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Energie im 21. Jahrhundert Auf dem langen Weg zur Wende

Fossile Brennstoffe werden knapper, teurer und schädigen das Klima. Seit Fukushima ist der Atomausstieg beschlossene Sache. Saubere Energie aus erneuerbaren Quellen heißt die Zukunftsdevise. Das Ziel ist klar, der Weg dorthin steinig. Aber er lohnt sich. Warum und wohin er führt, zeigt unser Film.

Von: Simon Demmelhuber & Volker Eklkofer, ein Film von Herbert Singer

Stand: 23.11.2012

Windräder auf dem Land | Bild: picture-alliance/dpa/Matthias Tödt

Bislang nutzen wir überwiegend Kohle, Erdgas und Erdöl zur Erzeugung von Strom und Wärme. Doch diese fossilen Energieträger sind nur begrenzt verfügbar. Viele Lagerstätten sind bereits erschöpft, neue und meist schwer zugängliche Reservoire müssen erschlossen werden. Während die Förderung immer aufwändiger wird, wächst zugleich die Nachfrage. Fossile Brennstoffe werden also nicht nur knapper und damit teurer, sondern eines Tages auch unbezahlbar sein.

Der geplünderte Planet und das gefährdete Klima

Aber das ist nicht das einzige Problem. Nicht minder bedrohlich als Verknappung und Verteuerung sind die ökologischen Aspekte des weltweit steigenden Energieverbrauchs. Die Verbrennung fossiler Energieträger setzt riesige Mengen des schädlichen Klimagases CO2 frei. Der stetig steigende Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre gilt als Hauptursache eines globalen Klimawandels, der ungebremst in den sicheren Klimakollaps führt. Und die Zeit drängt: Die Konzentration von Treibhausgasen ist so hoch wie noch nie seit Beginn des Industriezeitalters, die Folgen sind schon jetzt unübersehbar.

Fukushima und das Ende der Nuklearindustrie

Dass auch die jahrzehntelang als sauber und beherrschbar gepriesene Kernenergie keine Zukunft hat, ist spätestens seit dem 11. März 2011 nicht mehr zu leugnen. An diesem Tag bebte der Seeboden vor Japan und löste einen Tsunami aus. Die gewaltige Wasserwalze traf auch das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi. Sie zerstörte die Stromversorgung und das Notfallkühlsystem. Die Reaktoren überhitzten, es kam zu mehreren Explosionen und in drei Reaktorblöcken zur Kernschmelze. Die Detonationen setzten große Mengen an radioaktivem Material frei. An die 100.000 Menschen mussten evakuiert werden, Luft, Wasser, Böden und Nahrungsmittel sind radioaktiv verseucht. Die Aufräumarbeiten und die Dekontamination werden noch Jahrzehnte dauern, die Folgeschäden sind nicht abzuschätzen.

Fukushima ist kein Einzelfall

Das nukleare Desaster löste einen weltweiten Schock aus. Erinnerungen an die Katastrophen von Tschernobyl am 26. April 1986 und die Kernschmelze im Reaktor des amerikanischen Kraftwerks Three Mile Island am 28. März 1979 wurden wach. Rund um den Erdball protestierten Menschen gegen die bagatellisierte Gefahr der Kernenergie und forderten ein sofortiges Ende der Nuklearwirtschaft.

Der Atomausstieg bis 2022 ist beschlossen

Auch in Deutschland führte das Debakel von Fukushima zu einer radikalen Wende der Energiepolitik. Unter dem Druck der Ereignisse sowie der Massenproteste ordnete die Bundesregierung am 6. Juni 2011 die sofortige Stilllegung der acht ältesten Kernkraftwerke an und verkündete darüber hinaus den stufenweisen Atomausstieg bis 2022. Am 30. Juni beschloss der Bundestag das "13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes". Es regelt die Beendigung der Kernenergienutzung und die Beschleunigung der Energiewende.

Das Ziel ist erfasst, der Weg dorthin umstritten

Was der Begriff "Energiewende" bedeutet, ist klar: Statt fossiler und nuklearer Brennstoffe werden künftig erneuerbare Energieträger wie Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme und Biomasse die Grundlage unserer Energieversorgung bilden. Nicht ganz so klar ist allerdings, wie wir diese Wende bis zum Jahr 2022 bewältigen. Um auch in Zukunft genügend sichere, saubere und bezahlbare Energie zu haben, müssen wir ganz offenkundig noch erhebliche technische, aber auch gesellschaftliche, politische und mentale Hürden überwinden.

Beispiel Wasserkraft

Die Wasserkraft ist der wichtigste Energielieferant im regenerativen Mix. Hier stehen zwei wesentlich Probleme an: Zum einen wird es in den nächsten Jahren darum gehen, die Ausbeute durch innovative Kraftwerkstechnologien und intelligente Komponenten zu steigern; zum anderen müssen Formen der Wasserkraftnutzung entwickelt werden, die ohne oder zumindest mit deutlich geringeren Eingriffen in die Natur und das Landschaftsbild auskommen.

Beispiel Windenergie

Windräder gehören bei uns mittlerweile schon zum gewohnten Landschaftsbild und galten lange Zeit als Boten einer sauberen Energiezukunft. Aber der Wind hat buchstäblich gedreht. Immer mehr Bürger protestieren gegen den Bau neuer Anlagen und verschleppen so den zügigen Ausbau der Windenergie an Land. Eine akzeptable Alternative stellen sogenannte Off-Shore-Windparks dar. Bis 2030 sollen gewaltige Anlagen in der Nord- und Ostsee mit einer Leistung von 25.000 Megawatt entstehen und damit etwa 15 Prozent des Strombedarfs in Deutschland decken. Aber die Anbindung der Hochseestandorte ist kompliziert und teuer. Zur Finanzierung sind private Investoren erforderlich, die das hohe Risiko jedoch bislang scheuen.

Bürgerprotest als Innovationsbremse

Um die neue saubere Energie vom Norden in den Süden und Westen der Republik zu bringen, muss das Stromnetz zudem erneuert und massiv ausgebaut werden. Ein Hauptproblem ist dabei neben dem immensen Finanzbedarf der zunehmende Bürgerprotest gegen neue Starkstromtrassen. Schwierigkeiten bereitet aber nicht nur die Errichtung der Infrastruktur, sondern auch die Netztechnologie selbst. Die bisherigen Netze sind für eine konstante Einspeisung durch wenige Lieferanten ausgelegt. Für ein stark schwankendes Angebot durch eine Vielzahl von Produzenten mit deutlichen Spitzen und Tälern und für die Rückspeisung überschüssiger Mengen sind sie nicht konzipiert. Das funktioniert nur mit sogenannten Smart Grids, also mit intelligenten Stromnetzen, die sich selbst überwachen und steuern. Solche "selbstorganisierenden Energieautomatisierungssysteme" werden derzeit entwickelt, sind aber noch lange nicht serienreif.

Wildpoldsried: Das Energiemusterdorf im Allgäu

Die Energiewende ist zweifellos eine gewaltige Herausforderung mit zahlreichen bislang noch nicht oder nur unbefriedigend geklärten politischen, gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Stolpersteinen. Aber die Energie ist machbar. Den Beweis liefert Wildpoldsried, ein 2.500-Seelendorf im Allgäu bei Kempten. Während andere ihre Bedenken wie Prozessionsfahnen vor sich hertragen und sich damit selbst die Sicht versperren, haben die Wildpoldsrieder die Energiewende beherzt angepackt. Und das mit überragendem Erfolg: Mit einem bunten Mix aller regenerativen Energieträger erzeugt das Dorf fünfmal mehr Energie als es braucht. Kein Wunder, dass das Wende-Knowhow aus dem Oberallgäu längst Interessenten aus aller Welt anzieht, die hier studieren, wie der Energieumbau klappen kann.


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