders ausgebildet sind, als die beim Affen. Schimpansen und Gorillas haben eine große Zehe, mit der man greifen kann, die wir nicht mehr haben. Diese Greifzehe ist beim Klettern auf den Bäumen sehr nützlich, beim Gehen auf dem Boden allerdings eher hinderlich.
Freie Hände
Dank des aufrechten Gangs konnten unsere Vorfahren die Arme, die im Laufe der Entwicklung an Länge verloren, und ihre Hände anderweitig nutzen. Dazu entwickelten sie Werkzeuge: Steine zum Zertrümmern von Knochen, Faustkeile, Holzknüppel und Pfeile. Bis zur Nutzung von Werkzeugen mussten die Bewohner der Steppe vor allem schnell sein, um sich vor Raubtieren zu schützen. Nun wurden sie selbst zu Jägern. Bei Affen dagegen blieben die Arme länger, denn sie benötigten sie zum Laufen und Klettern.
Homo erectus und Homo sapiens
Der Homo erectus, der aufrechte Mensch, tauchte vor zwei Millionen Jahren auf. Er war im Durchschnitt 1,65 Meter groß und wog 65 Kilogramm. Im Laufe der Zeit besiedelte er Europa, Afrika und Asien. Parallel, aber unabhängig voneinander, entwickelte sich aus dem Homo erectus in Europa der Neandertaler und in Afrika der sogenannte "neue Mensch", der Homo sapiens, der "weise Mensch".
Mehr Gehirn
Unser Gehirn ist im Durchschnitt etwa 1.400 Kubikzentimeter groß, während das Gehirn früher Menschen auf etwa die Hälfte kam. Erst nach und nach wuchs das Gehirnvolumen an. Über einen langen Zeitraum blieb das Gehirnvolumen unserer Vorfahren in etwa gleich. Erst der Waffen- und Werkzeuggebrauch, der nur mit entsprechender Hirnleistung möglich war, und gehaltvollerer Nahrung führten dazu, dass das Gehirn anwuchs.
Gehirn versus Darm
Damit ein Gehirn überhaupt funktionieren und anwachsen kann, benötigt es viel Energie. Eine Hypothese in der Forschung dazu lautet: Man kann entweder einen großen Darm haben oder ein großes Gehirn. Das heißt, der Darm – ein anderes sehr energieintensives Organ – wird im Laufe der Evolution kürzer, das Gehirn größer. Zu dieser Annahme passt, dass sich die Ernährung unserer Vorfahren umstellte: Benötigten sie einen langen Darm, um vorwiegend vegetarische Kost zu verdauen, reichte für Fleisch ein kurzer Darm. Während sich heuztutage Menschen von Fleisch und vegetarischer Kost ernähren können, leben Menschenaffen überwiegend vegetarisch - ihr Darm ist entsprechend länger ausgebildet.
Sprache
Affen können nicht sprechen. Ihr Kehlkopf ist anatomisch nicht dafür ausgelegt. Selbst nach jahrelangem Training kommen sie nicht über Begriffe wie "Banane" oder "Kokos" hinaus, wie Julia Fischer vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen feststellte. Mit menschlicher Gebärdensprache haben sie ihre Probleme. Das liegt vor allem daran, dass ihr Gehirn nicht – wie das unsere – vor allem nach abstrakten grammatikalischen Mustern arbeitet.
Komplexes Denken
In unserem Gehirn ist der Kortex, der hinter der Stirn liegt, unter anderem dafür zuständig, Impulse zu unterdrücken. Deshalb können wir über Dinge nachdenken, Situationen simulieren und Problemlösungen gedanklich durchgehen, bevor wir sie ausführen. Der Mensch hat einen breiteren Kortex als Schimpansen. So kann der Mensch dank breitem Kortex und ausgefeiltem Sprachsystem komplexe Gedankenspiele veranstalten und Strategien austüfteln, was dem Schimpansen nicht möglich ist.