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Europäische Südsternwarte Aus der Wüste zu den Sternen schauen

Die Atacama-Wüste in Chile gehört nicht nur zu den trockensten Orten dieser Welt, nachts ist es dort auch besonders dunkel. Perfekte Bedingungen für die Europäische Südsternwarte ESO, um dort in die Tiefen des Weltraums zu blicken.

Published at: 1-11-2018

Das ALMA-Observatorium der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile: 66 Teleskope, die die Fläche eines Fußballfeldes haben. | Bild: picture-alliance/dpa

Die Europäische Südsternwarte (European Southern Observatory, kurz ESO), die ihren Hauptsitz in Garching bei München hat, betreibt in Chile drei Beobachtungsstandorte. Mithilfe von Teleskopen und verschiedenen Instrumenten gelangen den Wissenschaftlern vor Ort bereits spektakuläre Entdeckungen: Sie haben ein riesiges Schwarzes Loch inmitten unserer Milchstraße aufgespürt, Gammablitze beobachtet und den ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems fotografiert.

Die Südsternwarte blickt ins All

Ideal zum Forschen - aber nicht für Forscher

Das ALMA-Foto zeigt einen Ring aus Staubkörnern um den hellen Stern Fomalhaut.

Der Standort der ESO in der Atacama-Wüste ist für Sternbeobachtungen ideal: Um von der Erde aus in die Tiefen unseres Universums blicken zu können, müssen die Nächte besonders dunkel und die Luft besonders trocken sein. Für die Menschen sind die Bedingungen dort hingegen eine Herausforderung.

"Wenn man sieben, acht Stunden geschlafen hat, dann wacht man morgens auf und ist völlig ausgedörrt, weil man die ganze Feuchtigkeit ausgeatmet hat. Dann muss man erst mal ein, zwei Liter Wasser trinken. Aufgrund der Trockenheit ist fast kein Leben dort, es ist nur eine Gesteinswüste im Prinzip. Das ist für die ersten paar Tage ganz aufregend und dann kippt das Ganze und wird einfach nur anstrengend."

Dr. Jochen Liske, ESO Garching

Observatorien in der chilenischen Wüste

Das Observatorium der Europäischen Südsternwarte ESO auf dem Berg La Silla in Chile.

Trotz der erschwerten Bedingungen reißen sich Forscherinnen und Forscher um Beobachtungsmöglichkeiten an der Europäischen Südsternwarte. Die Teleskope sind die leistungsstärksten ihrer Art weltweit. Derzeit gibt es drei Observatorien in der Atacama-Wüste, ein viertes wird gerade gebaut. Sie befinden sich alle in großer Höhe: auf der Hochebene Chajnantor in mehr als 5.000 Metern über dem Meeresspiegel, dem rund 2.400 Meter hohen Berg La Silla, dem rund 2.600 Meter hohen Paranal - und künftig auch auf dem rund 3.000 Meter hohen Armazones.

Die Europäische Südsternwarte

Der Orion-Nebel, festgehalten von einem ESO-Teleskop.

Das Forschungsinstitut der Europäischen Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) wurde im Jahr 1962 gegründet. Europäische Astronomen sollten endlich unkompliziert einen Blick in den Südsternhimmel werfen können. Zunächst beteiligten sich Deutschland, Belgien, Frankreich, die Niederlande und Schweden. Heute gehören 15 europäische Staaten und Brasilien dazu. Laut ESO belaufen sich die jährlichen Beiträge der Mitgliedsländer auf etwa 198 Millionen Euro. Die ESO beschäftigt rund 700 Mitarbeiter. Die Zentrale befindet sich in Garching bei München.

Die drei Alten vom Cerro La Silla

Drei Super-Erden umkreisen den leuchtenden Stern HD 40307. Das wissen wir dank der ESO auf dem La Silla.

Die drei Teleskope auf dem rund 2.400 Meter hohen Cerro La Silla (Cerro: Spanisch "Berg"), 600 Kilometer nördlich von Santiago de Chile, sind die ältesten und kleiner als ihre Nachfolger. Ihre Spiegel haben einen Durchmesser von maximal 3,6 Metern. Sie werden unter anderem zur Suche nach Exoplaneten, also Planten außerhalb unseres Sonnensystems, eingesetzt.

ALMA, die Jägerin der Dunklen Materie von Chajnantor

Die Antennen des ALMA-Teleskops befinden sich in 5.000 Metern Höhe.

Das ALMA-Teleskop (Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array) befindet sich in etwa 5.000 Metern Höhe auf der Hochebene Chajnantor. Es besteht aus 66 einzelnen Präzisionsantennen, die zusammen einen Teleskopverbund bilden. Bereits 2011, als nur 16 Antennen in Betrieb waren, lieferte ALMA spektakuläre Bilder aus den Tiefen des Weltraums. Diese Aufnahmen sind etwa zehnmal so scharf wie die des Weltraumteleskops Hubble. ALMA kann Radiowellen wahrnehmen. Die Forscherinnen und Forscher erhoffen sich von ALMA neue Erkenntnisse zur Dunklen Materie. Sie untersuchen mit ALMA die Gaswolken, in denen neue Sterne entstehen und die bei der Geburt neuer Galaxien eine wichtige Rolle spielen.

VLT, das "sehr große Teleskop" vom Cerro Paranal

Der Carinanebel, aufgenommen mit der HAWK I-Kamera des VLT-Teleskops.

Das bekannteste Teleskop der Europäischen Südsternwarte ist das Very Large Telescope (VLT, zu deutsch: Sehr Großes Teleskop) auf dem etwa 2.600 Meter hohen Berg Paranal. Es besteht aus vier einzelnen Hauptteleskopen mit einem Spiegeldurchmesser von je gut acht Metern. Zusätzlich gibt es vier bewegliche kleinere Hilfsteleskope. Mit dem VLT wurde im Jahr 2004 der erste Planet fotografiert, der außerhalb unseres Sonnensystems liegt. Die Hauptteleskope können zu einem virtuellen Riesenteleskop kombiniert werden, sodass man extrem scharf in die Ferne blicken kann: so gut, dass man Objekte, die kleiner als eine DVD sind, von der Erde aus auf der Internationalen Raumstation erkennen könnte.

"Die ESO hat einen Traum verwirklicht, der bis in die Zeit zurückreicht, als das VLT in den 1980er-Jahren konzipiert wurde: Das Licht aller vier Hauptteleskope auf dem Cerro Paranal zu kombinieren, um ein einziges Instrument zu speisen."

Gaspare Lo Curto, ESPRESSO-Instrumentenwissenschaftler, ESO

Dank ESPRESSO das größte Teleskop der Welt

Ein System aus Spiegeln, Prismen und Linsen überträgt das Licht von jedem VLT-Hauptteleskop zu dem bis zu 69 Meter entfernten ESPRESSO-Spektrografen. So kann ESPRESSO (Echelle SPectrograph for Rocky Exoplanet and Stable Spectroscopic Observations) das Licht der Teleskope sammeln und dadurch die Lichtstärke erhöhen. Schwach leuchtende Objekte können dadurch besser sichtbar gemacht werden. Im Februar 2018 arbeitete der ESPRESSO-Spektograf erstmals im Vier-Hauptteleskope-Modus. Wenn alle vier Teleskope ihre Lichtsammelleistung kombinieren, wird das VLT, was die lichtsammelnde Fläche betrifft, zum derzeit größten optischen Teleskop der Welt. ESPRESSO kann so gründlich wie nie zuvor nach Exoplaneten Ausschau halten: Wenn ein Planet seinen Mutterstern umkreist, lässt er ihn durch seine Anziehungskraft leicht wackeln. Je weniger Masse ein Planet hat, umso geringer fällt diese Ausgleichsbewegung des Sterns aus. ESPRESSO kann mit seiner Genauigkeit jetzt auch sehr kleinen, leichten Exoplaneten auf die Schliche kommen. Im Spektrum eines Sterns, der von einem Planeten umkreist wird, kann ESPRESSO selbst winzige Verschiebungen nachweisen.

"Wenn ESPRESSO mit allen vier Hauptteleskopen arbeitet, gibt uns das einen verlockenden Vorgeschmack auf das, was die nächste Generation von Teleskopen - wie das Extremely Large Telescope der ESO - in einigen Jahren bieten wird."

Xavier Barcons, ESO-Generaldirektor

ELT, das "extrem große Teleskop" vom Cerro Armazones

Das ELT ist auf der Suche nach Dunkler Materie.

In einigen Jahren muss sich das VLT trotz ESPRESSO-Unterstützung geschlagen geben: Die ESO baut derzeit auf dem circa 3.050 Meter hohen Cerro Armazones, unweit des Cerro Paranal, das Extremely Large Telescope (ELT, zu deutsch: Extrem Großes Teleskop). Das ELT wird mit fünf riesigen Spiegeln ausgestattet sein. Der größte hat 39 Meter Durchmesser und wird damit fünf Mal größer sein als die Spiegel des heute stärksten Teleskops. Das ELT kann damit mehr Licht einfangen, was bessere Bilder ermöglicht: Seine Aufnahmen werden 15 Mal schärfer sein als die des Weltraumteleskops Hubble. Zum Vergleich: Ein Münchner könnte mit dem ELT eine Zeitung in Lübeck lesen. Zusammengesetzt ist der Riesenspiegel aus rund 800 hexagonalen Teilstücken mit rund 1,40 Metern Durchmesser. 2024 soll das Teleskop seine Arbeit aufnehmen - und übertrumpft dann, wie es sich für ein extrem großes Teleskop gehört, das sehr große Teleskop: Es ist dann das größte optische Teleskop der Welt - das schärfste Auge, das die Welt gen Himmel richtet.

ESO-Chef Tim de Zeeuw spricht von einem "riesigen Sprung", der mit dem neuen ELT-Teleskop gelingen könne. Mit dem Riesenteleskop werde womöglich auch Leben im All entdeckt. De Zeeuw verglich die historische Bedeutung des Projekts mit dem Fernrohr, das Galileo Galilei vor gut 400 Jahren gen Himmel richtete.

Nobelpreisverdächtige Forschung

Mithilfe der Teleskope in der chilenischen Wüste konnten dem Weltraum bereits einige Geheimnisse entlockt werden. Die Wissenschaftler halfen außerdem beim Nachweis, dass die Expansion des Weltalls immer schneller vorangeht – eine Erkenntnis, für die 2011 drei Wissenschaftler mit dem Nobelpreis in Physik ausgezeichnet wurden.


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