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Jacques-Yves Cousteau Der Unterwasser-Freak

Jacques-Yves Cousteau wollte ein Fisch sein und war auf Du und Du mit Haien und Oktopussen. Er tauchte in Tiefen hinab, die vor ihm noch niemand erforscht hatte, und brachte sie der Welt ins Wohnzimmer.

Published at: 23-8-2018

Meeresforscher und Tiefseetaucher Jacques-Yves Cousteau | Bild: picture-alliance/dpa

"Ich war in einem Dschungel, der noch nie von all denen erblickt worden ist, die sich auf der undurchsichtigen Erdoberfläche bewegen", verkündete der Herr der Tiefe nach seinem ersten Tauchgang 1936. Bis dahin war die faszinierende Unterwasserwelt kaum über Schnorcheltiefe hinaus erforscht worden. Jacques-Yves Cousteau wagte sich dagegen immer weiter hinab: 1947 schaffte er mit 91,5 Metern den Weltrekord im Freitauchen. Um jeden Preis wollte er die unbekannte Welt unter der Oberfläche erforschen.

"Wer Fische studieren will, muss selbst zum Fisch werden."

Jacques-Yves Cousteau

Jacques-Yves Cousteau: Selbst war der Mann

Erfinder, Meeresforscher, Filmemacher, Autor, Umweltschützer: Jacques-Yves Cousteau

Die nötigen Geräte entwickelte er sich selbst: Nach seinen Entwürfen wurde 1946 die "Aqualunge", das erste Presslufttauchgerät, konstruiert. Später folgten Unterwasser-Scooter und Forschungs-U-Boote, "denn die beste Weise, Fische zu beobachten, besteht darin, selber zum Fisch zu werden." Dieses Ziel verfolgte Cousteau bis zum Umfallen: Beim Experimentieren mit seinem Atemgerät verlor er mehrmals unter Wasser das Bewusstsein. 1964 tauchte er schließlich ganz in seine Welt ab: Er versenkte eine Art bewohnbares Aquarium im Roten Meer, lebte dort über mehrere Wochen lang mit anderen Wissenschaftlern und brach direkt von dort aus zu Tauchgängen auf - mit und ohne U-Boot.

Cousteaus bedingungslose Liebe zum Meer

Forschungsschiff Calypso mit Jacques-Yves Cousteau (l.)

Sein Leben lang folgte der Meeresforscher einem einfachen Credo: "Viele Menschen kämpfen gegen das Meer. Ich liebe es." Schon als Jugendlicher experimentierte er mit Kameras und bastelte primitive Unterwasser-Atemgeräte. Trotzdem hätte er sich fast ein anderes Element zu eigen gemacht: Wegen seiner schwächlichen Konstitution war ihm das Schwimmen als Schüler untersagt worden. Er wollte Pilot werden, was ihm jedoch nach einem schweren Autounfall auch verwehrt wurde. So wählte der am 11. Juni 1910 geborene Rechtsanwaltssohn doch das Wasser, besuchte die Marineschule in Brest und trat später in die französische Kriegsmarine ein, die er 1956 als Korvettenkapitän verließ. Aus seiner anfänglichen Tauchbeisterung hatte sich eine bedingungslose Liebe zum Meer entwickelt.

Cousteau schippert als "Nachfahre Noahs" um die Welt

Cousteaus berühmte "tauchende Untertasse"

1950 erhielt Cousteau ein ausgemustertes englisches Minenräumschiff, rüstete es zur Forschungsstation auf und bereiste damit die Karibik genauso wie die Antarktis. Nach der Nymphe in der "Odysee" taufte er es auf den Namen "Calypso". Mehr als 40 Jahre lang schipperte Cousteau mit ihr über die Weltmeere. Seine Expeditionen verarbeitete der "Nachfahre Noahs", wie ihn die französische Presse nannte, äußerst erfolgreich in rund sechzig Büchern und hundert Filmen: "Die Welt ohne Sonne" wurde als bester Dokumentarfilm mit dem Oscar belohnt, "Die schweigende Welt" mit der Goldenen Palme und einem Oscar ausgezeichnet.

Cousteaus Forschungsschiff Calypso

Forschungsschiff Calypso, 2013

Rotes Meer, Indischer Ozean, Persischer Golf, Antarktis - die Calypso brachte Jacques-Yves Cousteau überall hin. 1950 hatte ihm der irische Bierbrauer Guinness das ausgemusterte Minensuchschiff für eine symbolische Miete von damals einem Franc pro Jahr überlassen. 1996 wurde es bei Wartungsarbeiten im Hafen von Singapur von einer Barkasse gerammt und sank. Jetzt wird das Schiff für rund zehn Millionen Euro wieder hochseetüchtig gemacht: Ende 2018 soll eine runderneuerte Calypso zu ihrer Jungfernfahrt aufbrechen.

Auf der Couch im Rausch der Tiefe

Cousteau 1963 mit seinem Tauchfahrzeug im Roten Meer

Mit seinen einzigartigen Aufnahmen des bunten und bizarren Lebens unter Wasser, die von den beklemmenden Atemgeräuschen der Taucher untermalt waren, versetzte er Fernsehzuschauer in den 1960er-Jahren in den Rausch der Tiefe: Seine Serie "Geheimnisse des Meeres" war aus keinem Wohnzimmer wegzudenken. Um die Sensationslust des Publikums zu befriedigen, soll er sich dabei jedoch nicht immer ökologisch korrekt verhalten haben: Biografen werfen ihm vor, er habe Haie massakriert und Tintenfische unter Drogen gesetzt.

Cousteau - ein wasserverrückter Autodidakt

Francine Cousteau - mit der typischen roten Wollmütze

Nicht nur solche Aktionen trugen dazu bei, dass die seriöse Forschung den asketischen Mann mit der roten Wollmütze nicht besonders ernst nahm: Cousteau war kein studierter Wissenschaftler, sondern ein wagemutiger Autodidakt, der unter anderem davon träumte, das Kontinentalschelf zu besiedeln und dafür Unterwasserhäuser in Serie bauen ließ. Ähnlich abgehoben auch sein Beweis dafür, wie "harmlos" Frankreichs Atombomben strahlten: 1987 schwamm er zu diesem Zweck eine Runde im Wasser des Mururoa-Atolls. Auch nicht ganz zu einem Meeresliebhaber passte, dass er Verträge mit der Ölindustrie abschloss und den Meeresboden nach möglichen Bohrorten absuchte, um seine Expeditionen zu finanzieren.

Cousteaus höchstes Ziel: der Schutz der Meere

Meer in Gefahr

Clownfisch | Bild: picture-alliance/dpa zum Artikel Ökosystem Meer in Gefahr Ozeane werden warm und sauer

Je mehr CO2 ausgestoßen wird, desto mehr leiden die Meeresbewohner: Das Wasser wird wärmer und sauerer. Das ganze Öko-System Ozean ist in Gefahr. Jetzt haben Forscher festgestellt: Die Fischerei erhöht den Ausstoß an Treibhausgasen stärker als bisher angenommen. [mehr]

Allen Kritiken zum Trotz wurde Cousteau zum Präsidenten der französischen Ozeanographischen Gesellschaft gewählt. Er war Mitglied der Académie Française, leitete jahrzehntelang das Ozeanographische Museum in Monaco und betrieb Museumsschiffe in Übersee. Und er konnte durchaus auch anders: "Ich habe gesehen, wie die Fische sterben, die ich liebe, ich habe nach dem Grund gesucht. Der Mensch ist schuldig", erklärte Cousteau. Mit zunehmenden Alter wandelte sich der Mururoa-Schwimmer zum beflissenen Umweltschützer, der mit Vorträgen zum Thema Überbevölkerung um die Welt reiste. Erlöse aus Lizenzverträgen und Forschungsaufträgen stiftete er der wissenschaftlichen Meeresforschung des "Centre d'Études Marines Avancées" in Marseille. 1973 gründete er in den USA die millionenschwere "Cousteau-Society" zur Erforschung und zum Schutz der Meere. Und als der ehemalige französische Präsident Jacques Chirac 1995 im Mururoa-Atoll wieder Atombombentests durchführen ließ, reagierte Cousteau empört.

Unberührte Unterwasserwelt als einzigartiges Erbe

Der französische Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau im August 1986 in Miami

Am 25. Juni 1997 starb Jacques-Yves Cousteau mit 87 Jahren an einem Herzinfarkt. Er hinterließ eine Unterwasserwelt, die es heute so nicht mehr gibt, und wurde zu einem Symbol für den Kampf gegen die Ausbeutung und Verschmutzung der Ozeane. Die Franzosen kürten den Abenteurer insgesamt zwanzig Mal zum beliebtesten Landsmann - obwohl er ungern im Rampenlicht stand und wenig von seinem Privatleben preis gab. Einen hohen Wiedererkennungswert hatte er so rot bemützt, hager und wettergegerbt auf jeden Fall.


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