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Chemie-Nobelpreis 2012 Detektive der Zellkommunikation

Die US-Amerikaner Robert J. Lefkowitz und Brian K. Kobilka erhalten den diesjährigen Nobelpreis für Chemie. Sie werden für die Entdeckung und Erforschung von Strukturen in der Zellhülle geehrt, die Signale aufnehmen und weitergeben.

Stand: 10.10.2012 | Archiv

Robert Lefkowitz, Brian Kobilka | Bild: picture-alliance/dpa

Dies teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit. Damit würdigte die Akademie die bahnbrechenden Erkenntnisse der beiden US-amerikanischen Forscher, die die Wirkungsweise einer bestimmten Rezeptorengruppe in Körperzellen entdeckten. Diese G-Protein-gekoppelten Rezeptoren sind bei der Entwicklung von Medikamenten ungeheuer wichtig.

Wie Zellen wahrnehmen und kommunizieren

Robert J. Lefkowitz

Die Untersuchungen der beiden Wissenschaftler seien "entscheidend für das Verständnis, wie G-Protein-gekoppelte Rezeptoren funktionieren", hieß es in der Begründung. Diese Rezeptoren sind Andockstellen in der Zellhülle, die Signale aufnehmen. Diese filigranen Sensoren an der Oberfläche von Körperzellen übernehmen lebenswichtige Aufgaben im Körper. Denn sie sorgen dafür, dass eine Zelle seine Umgebung wahrnehmen und die Zellen sich untereinander austauschen können. Sie beeinflussen, wie Zellen auf Hormone und Neurotransmitter reagieren und einwirken. Und so wirken sie auf unsere Sinne wie Sehen, Riechen, Schmecken, aber auch auf unsere Gefühle.

Besondere Rezeptoren

Diese Gruppe der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) ist es auch, die unsere Sinneszellen sensibel machen für Licht, Gerüche oder Geschmacksstoffe. So sind sie beispielsweise dafür zuständig, dass Licht vom Auge verarbeitet wird oder dass das Hormon Adrenalin auf die Zellen wirken kann. Sie bewirken, dass Tausende von Zellen in unserem Herzen miteinander kommunizieren und eine synchrone Bewegung des Muskels hervorbringen. Nur so kann das Herz in Sekundenschnelle seinen Takt beschleunigen, etwa wenn Gefahr droht.

Zahlreiche Medikamente wie Betablocker gegen Bluthochdruck, Antihistamine für Allergiker oder Psychopharmaka beruhen auf den Forschungsergebnissen der beiden Preisträger, denn sie setzen an diesen Rezeptoren an. Nach Angaben der Nobelstiftung sind es sogar etwa die Hälfte aller modernen Medikamente.

Robert J. Lefkowitz

Der 1943 in New York geborene Robert J. Lefkowitz forscht am Duke University Medical Institute und am Duke University Medical Center in Durham in den USA. Der Professor für Biomedizin und Biochemie zeigte sich erfreut und überrascht von der Ehrung. Der fünffache Familienvater wurde vom Klingeln und der Nachricht der Akademie um 6.00 Uhr morgens aus dem Bett geholt.

"Ich bin sehr aufgeregt. Ich hatte geschlafen. Das Telefon klingelte. Ich hab das Telefon nicht gehört, weil ich Ohrstöpsel trug. Meine Frau stieß mich an und ich wurde vollkommen von der Nachricht überrascht."

Robert J. Lefkowitz

G-Protein löst biochemische Kettenreaktion aus

1968 kam der junge Mediziner Robert Lefkowitz auf die Idee, Adrenalin radioaktiv zu markieren, um festzustellen, in welcher Wechselwirkung das Hormon zur Zelle stand. Die Experimente zeigten, dass das Hormon nicht in die Zellen drang, sondern sich an eine bestimmte Stelle auf der Zellmembran andockte. Durch diese Bindung verändert sich das Sensormolekül - und das G-Protein kann sich dort anlagern und löst damit eine biochemische Kettenreaktion aus, die zur typischen Hormonwirkung führt. Gemeinsam mit seinen Kollegen fand Lefkowitz heraus, dass die jeweiligen Rezeptoren nur auf ganz bestimmte Signalsstoffe reagieren.

Brian K. Kobilka

Brian K. Kobilka

In den 1980er Jahren kam Brian K. Kobilka zum Team von Lefkowitz. Brian K. Kobilka wurde 1955 in Little Falls in den USA geboren. Gemeinsam gelang es den beiden Wissenschaftlern, die Gene für eine der Adrenalin-Andockstellen zu identifizieren. Mit diesem sogenannten Beta-Rezeptor gewannen sie Einblicke in die genetische Bauanleitung dieser so wichtigen Zellsensoren. 2011 gelang es Kobilka nach mehr als zwanzig Jahren Forschung mit seinem Team die Struktur der Rezeptoren zu entschlüsseln.

Der Biochemiker forscht derzeit als Professor an der kalifornischen Stanford University School of Medicine. Mit seiner Arbeit dort will er entschlüsseln, wie die Struktur der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren aufgebaut ist und wie sie auf unseren Körper wirken. Seit 2011 ist er Mitglied der National Academy of Sciences. Kobilka ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Deutsche Preisträger und Preisträgerinnen

Chronik: Chemie-Preisträger der vergangenen Jahre

  • 2011: Dan Shechtman (Israel) für die Entdeckung der Quasikristalle
  • 2010: Richard F. Heck (USA), Ei-ichi Negishi  (Japan) und Akira Suzuki (Japan) für die Verbindung von Kohlenstoffatomen zu komplexen Molekülen
  • 2009: Venkatraman Ramakrishnan (USA), Thomas A. Steitz (USA) und Ada E. Jonath (Israel) für die Forschung zur Erbinformation in den Proteinen
  • 2008: Der in den USA forschende Japaner Osamu Shimomura und die beiden US-Amerikaner Martin Chalfie und Roger Tsien für die Entdeckung des grün fluoreszierenden Proteins GFP.
  • 2007: Gerhard Ertl (Deutschland) für seine Arbeiten zu chemischen Prozessen auf festen Oberflächen. Damit habe er die Grundlagen für die moderne Oberflächenchemie geschaffen.
  • 2006: Roger D. Kornberg (USA) für die Erforschung, wie die Zelle aus dem Bauplan in den Genen fertige Proteine herstellt.
  • 2005: Yves Chauvin (Frankreich), Robert H. Grubbs (USA) und Richard R. Schrock (USA) für die Entwicklung neuer Reaktionswege in der organischen Chemie, unter anderem zur Produktion von Plastik und Arzneien.
  • 2004: Aaron Ciechanover und Avram Hershko (beide Israel) sowie Irwin Rose (USA) für die Entdeckung eines lebenswichtigen Prozesses zum Abbau von Proteinen im Körper.
  • 2003: Peter Agre (USA) und Roderick MacKinnon (USA) für die Erforschung von Ionen- und Wasserkanälen der Körperzellen.
  • 2002: John B. Fenn (USA), Koichi Tanaka (Japan) und Kurt Wüthrich (Schweiz) für ihre Methoden zum Vermessen von biologischen Molekülen.
  • 2001: William S. Knowles (USA), Barry Sharpless (USA) und Ryoji Noyori (Japan) für die Beschreibung neuer Katalysatoren.

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