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Wärmere Nordsee Wenn der Kabeljau ins Schwitzen kommt

Sardinen, Anchovis und Pazifische Austern – eigentlich ist es diesen Arten in der Nordsee zu kalt. Doch durch den Klimawandel wird die Nordsee wärmer und neue Arten besiedeln sie. Heimische, wie der Kabeljau, leiden dagegen unter der Wärme.

Published at: 29-11-2018

"Die Nordsee ist in den vergangenen Dekaden wärmer geworden", sagt Meeresbiologin Anne Sell vom Thünen-Institut für Seefischerei in Hamburg. Die Folge: Mittlerweile fühlen sich in der Nordsee auch Sardinen, Anchovis und Pazifische Austern wohl. Die südliche Nordsee zählt mittlerweile auch zu ihren Stammplätzen. Dagegen ist die ansteigende Meerestemperatur für andere Nordseebewohner schlecht. Etwa für den Dorsch, auch Kabeljau genannt.

Immer weiter nach Norden

Dem Fisch, der Kaltwasser liebt, wird es in der Nordsee allmählich zu warm. Seine Eier gedeihen nur bei bestimmten Wassertemperaturen gut. Untersuchungen am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) haben zudem gezeigt: Die zunehmende Versauerung der Meere, die CO2 aus der Atmosphäre im Wasser lösen, macht die Fischeier noch temperaturempfindlicher und verstärkt damit den Effekt noch.

Ein Dorsch oder Kabeljau in der Nordsee

"Für den Kabeljau hat sich die Erwärmung in der Nordsee auf jeden Fall negativ ausgewirkt", erklärt Sell. Bislang gehört die Nordsee noch zu seinem Lebensraum, doch genau das ist in Gefahr. Dafür wird allerdings auch die Barentssee an der Grenze zum Polarmeer wärmer und öffnet den Lebensraum des Fisches nach Norden hin.

Doch es ist nicht egal, wo der Dorsch seine Eier "legt", denn die Larven des Fischs reisen anschließend mit einer geeigneten Meeresströmung dorthin, wo sie Nahrung finden.

Nordsee-Temperatur

Nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) erreichte die durchschnittliche Wassertemperatur der Nordsee 2017 10,9 Grad Celsius, nur knapp unter dem Wert von 2016 mit 11,0 Grad. Das war der zweithöchste Wert seit 1969. Nur 2014 war das Wasser mit 11,5 Grad Celsius noch wärmer. Neben den steigenden Temperaturen macht dem Kabeljau auch die starke Überfischung sehr zu schaffen und die nicht nur in der Nord-, sondern auch in der Ostsee.

Wenn auch die Arktis zu warm wird

Aber der Klimawandel macht auch vor den Polarmeeren nicht Halt, im Gegenteil. Die Arktis erwärmt sich sogar besonders schnell, erklärt Marion Maturilli vom AWI, Meteorologin in Spitzbergen: Sie wird pro Jahrzehnt um 1,6 Grad wärmer, das haben die Forscher in den vergangenen 20 Jahren beobachtet. Und weil kaltes Wasser dazu noch schneller CO2 lösen kann, ist auch die Versauerung im arktischen Gewässer stärker als anderswo. Fische in der Arktis sind also besonders betroffen von den Veränderungen der Ozeane durch den Klimawandel.

Wenn der Klimawandel fortschreitet, könnten Kabeljau und Kollegen ernsthaft in ihrem Fortbestand gefährdet sein.

"Es zeigt sich ganz deutlich: Bei einem 'Weiter so' würden Arten wie Kabeljau und Polardorsch erheblich leiden und ihre wichtigsten Reproduktionsgebiete verlieren. Wenn wir dagegen unsere Klimaziele erreichen, würde die Situation tatsächlich für beide Arten mehr oder weniger so bleiben wie heute. Sie könnten in ihren angestammten Gebieten weiter existieren, wie sie es derzeit tun."

Flemming Dahlke, Fischereibiologe am Alfred-Wegener-Institut (AWI)

Neue Arten "ziehen ein"

Ein Schwarm Sardellen, auch Anchovis genannt

Während der Dorsch immer mehr leidet, fühlen sich eigentlich fremde Arten mittlerweile in der Nordsee wohl. So waren Sardinen und Sardellen früher vor allem in südlicheren Meeresbereichen anzutreffen und nur einzelne Exemplare wurden schon in den 1970er- und 1980er-Jahren in der Nordsee entdeckt. Dank steigender Wassertemperatur sind sie nun keine Seltenheit mehr. Inzwischen hat sich die Sardine etabliert und auch Sardellen-Jungtiere zieht es nordwärts, wie Langzeitstudien zeigen.

Pazifische Auster übernimmt das Wattenmeer

Eine weiterer neuer "Mieter", der sich in der Nordsee ausbreitet: die Pazifische Auster, der die Nordsee im Sommer früher zu kalt war. Sie überleben mittlerweile aufgrund des wärmeren Wassers, in denen sie sich gut fortpflanzen können. Um sich vermehren zu können, braucht die Auster über mehrere Wochen Wassertemperaturen von mindestens 18 Grad Celsius und die erreichte das Wattenmeer in den letzten Jahre locker. Aus Miesmuschelbänken wurden so Austernriffe, die aber die Miesmuscheln nicht ganz verdrängten.

Gäste aus Australien und Amerika

Eine Miesmuschel zusammengwachsen mit einer Pazifischen Auster

Daneben vermehren sich auch die in den 1950er-Jahren eingeschleppte Australische Seepocke und die seit den 1930er-Jahren vorhandene Amerikanische Pantoffelschnecke immer mehr. Ihre Populationen brachen in den früheren Jahrzehnten wegen der strengen Winter immer wieder zusammen. Dieses Regulativ gibt es in den vergangenen Jahren immer seltener.

"Lange Frostperioden haben früher viele wärmeliebenden eingeschleppten Arten klein gehalten. In den letzten Jahrzehnten haben wir aber deutlich weniger Eiswinter. Hinzu kommen dann die warmen Sommer."

Christian Buschbaum, Meeresökologe am AWI


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