Organtransplantation So werdet ihr Organspender

Von: Bernd Thomas

Stand: 30.05.2022 18:25 Uhr

Rund 9.000 Menschen warten in Deutschland auf ein neues Organ, 3.508 wurden 2021 transplantiert. Viele Patienten sterben, bevor sie ein rettendes Organ erhalten. Das Problem: Es gibt zu wenig Spender. Habt ihr euch schon mal überlegt, ein Organspender zu werden? Wie das geht, erfahrt ihr hier. Und eins vorneweg: Eure Entscheidung könnt ihr jederzeit wieder ändern.

Organspendeausweis | Bild: BR

Organspende: Nur mit Zustimmung

Ihr solltet wissen, dass in Deutschland Organe nicht ohne Zustimmung entnommen werden dürfen. Entweder haben Organspender einer Entnahme zugestimmt, dann haben sie sich einen Organspendeausweis besorgt, oder es in einer Patientenverfügung bestimmt. In beiden Dokumenten können Vertrauenspersonen benannt werden, die im Zweifelsfall entscheiden. Fehlt die schriftliche Zustimmung, müssen Anghörige die schwierge Entscheidung selbst treffen. Dabei spielt der mündliche oder der vermutete Wille des möglichen Spenders eine wichtige Rolle. Nur 15 Prozent der potentiellen Spender in Kliniken haben einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung. Fehlt die schriftliche Zustimmung, fällt die Entscheidung der Angehörigen meistens gegen die Organspende.

Anders ist das bei der sogenannten Widerspruchslösung, die in vielen Ländern wie zum Beispiel auch in Österreich gilt. Jeder, der nicht ausdrücklich widersprochen hat, kann zum Organspender werden.

ARCHIV - 28.09.2012, Berlin: Ein Styropor-Behälter zum Transport von zur Transplantation vorgesehenen Organen wird am eines OP-Saales vorbei getragen. (zu dpa: «Zahl der Organspender blieb trotz Corona nahezu unverändert") Foto: Soeren Stache/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Soeren Stache

Organspenden kann jeder, auch in jedem Alter. Der älteste Organspender Deutschlands war 98 Jahre alt.

Organspendeausweis: Schnell, unkompliziert und jederzeit widerrufbar

Nur etwas mehr als jeder Dritte hat einen Organspende-Ausweis, obwohl knapp zwei Drittel der Menschen wissen, ob sie Organe spenden wollen oder nicht. Dabei kann der Ausweis schnell und unkompliziert online ausgefüllt und auch in Fremdsprachen ausgedruckt werden. Auf den Seiten vieler Krankenkassen gibt es ebenfalls Vordrucke zum Download. Grundsätzlich gilt:

  • Ab dem 14. Lebensjahr kann jeder einer Organspende widersprechen.
  • Ab dem 16. Lebensjahr ist die persönliche Entscheidung für oder gegen eine Organspende möglich.
  • Der Ausweis ist ein rechtlich gültiges Dokument, Ärzte müssen sich danach richten.
  • Voruntersuchungen sind nicht nötig.
  • Der Ausweis und die getroffene Entscheidung werden bisher nirgendwo gemeldet oder registriert.
  • In Zukunft soll es ein bundesweites Organspende-Register geben. Darin kann jeder online eintragen, ob er Organe und Gewebe spenden will oder nicht.
  • Der Ausweis kann jederzeit neu ausgefüllt werden und ist dann sofort gültig.
  • Alle zwei Jahre kann sich jeder bei seinem Hausarzt dazu beraten lassen.
  • Über die Entscheidung solltet ihr auch mit den Angehörigen sprechen.
  • Den Ausweis am besten bei anderen Papieren, wie dem Personalausweis, mit sich tragen.
  • Vor Auslandsaufenthalten ist es sinnvoll, den Ausweis in unterschiedlichen Sprachen auszufüllen.

Organe: Wie sie gespendet werden

Es gibt die Lebendspende und die Spende nach dem Tod (postmortal). Für beide gelten unterschiedliche Voraussetzungen und strenge Verfahren.

Organspende: Wie geht das? | Bild: BR

Körpergewebe wie Hornhaut der Augen, Haut, Blutgefäße, Sehnen, Knorpelgewebe, Herzklappen und Knochengewebe können gespendet werden, manche lebend, manche postmortal. Im Unterschied zu Organenspenden sind Gewebespenden auch nach einem natürlichen Tod möglich. Und: Gewebespenden sind auch bei vielen Vorerkrankungen möglich. Organspenden sind dagegen bei bestimmten Vorerkrankungen ausgeschlossen.

Lebendorganspende: Entscheidung mit vielen Aspekten

Organspende: Wie geht das? | Bild: BR

"Als ich erfuhr, dass Rudi nierenkrank ist, habe ich gleich gedacht, dass es ein guter Weg sein könnte, ihm eine Niere zu geben, wenn ich zwei gesunde habe. Für mich war es einfach klar, weil ich Rudi schon sehr lange kenne und ihn als Mensch sehr schätze. Als Partnerin ist es einfach eine Win-Win-Situation. Denn wenn er an der Dialyse ist, sind ganz viele Dinge nicht mehr möglich, auch Reisen zum Beispiel. (…)
Es darf aber kein Zwang dahinter sein, schon gar kein moralischer. Das muss niemand machen. Ich würde es niemandem raten, wenn er kein gutes Gefühl dabei hat. Ich glaube, da muss man wirklich ehrlich zu sich sein. Und man darf nie in die moralische Bredouille kommen, dass das von einem erwartet wird oder man das machen müsste. (...)
Es war für mich außerdem wichtig, die Nierenspende nicht an der Beziehung festzumachen. Das muss etwas ganz Freies sein. (…) Man weiß ja nicht, was passiert."

Monika A., zur Nierenspende für ihren Lebensgefährten Rudi F.

Lebendorganspende: Nur unter besonderen Voraussetzungen möglich

Lebendspenden machen rund 15 Prozent der Organspenden aus. Die Erfolgsaussichten sind gut und die transplantierten Organe haben oft eine lange Lebensdauer. Erlaubt sind sie aber nur nach einem längeren Prüfverfahren unter bestimmten Voraussetzungen:

  • Sie dürfen nur bei Personen stattfinden, die auf der Warteliste für eine postmortale Organspende stehen und für die kein Organ verfügbar ist.
  • Spender und Empfänger müssen sich nahestehen. Das sind entweder Verwandte ersten oder zweiten Grades, Verlobte und Lebenspartner oder Lebenspartnerin.
  • Die Spende muss freiwillig erfolgen, finanzielle Interessen dürfen keine Rolle spielen.
  • Die Spenderin oder der Spender müssen gesund sein, Voruntersuchungen sind notwendig.
  • Eine Lebendspende-Kommission muss der Transplantation zustimmen.

Postmortale Organspende: Mehrstufiges, streng geregeltes Verfahren

Postmortale Organspenden sind nur möglich, nachdem ein streng geregeltes, mehrstufiges medizinisches Verfahren durchlaufen wurde. Die wichtigsten Punkte:

  • Spender oder Angehörige haben einer Organspende zugestimmt. Das Alter der Spender spielt übrigens keine Rolle. Entscheidend ist der Gesundheitszustand der Organe.
  • Der Hirntod, oder medizinisch irreversibler Hirnfunktionsausfall, kurz IHA, muss von zwei unabhängig voneinander arbeitenden Ärztinenn oder Ärzten diagnostiziert werden. Nach medizinischer Definition sind Patienten mit IHA tot. In manchen Religionsgemeinschaften und Religionen ist das bis heute ethisch umstritten.
  • Gegen eine Transplantation sprechen Krebserkrankungen und Infektionskrankheiten wie Tuberkulose. Sie müssen vor einer Organspende ausgeschlossen werden.
  • Damit eine Organentnahmen möglich ist, muss das Herzkreislaufsystem weiterhin künstlich aufrecht erhalten werden können.
  • In einem relativ kleinen Zeitfenster können anschließend bis zu sechs Organe entnommen werden. Da Nieren getrennt weitergegeben und auch Lunge und Leber aufgeteilt werden können, kann es theoretisch mehr als sechs Empfänger geben. Durschschnittlich wurden pro Spender in den letzten Jahren rund drei Organe entnommen und transplantiert.

Postmortale Organspende: Nur nach Hirntod

"Es gibt zwei Gründe für den Tod: Der Hirntod und der endgültige Ausfall des Herzkreislaufsystems, wobei das eine jeweils das andere zwangsläufig nach sich zieht. Die Diagnose des Hirntodes oder irreversiblen Hirnfunktionsausfalls ist eine der sichersten Todesfeststellungen, die es in der Medizin gibt. In Deutschland ist sie Voraussetzung für eine Organspende. In vielen anderen Ländern sind Organspenden auch nach dem Tod durch Herz-Kreis-Lauf-Versagen möglich. Aber die Regelung bei uns ist so streng, dass Organe aus solchen Spenden bei uns nicht implantiert werden dürfen, selbst wenn eine Vermittlung möglich wäre."

Prof. Dr. med. Bruno Meiser, Leiter des Transplantationszentrums, Klinikum der Universität München 

Organspende: Was hat die Corona-Pandemie verändert?

Für Genesene, die einen Organspenderausweis haben, verändert sich nichts. Denn über eine mögliche Spende wird immer erst im konkreten Fall entschieden. In den ersten Monaten 2022 wurden aber deutlich weniger Organe gespendet. Neben Ausfällen beim Pflegepersonal, der hohen Arbeitsbelastung in den Kliniken und der geringeren Zustimmung von Angehörigen mussten Organspendeprozesse teilweise aufgrund von SARS-Cov-2-Infektionen abgebrochen werden. Außerdem kam es bei potenziellen Spendern zu mehr Herz-Kreislauf-Versagen bevor der Hirntod festgestellt werden konnte.

Professor Bruno Meiser hält es durchaus für möglich, dass aufgrund der Pandemie in Zukunft mehr Lungentransplantationen nötig sein könnten. Noch ist nicht klar, inwieweit sich geschädigtes Lungengewebe nach schweren Krankheitsverläufen wieder regenerieren kann.

05.04.2022, Schweiz, Genf: Das Personal eines Operationssaals führt eine Transplantation durch, nachdem es einem lebenden Spender eine Niere entnommen hat, in einem Operationssaal des Universitätsspitals Genf (HUG). In der Schweiz will eine Volksinitiative die Zwangszustimmung für Organspender einführen. Am 15. Mai 2022 stimmen die Schweizer Bürgerinnen und Bürger über die Änderung des Bundesgesetzes über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz) ab. Mit dieser Änderung soll vor allem die Organspenderate in der Schweiz erhöht werden. Foto: Martial Trezzini/KEYSTONE/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Martial Trezzini

Organtransplantation: Das gespendete Organ muss innnerhalb weniger Stunden nach Entnahme dem Empfänger implantiert werden.

Organspendeausweis: Kein Nachteil im Ernstfall

"Niemand braucht Angst davor zu haben, dass bei Menschen mit Organspendeausweisen lebenserhaltende Maschinen früher abgestellt werden könnten. Für die Kliniken bedeuten Organspenden immer einen erhöhten Aufwand, ein Organspendeprozess ist aufwendig. Es müssen Gespräche mit den Angehörigen geführt werden. Nur bestimmte Ärzte dürfen die Hirntoddiagnose durchführen und die Anforderungen dafür sind sehr hoch. Deshalb müssen in vielen Kliniken externe Kollegen hinzugezogen werden. Intensivbetten müssen bereitgestellt werden, die nicht für andere Patienten genutzt werden können, die Entnahme-OPs finden oft in der Nacht statt und das Organ verlässt im Normalfall die Klinik, die nichts davon hat."

Prof. Dr. med. Bruno Meiser, Leiter des Transplantationszentrums, Klinikum der Universität München 

Ein Herz vom Schwein: Xenotransplantation und künstliche Organe

dpatopbilder - 07.01.2022, USA, Baltimore: Ärzte operieren an einem Schweineherz das in einen menschlichen Patienten eingesetzt wird. Ein Transplantationsteam in den USA hat nach eigenen Angaben erstmals ein genetisch modifiziertes Schweineherz an einen menschlichen Patienten angeschlossen. Das Organ sei einem 57-jährigen Mann mit einer lebensgefährlichen Herzkrankheit am Freitag in einer Klinik in Baltimore (Maryland) eingesetzt worden. Foto: Tom Jemski/University of Maryland School of Medicine/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Tom Jemski

Schweineherz für einen Menschen: Die erste Xenotransplantation eines Schweineherzen fand im Januar 2021 in den USA statt.

Xenotransplantationen: Im Januar 2022 wurde in den USA zum ersten Mal überhaupt einem Menschen ein Schweineherz transplantiert. Nach wenigen Wochen starb der Patient David Bennett. Wie man heute weiß, lag das nicht am Schweineherz oder der Operation, sondern daran, dass sich das Schwein mit Prozines Cytomegaloviren, die Herpesviren ähneln, infiziert hatte. Sie waren bei der Kontrolle vor der Transplantation erstaunlichrweise übersehen worden. Es wurden beim Schwein zwar ein Nasenabstriche gemacht. Bei geringer Viruslast, zum Beispiel wenn bestimmte Viren sich in der sogenannten Latenzphase befinden, schlagen diese Tests aber nicht immer an. Nach Einschätzung von Joachim Denner, dem Leiter der Arbeitsgruppe Virussicherheit der Xenotransplantation der Freien Universität Berlin, wären die Viren hierzulande wahrscheinlich entdeckt worden. Denn in Deutschland werden weit empfindlichere Testverfahren, darunter auch PCR-Tests von Blut- und Gewebeproben, eingesetzt.
Trotz dieses Negativbeispiels sind Xenotransplantationen, bei denen Organe von Tieren auf den Menschen übertragen werden, ein vielversprechender Ansatz. Noch ist nicht klar, wie lange solche Organe überleben können. Professor Bruno Meiser vom Transplantationszentrum der LMU München sieht darin aber die Möglichkeit, auch lange Wartezeiten auf menschliche Organe überbrücken zu können. Um Abstoßungsreaktionen zu minimieren, wird das Erbgut der Schweine gezielt verändert. Auch in Deutschland, unter anderem am Klinikum der Universität München, wird intensiv zu Xenotransplantationen geforscht. Erste Herztransplantationen sollen hier 2024 möglich sein.

Tissue Engineering: Ein weiteres Forschungsfeld ist das sogenannte Tissue Engineering, künstlich hergestellte Organe und Organgewebe. Schon heute können beispielsweise bestimmte Herzgewebe aus Stammzellen hergestellt werden, die geschädigte Organe in Zukunft unterstützen könnten. Bis ganze künstliche Organe hergestellt werden können, wird es noch lange dauern.

Organe aus dem 3-D-Drucker: Das gilt auch für Organe und Gewebe aus dem 3-D-Drucker. Bereits heute ist es möglich, zum Beispiel ein künstliches Trommelfell zu drucken. Dazu werden gezüchtete Gewebezellen und spezielle Gele verwendet, die Zellen ähneln, die als Grundgerüst menschlicher Organe dienen. Allerdings haben Organe viele unterschiedliche Zelltypen. Die Forschung, um diese Zellen künstlich zu vermehren und drucken zu können, steht noch am Anfang.