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Hochbegabung Genies in der Schule

Sie sind störrisch und können in der Schule kaum stillsitzen. Sie träumen und ziehen sich zurück. Lehrer und Eltern sind meist ratlos, wenn die Diagnose lautet: hochbegabt. Welche Möglichkeiten der schulischen Förderung gibt es für diese Genies?

Stand: 05.07.2019

Junge macht seine Hausaufgaben. | Bild: Image Source

Wer einen Intelligenz-Quotienten von mehr als 130 hat, gilt als besonders begabt oder hochbegabt. Auf rund zwei Prozent der Bevölkerung trifft das zu. Was zunächst positiv klingt, ist bei Kindern und Jugendlichen mit vielen Problemen verbunden. Denn aufgrund ihrer Besonderheit werden sie in der Schule schnell zum Außenseiter.

Hochbegabte fallen auf

Hochbegabte fallen häufig durch kreative oder originelle Lösungsansätze auf.

Hochbegabung ist Fluch und Segen zugleich. Die Kinder sind meist sehr sensibel, kreativ und intuitiv. Sie begreifen schneller als ihre Altersgenossen, was sie aber nicht vor Misserfolgen in der Schule schützt. Sie machen ihre Hausaufgaben nicht immer ordentlich, ihnen unterlaufen bei leichten Aufgaben Fehler und sie verhalten sich oft unangepasst. Hier ist die Erfahrung des Lehrers gefragt, zu erkennen, ob der Schüler unterfordert ist.

Ansichten des Hochbegabtenforschers Detlef Rost

Verhaltensprobleme

Für Detlef Rost, Gründer der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle BRAIN an der Universität Marburg, kursieren oft falsche Vorstellungen von Hochbegabung:
"Viele Eltern denken, dass Verhaltensprobleme ein Indikator sind. Das Gerücht stimmt nicht."

Anpassung

Viele Hochbegabte kommen, so Rosts Erfahrung, ziemlich gut durch die Schule und durchs Leben.
"Intelligenz ist auch die Fähigkeit sich anzupassen", so der Hochbegabtenforscher.

Langeweile

Wenn ein Kind sich im Unterricht langweilt, sei das meistens ebenfalls kein Zeichen für Hochbegabung, wie Rost erklärt, "sondern für schlechten Unterricht. Kinder langweilen sich eher, weil sie überfordert sind."

Diagnostik

Für Rost schafft nur eine solide psychologische Diagnostik Klarheit. Ansonsten gebe es nur einige vorläufige Hinweise auf Hochbegabung. Etwa wenn ein Kind mehrere tiefgehende, auch außerschulische Interessen habe und in diesen Bereichen sehr viel wisse.
"Manche Kinder, von denen man es vielleicht gar nicht denkt, werden dann wach, wenn es schwierig wird."

Förderung

"Gerade Vorschulkinder brauchen viel freie Zeit, um zu spielen, die Umwelt zu explorieren und mit Gleichaltrigen zusammen zu sein," betont der Forscher. In einer abwechslungsreichen Umwelt förderten sich die Kinder selbst. "Die beste Förderung für ein Kind ist es, immer wieder mit ihm zu sprechen und häufig zum Sprechen anzuregen." Vorlesen, gemeinsames Lesen, Fragen beantworten und Gespräche sind laut Rost besonders wichtig.

Kindergarten

Deshalb sind nach Auffassung des Wissenschaftlers kleine Kindergartengruppen sehr wichtig. Auf einen Betreuer dürften nicht mehr als vier Kinder kommen. "In Gruppen mit 15 Kindern ist keine vernünftige Interaktion möglich", erklärt der Forscher. Problematisch sei zudem, dass in Kindergärten häufig die Bezugspersonen wechselten.

Intelligenztests - was sagen sie aus?

Zum Messen der intellektuellen Fähigkeiten des Schülers wird dann zumeist ein standardisierter IQ-Test herangezogen. Diese Tests sollen in erster Linie die Begabungsrichtung und die Intelligenzhöhe des getesteten Kindes bestimmen. Die Testergebnisse bestätigen oft die Einschätzung der Eltern hinsichtlich der Begabungen ihres Kindes und schützen davor, den Sohn oder die Tochter zu über- bzw. zu unterfordern.

Kluge Hirne filtern besser

Forscher der University of Rochester wollten herausfinden, ob sich die optische Wahrnehmung bei Menschen je nach Intelligenz-Quotient unterscheidet. Das Ergebnis des IQ-Tests hat sie selbst überrascht: Probanden mit einem hohen IQ konnten zwar schneller erkennen, dass sich ein Bild mit Streifen bewegte. Ging es allerdings darum, etwas im Hintergrund zu erkennen, waren sie deutlich langsamer als Personen mit niedrigerem IQ. Die US-Forscher deuten das so: Bei intelligenteren Menschen filtere das Hirn unwichtige Informationen heraus. Diese würden erst gar nicht verarbeitet. Bisherige IQ-Tests kranken oft daran, dass sie verbale Aufgaben enthalten und spezifisch für Menschen aus unserem Kulturkreis zugeschnitten sind. Der neue Test könnte daher eine kultur-unabhängige Methode sein, um die Intelligenz eines Individuums zu testen, so die Forscher.

Wer den Streifentest einmal selbst probieren möchte, kann ihn in diesem Video nachvollziehen:

Förderung von Hochbegabten

Selbstständiges und projektorientiertes Arbeiten steht im Vordergrund.

Lehrer orientieren sich bei der Vermittlung des Lernstoffs zumeist am Klassendurchschnitt. Bei Schülern, die mehr Stoff verarbeiten könnten, als der Lehrplan in einer bestimmten Zeit vorsieht, hat der Lehrer zwei Möglichkeiten: Er kann den normalen Unterricht beschleunigen (Akzeleration) oder anreichern (Enrichment). Beide Maßnahmen setzen eine flexible Unterrichtsgestaltung und motivierte Pädagogen voraus.

Beschleunigung der Schullaufbahn

Unter Beschleunigung versteht man die frühzeitige Einschulung in die Grundschule, den frühzeitigen Übergang in weiterführende Schulen oder auf die Universität und das Überspringen einer oder mehrerer Klassen. Beschleunigung muss aber nicht immer nur das Überspringen einer Jahrgangsstufe bedeuten: So kann ein begabter Schüler auch ein Schulbuch eigenständig schneller durcharbeiten.

Anreicherung des Unterrichts

Eine besondere Begabung kann auch beim Sport gegeben sein.

Mit Anreicherung ist die Erweiterung oder Vertiefung des Lehrstoffs gemeint. So kann man in Extra-Wahlfächern weitere Interessensgebiete anbieten und fördern wie Musik, Sport, Fremdsprachen, fremde Kulturen und Völker, Raumfahrt, Kunst und Geschichte - entsprechend den Anlagen des Schülers und den Möglichkeiten der Schule.

Förderklassen in Bayern

Mittlerweile gibt es in Bayern, über alle Regierungsbezirke verteilt, an acht Gymnasien Förderklassen für Hochbegabte: in Augsburg, Bayreuth, Deggendorf, Gauting, München, Nürnberg, Weiden und Würzburg. Ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren soll sicherstellen, dass die Schüler tatsächlich hochbegabt sind. Ein Schulpsychologe untersucht jeden Bewerber und schreibt ein diagnostisches Gutachten. Bei erfolgreicher Beurteilung werden die Schüler zu Kennenlern-Tagen eingeladen, um herauszufinden, ob sie auch in der Klasse zueinanderpassen.

Bei Hochbegabten: weniger Wiederholung, dafür mehr Vertiefung im Unterricht.

Im Hochbegabtenprogramm sollen die Schüler ihre Kreativität entfalten und ihre Begabungen herausbilden. Der Unterricht hat ein höheres Lerntempo mit weniger Wiederholungen. Dafür sind mehr anspruchsvolle Übungen vorgesehen, zum Beispiel Referate und Präsentationen. In zusätzlichen Schulstunden stehen selbstbestimmtes und projektorientiertes Arbeiten im Vordergrund.


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