Telekolleg - Biologie


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Anwendungen der Gentechnik 1. Der genetische Fingerabdruck

Der genetische Fingerabdruck hat mit dem herkömmlichen, "realen" Fingerabdruck eines gemeinsam: Er ist höchst individuell einem Menschen eigen. Wie man ihn erstellt, erfahren Sie hier.

Stand: 12.03.2019 | Archiv

Chromosomen | Bild: BR

Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Menschen den gleichen Fingerabdruck tragen, liegt bei 1:10 Milliarden. Ähnlich unwahrscheinlich ist es, dass zwei Menschen die gleiche genetische Information besitzen - von eineiigen Zwillingen abgesehen.

"Short tandem repeats"

Lassen Sie sich nicht durch den Begriff "genetischer Fingerabdruck" in die Irre leiten - genau genommen geht es dabei gar nicht um Gene! Denn: Höchstens zehn Prozent der DNA sind Gene. Die restlichen neunzig Prozent übernehmen regulative Aufgaben oder haben - nach bisherigem Erkenntnisstand - überhaupt keine Funktion. Und gerade diese nicht codierenden Abschnitte einer DNA sind entscheidend für den genetischen Fingerabdruck: Sie sind durchsetzt mit einer Reihe an sogenannten "short tandem repeats", abgekürzt STR. Mehr dazu in folgendem Video:

"Short tandem repeats" bedeutet, dass kurze Sequenzen tandemartig hintereinander wiederholt vorliegen. Sie können aus einer oder bis zu 13 Basen bestehen. Die tandemartige Wiederholung bedeutet, dass diese Sequenz fünf- bis zwanzigmal hintereinander wiederholt vorliegt. Da es 650.000 verschiedene STRs gibt, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass die Wiederholungszahl jeder STR eines Menschen sich an genau der gleichen Stelle noch einmal in der Gesamtbevölkerung durch Zufall wiederholt. Man muss sich - statistisch gesehen - nur neun verschiedene STRs ansehen, um zu 99,999 Prozent einen Menschen sicher zu identifizieren.

Um die STRs zu untersuchen, muss man sie zunächst mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) vervielfältigen und dann die verschiedenen DNA-Abschnitte mittels Gelelektrophorese auftrennen. Wie das funktioniert, erfahren Sie im Folgenden:

PCR - Polymerasekettenreaktion

Die PCR ist eine Technik, mit der ein beliebiges Stück DNA im Labor vervielfältigt wird. Ihr liegt das Prinzip der komplementären Basenpaarung und der Replikation zugrunde.

Zuerst isoliert man die DNA aus der Probe und versetzt sie mit verschiedenen Reagenzien: mit Nukleotiden, den Bausteine der DNA, einer ganz bestimmten Polymerase und mit Primer. Primer sind synthetisch hergestellte, kurze Sequenzen, die zu den Bereichen der STR komplementär sind.

Im ersten Schritt der PCR wird der Reaktionsansatz stark erhitzt. Dadurch trennt sich der DNA-Doppelstrang in zwei Einzelstränge. Nach Abkühlung ist nun jeder Einzelstrang für die zuvor zugegebenen Primer zugänglich. Die Primer legen sich jeweils links und rechts an die STR. Nun wird auf 74 °C erhitzt. Dadurch wird die im Reaktionsansatz enthaltene Polymerase aktiv. Sie synthetisiert von den Primern ausgehend den Gegenstrang, indem sie die passenden - zuvor zugegebenen - Nukleotide nach Vorlage einfügt. Nachdem der erste Zyklus beendet ist, sind aus einem Strang zwei Stränge geworden.

Dieser Vorgang kann beliebig oft wiederholt werden. Nach 25 Zyklen sind bereits mehr als 50 Millionen Kopien vorhanden. Dank der Erfindung der PCR reichen geringste Mengen DNA aus, um einen genetischen Fingerabdruck zu erstellen.

Gelelektrophorese

Die Unmengen der in der PCR hergestellten Kopien sind immer noch nicht mit bloßem Auge sichtbar. Um sie miteinander vergleichen zu können, müssen die STRs nach ihrer Länge sortiert werden. Dazu werden sie eingefärbt und auf ein Gel aus Agarose aufgetragen. Am Gel wird eine elektrische Spannung angelegt. Da jede isolierte DNA negativ geladen ist, wandert sie zum positiven Pol.

Agarose ist gelatineartig und man kann sie sich als engmaschiges Netz vorstellen, durch das die DNA-Stücke wandern. Stellen Sie sich vor, Sie müssen durch einen Raum gehen, der mit Netzen ausgestattet ist, durch die ein Mensch noch gerade so schlüpfen kann. Sofern Sie allein gehen, werden Sie relativ rasch vorwärts kommen, bilden Sie jedoch mit anderen eine Kette, kommen Sie langsamer voran, da jeder durch das Netz schlüpfen muss.

So ähnlich verhält es sich mit der DNA. Je kürzer die STRs sind, also je geringer die Wiederholungen, desto schneller kommt dieser Abschnitt im Gel voran. Wird die Spannung abgestellt, bleiben die DNA-Stücke gleicher Länge an der Stelle im Gel liegen, zu der sie in dieser Zeit wandern konnten. Die DNA-Fragmente bilden so ein ganz bestimmtes Bandenmuster, das unter UV-Licht sichtbar wird.


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