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Thor Heyerdahl Die Expeditionen Ra und Ra II

Viermal stach der Norweger Thor Heyerdahl mit Schiffen in See, die nach altertümlichen Vorbildern gebaut waren. Zwei der Expeditionen machten den Abenteurer weltberühmt: Kon-Tiki (1947) und Ra II. Am 17. Mai 1970 ließ Heyerdahl sein Boot Ra II vom Stapel.

Stand: 17.05.2021

Die Kon-Tiki-Expedition von Peru zu einem Südseeatoll unternahm Thor Heyerdahl, weil er beweisen wollte, dass die Bevölkerung von Polynesien nicht allein aus Asien stammte, sondern auch von Indigenen aus Süd-Amerika besiedelt wurde. Bei der Expedition Ra trieb Heyerdahl eine weitere Migrationsgeschichte um. Diesmal wollte der Zoologe und Geograf mit abgebrochenem Studium und einer Leidenschaft für Anthropologie beweisen, dass es schon einen regen Kulturaustausch zwischen dem alten Ägypten und Mittel- und Südamerika gab, bevor Christoph Kolumbus den Kontinent aus Versehen entdeckte. Mit seinen waghalsigen Selbstversuchen in historisch gebauten Booten legte Heyerdahl den Grundstein für die experimentelle Archäologie.

Warum es zwei Ra-Expeditionen gibt

Die Kon-Tiki-Expedition bestritt Heyerdahl mit einem Boot aus Balsaholz, benannt nach einem Inka-Gott. Die Ra-Expedition unternahm er mit einem Boot aus Papyrusschilf, er benannte es nach dem ägyptischen Sonnengott Ra. Inspiriert hatten ihn dazu Abbildungen von Schilfbooten mit Masten und Segeln, die er auf seiner ersten Land-Expedition zu den Osterinseln (1955-56) gesehen hatte. Das erste von zwei Schiffen ließ der Forscher in Ägypten bauen. Es war nicht optimal konstruiert und falsch beladen. Die siebenköpfige Mannschaft und ein Affe gerieten mehrfach in Lebensgefahr und musste aufgeben. Die erste Ra-Expedition scheiterte nach 5.000 Kilometern kurz vor dem Ziel. Doch Heyerdahl war kein Mensch, der schnell aufgab. Sein Leben lang kämpfte der Forscher gegen etablierte Ansichten in der Anthropologie und wurde dennoch nie ganz anerkannt.

Expedition Ra II - Fernreisen vor Kolumbus

Die Route von Thor Heyerdahls Expeditionen Ra und Ra II

Heyerdahl ließ ein zweites Boot bauen. Diesmal von Indigenen aus den Anden mit Papyrus aus dem Titicacasee. Wurden hier doch noch immer Boote hergestellt, die Ähnlichkeiten mit Schilfbooten aus dem alten Mesopotamien und Ägypten hatten. Knapp ein Jahr nach seiner gescheiterten ersten Ra-Expedition stach Heyerdahl am 17. Mai 1970 mit einem neuen Papyrus-Schiff und fast der gleichen Crew wie beim ersten Versuch in See. Die Expedition Ra II folgte der gleichen Route wie der ersten Ra-Expedition und sollte von Safi in Marokko nach Amerika und zum Karibik-Staat Barbados segeln. Und diesmal klappte das Experiment. Heyerdahl erreichte mit seiner internationalen Crew und dem Affe Safi, der nach der Hafenstadt Safi benannt wurde, nach 6.100 Kilometern und 8,1 Wochen am 12. Juli 1970 Barbados. Damit sah Heyerdahl seine These bestätigt, dass auch schon vor Columbus ein kultureller Kontakt zwischen dem afrikanischen und dem amerikanischen Kontinent bestanden haben könnte.

Expedition Ra II macht Heyerdahl zum Umweltschützer

Eine andere Entdeckung überraschte und entsetzte sogar erfahrene Seemänner wie Heyerdahl und seine Crew: Im Atlantik schwammen schwarze Ölklumpen. Sowas hatte die Mannschaft noch nicht gesehen und funkte die Information noch auf Reisen an die Vereinten Nationen (UNO). Der damalige UNO-Generalsekretär beauftragte Heyerdahl damit, die Wasserverschmutzung täglich zu beobachten. Die Crew der Ra II entdeckte an 43 von 57 Tagen der Reise Ölklumpen im Atlantik. Heyerdahl verfasste Berichte zur Umweltverschmutzung auf See und legte sie zu unterschiedlichen Anlässen vor, unter anderem auf der Dritten UN-Seerechtskonferenz. 1972 verabschiedete die internationale Gemeinschaft daraufhin ein Verbot zur Entsorgung von Altöl auf offener See.

Thor Heyerdahl war Gründungsmitglied der Umweltschutzorganisation Internationales Grünes Kreuz (Green Cross, GCI), die Michail Gorbatschow am 18. April 1993 in Kyoto ins Leben rief und im Jahr 2017 nach internen Querelen verließ. Zudem engagierte sich Heyerdahl in einigen anderen Organisationen, wie zum Beispiel dem World Wildlife Fund (WWF) und dem World Federalist Movement (WFM).

Autor und Dokumentarfilmer Thor Heyerdahl

Thor Heyerdahl schrieb über seine Expeditionen Bücher und drehte Dokumentarfilme. Das Buch über die Kon-Tiki-Reise war das erfolgreichste seiner 14 Bücher und wurde in mehr als 70 Sprachen übersetzt. Mit dem Dokumentarfilm zur Expedition gewann Heyerdahl 1952 einen Oscar. Der Film über die Expeditionen Ra und Ra II wurde 1972 für einen Oscar nominiert, bekam die begehrte Trophäe aber nicht.

Thor Heyerdahl - der etwas andere Handlungsreisende

22.07.1970: Thor Heyerdahl als Privatmann mit seinen drei Töchtern, der zweiten Ehefrau Yvonne (verdeckt), Ente Sindbad und Affe Safi.

Thor Heyerdahl räumte in seinem Leben viel Platz für Reisen, Recherchieren, Bücher schreiben und Vorträge halten ein. Trotzdem hatte der Anthropologe auch ein Privatleben: Er heiratete drei Frauen und bekam fünf Kinder. Die ersten zwei Ehen zerbrachen nach der Kon-Tiki- und der Ra II-Expedition. Heyerdahl räumte bei der zweiten Scheidung ein, dass er schuld daran gewesen ist, weil er zu viel weg war.

Thor Heyerdahl auf einen Blick:

Leben:

  • Geburt: *6.10.1914 in Larvik, Norwegen
  • Tod: +18.4.2002 (87 Jahre) in Colla Micheri, Ligurien, Italien
  • Ausbildung: Zoologie und Geografie an der Universität Oslo (Studium nicht beendet), Weiterbildung in Anthropolgie

Schiffsexpeditionen:

  • 28.4.1947 (32 Jahre) Expedition Kon-Tiki mit einem Schiff aus Balsaholz; Strecke: 7.000 Kilometer in 101 Tagen (14,4 Wochen), Route: Peru zu einem Südseeatoll (Raroia-Atoll); Tierischer Begleiter: Papagei Lorita, der auf Reisen über Bord geht und verschwindet.
  • 25.5.1969 (54 Jahre) Expedition Ra mit einem Schiff aus Papyrusschilf nach altem ägpytischen Vorbild; Strecke: 5.000 Kilometer in 55 Tagen (knapp 8 Wochen); Route: Marokko (Safi) nach Amerika. Abbruch der Expedition 960 Kilometer vor dem Ziel. Affe Safi.
  • 17.5.1970 (55 Jahre) Expedition Ra II mit einem Schiff aus Papyrusschilf; Strecke: 6.100 Kilometer in 57 Tagen (8,1 Wochen); Route: Marokko (Safi) nach Amerika (Barbados). Tierischer Begleiter: Affe Safi
  • 24.11.1977 (63 Jahre) Expedition Tigris mit Papyrusschilf-Boot; Strecke: 6.800 Kilometer in 143 Tagen (20,4 Wochen); Route: Irak nach Ostafrika (Dschibuti)

Archäologische Expeditionen:

  • 1953 Galapagos
  • 1955-56 Osterinseln I
  • 1983-84 Malediven
  • 1986-88 Osterinseln II
  • 1988-92 Túcume

Oscar:

  • 1952 Oscar für die Doku "Kon-Tiki"
  • 1972 Oscar-Nominierung für die Doku "The Ra Expeditions"

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