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Bomben entschärfen Wie und von wem werden Blindgänger beseitigt?

Er ist einer der gefährlichsten Jobs überhaupt: Kampfmittelentschärfer. In ganz Deutschland liegen noch tausende Blindgänger unter der Erde, die unschädlich gemacht werden müssen. Doch wie geht das genau, eine Bombe entschärfen?

Von: Yvonne Maier

Stand: 04.04.2023

Dort, wo im Zweiten Weltkrieg Bombardierungen stattfanden, können auch heute noch Blindgänger im Erdreich stecken. Das gilt vor allem für größere Städte und Flächen ehemals kriegswichtiger Einrichtungen. Nach aktuellen Schätzungen (Stand 2022) liegen bundesweit noch circa 100.000 bis 300.000 Tonnen Blindgänger im Boden. Jährlich müssen in Deutschland circa 5.000 Bomben geräumt werden. Im Haushalt 2020 stellte der Bund für die Kampfmittelbeseitigung 32 Millionen Euro zur Verfügung.

Weltkriegs-Blindgänger: Identifizierung über Luftaufnahmen

Durch die genaue Identifizierung der geografischen Schwerpunkte der Luftangriffe und die Analyse der Luftbilder der Alliierten kann heute eine erste Prognose über mögliche Gefahrengebiete erstellt werden. Bereits vor den Angriffen waren aus Flugzeugen Luftaufnahmen von Industrieanlagen, Bahnhöfen und militärischen Stellungen gemacht worden, um spätere Ziele zu identifizieren. Nach den Angriffen wurden erneut Bilder gemacht, um die Wirkung der relativ ungenauen Bombenabwürfe zu beurteilen.

Bombe entschärfen - Schritt eins: die Blindgänger finden

Manche Blindgänger liegen nur knapp unter der Oberfläche, andere metertief darunter. Einige dieser Bomben werden zufällig gefunden, bei Bauarbeiten oder von Landwirten. Wer einen Blindgänger findet, muss das der Polizei melden, die verständigt dann das Sprengkommando und das rund um die Uhr, auch am Wochenende. Man kann aber auch gezielt nach Blindgängern suchen: im Straßenbau oder vor einem Hausbau. Dabei kommen Luftbilder der Alliierten zum Einsatz, die während des Krieges kurz nach den Bombenabwürfen gemacht wurden. Experten erkennen darauf, ob sich im Baugebiet von heute Blindgänger von damals befinden. Mit Metalldetektoren spüren die Kampfmittelräumdienste die Bomben dann vor Ort auf.

Bombe entschärfen - Schritt zwei: den Zündmechanismus entfernen

Vor Ort müssen die meisten Blindgänger auch entschärft werden, sie zu transportieren wäre oft zu gefährlich. Denn kein Panzerwagen der Welt könnte eine detonierende Fliegerbombe abschirmen. Es gibt auch keine Schutzkleidung für die Entschärfer, die ihr Leben bei einer unkontrollierten Explosion schützen könnte. Mit Baggern und Schaufeln wird die Bombe im Boden freigelegt. Dabei müssen die Feuerwerker sehr vorsichtig sein, wenn Blindgänger bewegt werden, können sie plötzlich explodieren. Der nächste Schritt: Identifizieren des Zündmechanismus. Ein heikler Moment, denn wenn ein Zünder in der Bombe ist, ist sie auf jeden Fall scharf. Er muss unbedingt entfernt werden. 

"Wenn Sie Bomben entschärfen wollen, liegt das so bei hundert Modellen, die Sie kennen müssen und 30 müssen Sie bei Tag und Nacht herbeten können. Da darf gar nicht mehr die Frage aufkommen: Wie läuft das jetzt?"

Peter Bodes, Leiter des Kampfmittelräumdienstes der Stadt Hamburg

Es gibt Aufschlagzünder und chemisch-mechanische Langzeitzünder, gefährlich sind beide. Je älter eine Bombe ist, desto unberechenbarer wird sie. Denn das Verfallsdatum für den Sprengstoff ist mehr als ein halbes Jahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkriegs weit überschritten. Chemische Zwischenprodukte können sogar noch brisanter sein als der ursprüngliche Sprengstoff und die Zünder bleiben funktionstüchtig. So kommt es in Deutschland im Schnitt ein- bis zweimal pro Jahr zu einer Selbstdetonation und in der Folge auch immer wieder zu Verletzten und Toten.

Doch nun liegt der Zünder, der noch immer detonieren kann, direkt neben der Bombe. Das bedeutet, die Entschärfer tragen dann den Zünder vorsichtig von ihr weg und sprengen ihn separat, eine weitere gefährliche Situation.

Übrigens sind die großen Blindgänger, bei denen medienwirksam ganze Stadtteile geräumt werden müssen, eher selten. Kleinere Sprenggranaten, die im Zweiten Weltkrieg sowohl von den Alliierten als auch von den Deutschen als Munition verwendet wurden, sind sehr häufig. Sie enthalten zwar weniger Sprengstoff, nur 20 Gramm Sprengstoff, doch für Menschen sind sie im direkten Umfeld genauso tödlich. Sie können plötzlich explodieren, zum Beispiel wenn sie erschüttert werden. Damit geschehen die häufigsten Blindgänger-Unfälle in Deutschland.

Aufbau eines chemisch-mechanischen Zünders

Bombe entschärfen - Schritt drei: den Sprengstoff zerstören

Manchmal werden Bomben und Munition vor Ort gesprengt.

Haben die Fachleute die Zünder erst einmal aus den Blindgängern ausgebaut, muss nur noch der Sprengstoff vernichtet werden. In frostfreien Zeiten, wenn viel gebaut wird, kommt bei den Sprengkommandos oft tonnenweise Altmunition an. Je nach Kapazitäten muss ein Teil der gefährlichen Ware bis zum Winter warten, bis das Sprendkommando sich an deren Vernichtung machen kann. Die Granaten und Patronen landen dann in einem berstsicheren Ofen. Mit lautem Knallen verbrennt der Sprengstoff.

Bombe entdeckt: Wer zahlt die Kampfmittelräumung?

  • Die Suche per Metalldetektor oder Luftaufnahmen muss jeder selbst zahlen.
  • Die Entschärfung der Blindgänger durch das Sprengkommando bezahlt das jeweilige Bundesland.
  • Die Beseitigung der alliierten Sprengstoffe wird von den Ländern bezahlt, die des Deutschen Reiches zahlt der Bund als Rechtsnachfolger des "Dritten Reichs".
  • Normalerweise decken Gebäude- und Hausratsversicherungen Schäden ab, die durch explodierte Blindgänger verursacht werden.

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