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Absolutismus (2) Barockkultur in Bayern

Die barocke Kultur inszeniert das große Welttheater mit Pomp und Gepränge. Aber das Sichtbare ist nur ein Zeichen der eigentlichen Wirklichkeit. Der Schlüssel zum Verständnis des Zeitalters liegt im Glauben.

Von: Simon Demmelhuber & Volker Eklkofer, ein Film von Georg Antretter

Stand: 21.09.2012

Die 19-jährige Katharina Mayr ist Kirchenmalerlehrling im ersten Lehrjahr. Und wer in Bayern als Kirchenmaler oder Restaurator arbeitet, kommt am Barock nicht vorbei. Für Katharina war das anfangs eine echte Herausforderung. Denn gerade dieser Stilepoche konnte sie so gar nichts abgewinnen. "Zu viele Schnörkel, zu überladen, zu viel Prunk und Schmuck, zu viel Gold", fand sie.

Zeitreise: Auf Barock-Tour in Bayern

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Mittlerweile hat sich ihre Einstellung geändert. Kein Wunder. Schließlich arbeitet sie schon an der fünften "Barockbaustelle" und ist jeden Tag hautnah dran an den pflegebedürftigen Zeugnissen der Zeit vor 300 Jahren. Dabei hat sie irgendwie Feuer gefangen. Und jetzt will Katharina mehr wissen, will mehr kennen lernen, mehr verstehen. Dazu macht sie sich auf eine Reise ins 17. und 18. Jahrhundert - sie geht auf "Barock-Tour".

Geistige Schatz- und Rüstkammer: Die Reisacher Klosterbibliothek

Ihre erste Anlaufstelle ist der Landkreis Rosenheim. Hier wurden in der Barockzeit viele Gebäude neu errichtet. Zum Beispiel das Kloster Reisach bei Oberaudorf. Pater Robert ist einer der wenigen Mönche des Ordens der (Unbeschuhten) Karmeliten, die seit fast 300 Jahren hier leben. Er führt Katharina zunächst in die Bibliothek, die rund 20.000 Bücher versammelt. Besonders wertvoll sind etwa 500 in Schweinsleder gebundene Folianten, die noch aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg stammen. Bücher, so erfährt Katharina, waren für die Klöster damals mehr Wert als Gold und Silber.

Reliquien verknüpfen Himmel und Erde

Anschließend darf Katharina einen anderen Klosterschatz aus nächster Nähe begutachten: Pater Robert zeigt ihr eine Monstranz mit Splittern vom Kreuz Christi. Damit die Feldfrüchte gedeihen, spenden die Mönche noch heute zwischen Markustag und Erntedank täglich den Wettersegen mit dieser Monstranz. Auch beim Reisacher "Skapulierfest" sind die alten liturgischen Schaugeräte alljährlich in Gebrauch. Dieser Festtag wird zu Ehren der Gottesmutter gefeiert, die einen zentralen Platz in der bayerischen Frömmigkeit einnimmt. Ihr sind landauf, landab ungezählte Kirchen, Kapellen, Bildstöcke und Wallfahrten geweiht. Der wichtigste unter den vielen Marienwallfahrtsorten Bayerns war und ist Altötting. Hier thront die Schwarze Madonna mit dem Jesuskind am Arm, beide tragen prächtige, golddurchwirkte Gewänder und Kronen aus der Zeit des Barock.

Krippen: Bethlehem ins Hier und Jetzt der Gläubigen

Unter den aus der Barockzeit stammenden Kostbarkeiten des Klosters befinden sich auch einige aufwändig bestickte Messgewänder, die Pater Robert eigens für Katharina aus den Schubläden der Sakristei holt. Aufgrund ihrer geschwungen, eingebauchten Form werden diese liturgischen Gewänder im Volksmund als Bassgeige bezeichnet. Zuletzt kann Katharina dann noch eine unversehrt erhaltene Barockkrippe bestaunen. Sie stellt nicht das Weihnachtsgeschehen, sondern das Gespräch des zwölfjährigen Jesus mit den Jerusalemer Tempelgelehrten dar. Die äußerst lebensnah gestalteten Figuren tragen sogar noch ihre alten Originalkostüme und sind wie auf einer Bühne arrangiert.

Die Dientzenhofer: eine oberbayerische Baumeisterdynastie erobert Franken und Böhmen

Mittlerweile hat Katharina Gesellschaft bekommen. In der Bibliothek hat sie den Journalisten und Buchautor Rudolf Reiser getroffen, der sie nun auf ihrer Reise begleitet. Ihren ersten Halt legen die beiden Barockfahrer am Gugg-Hof in St. Margarethen bei Brannenburg ein. Von hier stammen die weltberühmten Dientzenhofer, eine oberbayerische Baumeisterfamilie, die mehr als 250 Barockbauten in Franken, in der Oberpfalz und in Böhmen hinterlassen hat. Zu den Meisterwerken der fünf Dientzenhoferbrüder zählen unter anderem die Wallfahrtskirche Kappel, das Schloss Weißenstein bei Pommersfelden, das ehemalige Benediktinerkloster Banz und die Pfarrkirche St. Nikolaus an der Prager Kleinseite.

Das Meisterwerk der Asambrüder: die Benediktinerabtei Weltenburg

In Weltenburg bei Kehlheim an der Donau lassen Katharina und Rudolf Reiser ihren Erkundungsgang mit einem gewaltigen Schlussakkord ausklingen. Hier, wo sich die Donau dramatisch durch das Altmühltal zwängt, haben die Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam ein nicht minder dramatisches barockes Kunstwerk geschaffen.

Theatralischer Auftritt: der hl. Georg des Weltenburger Altars

Die zwischen 1716 und 1739 errichtete Abteikirche des Klosters Weltenburg ist dem heiligen Georg geweiht. Die Brüder haben den Kirchenpatron im Altarbereich spektakulär ins Szene gesetzt: Hoch zu Ross sprengt Georg aus der Tiefe des Chors ins Licht. Am Morgen steht die Sonne genau hinter ihm. Wenn sie sich dann aus unsichtbaren Fenstern über den Reiter gießt, sieht es aus, als würde er im Glanz des Paradieses baden. Die Gebrüder Asam haben solche dramatischen Effekte genau kalkuliert, auf das jeweilige Umfeld abgestimmt und mit der Malerei, dem Stuck, der Ausstattung sowie der Architektur zu einem Gesamtkunstwerk verschmolzen. Kein Wunder, dass sie zu den gefragtesten und gefeiertsten Künstlern ihrer Zeit gehörten.

Sursum corda: das Weltenburger Kuppelfresko

Am Ende ihrer Barocktour zieht Katharina Mayr ein etwas zwiespältiges Resümee. Sie freut sich sehr über all das Gold, den Stuckmarmor, die ganze umwerfende Pracht. Aber sie hat auch die Kehrseite kennen gelernt und erfahren, wie viele Menschen dafür schuften mussten. "Das belastet mich", sagt die Kirchenmalerin, "so schön, wie für uns heute, war es damals vielleicht nicht für alle Beteiligten."


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