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Meilensteine der Naturwissenschaft und Technik Karl Landsteiner und die Blutgruppen

Die Transfusionsmedizin hat in den vergangenen Jahrzehnten unzählige Menschen vor dem Tode bewahrt. Dass Blut, der kostbare Lebenssaft, übertragen werden kann, fand der österreichische Pathologe und Serologe Karl Landsteiner (1868-1943) heraus. Er ist der Entdecker der Blutgruppen.

Von: Ein Film von Manfred Baur, Fiona Pleasance und Hannes Schuler

Stand: 07.12.2012

Karl Landsteiner | Bild: BR

"Blut ist ein ganz besonderer Saft" - heißt es in der Studierzimmerszene von Goethes Faust I. So verwundert es nicht, dass die Menschen seit dem Altertum versuchten, Krankheiten durch Blutaustausch zu behandeln. Einen großen Aufschwung nahm das Wissen um die Rolle des Bluts für den Menschen durch die Entdeckung des Blutkreislaufs im 16. Jahrhundert durch William Harvey.

Wenig später gelang dem englischen Arzt Richard Lower die erste bekannte Bluttransfusion, zunächst allerdings nur bei Hunden. Beim Menschen beließen es die Ärzte bei dem als Allheilmittel eingesetzten Aderlass. 1667 schließlich wurde erstmals einem Menschen Blut übertragen. Der Spender war ein Schaf und der Patient hatte Glück und überlebte. Nun wurde auch Blut von Mensch zu Mensch übertragen, was aber für den Empfänger nicht selten tödlich endete.

Wegen dieser Misserfolge, aber auch aus religiösen Gründen, wurde bald in vielen Ländern die Blutübertragung verboten. Dem englischen Gynäkologen James Blundell gelang allerdings 1825 ein großer Erfolg: Er übertrug einer Wöchnerin, die bei der Geburt viel Blut verloren hatte, etwa einen Viertelliter Blut aus der Oberarmvene eines Assistenten und die Patientin erholte sich. Spätere Bluttransfusionen endeten aber wieder häufig tödlich, ohne dass man dafür eine Erklärung finden konnte.

Der Durchbruch gelang schließlich dem österreichischen Arzt Karl Landsteiner. Von 1897 bis 1908 war er am serologisch-pathologischen Institut der Universität Wien tätig und entdeckte dabei, dass sich beim Mischen von Blut verschiedener Menschen manche Proben verklumpten, andere aber nicht. Landsteiner untersuchte das Phänomen systematisch, indem er Blutkörperchen und Blut durch zentrifugieren trennte. Mit dem Serum mancher Menschen verklumpten die Blutkörperchen wiederum, bei anderen nicht. Das Serum verschiedener Menschen musste also unterschiedliche Eigenschaften besitzen. Bei Versuchen mit dem Blut von insgesamt 22 Probanden konnte Landsteiner drei Blutgruppen unterscheiden, A, B und C, die später in 0 umbenannt wurde. 1902 schließlich entdeckten Landsteiners Mitarbeiter eine vierte Gruppe AB. Diese Bezeichnungen wurden schließlich 1928 weltweit genormt. Als Ursache der Unverträglichkeit wurde später das Vorhandensein von Antikörpern gegen den Faktor A in Blut der Blutgruppe B bzw. von Antikörpern gegen B im Blut der Gruppe A erkannt.

Die Bedeutung von Landsteiners Forschung für die Bluttransfusion wurde freilich erst gegen Ende des Ersten Weltkriegs erkannt, als man an verwundeten Soldaten serologische Tests vornahm und sie so ohne Gefahr mit geeignetem Spenderblut versorgen konnte. Nun wurde Bluttransfusion zur Standardmethode bei allen Operationen mit großem Blutverlust. Durch die Zugabe von gerinnungshemmenden Mitteln und Traubenzucker konnten Blutkonserven bald über längere Zeit lagerfähig gehalten werden. Landsteiner verließ 1922 Österreich und arbeitete fortan am Rockefeller Institut in New York. 1930 erhielt er den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung der Blutgruppen.

1940 entdeckten Landsteiner und sein Mitarbeiter Alexander Wiener eine weitere Ursache der Unverträglichkeit von Blutübertragungen, die nach Versuchen mit Rhesusaffen "Rhesusfaktor" genannt wurde. Durch die Unterscheidung von inzwischen drei Gruppen von Merkmalen bei den verschiedenen Blutkonserven und entsprechende Tests beim Empfänger ist eine Bluttransfusion heute gefahrlos und kann viele Menschenleben retten oder die Folgen von großem Blutverlust lindern.


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