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Auf die Knie gezwungen Galileo Galilei vor der Inquisition

Mit spitzer Feder schreibt sich Galileo Galilei ins Verderben und verärgert den Papst. Alles Herausreden nützt nichts mehr: Der alte Mann Galilei kniet vor den Inquisitoren und schwört ab - vollständig. Wir haben mitgeschnitten.

Von: Heike Westram / Grafiken: Anna Hunger, Viola Dandl, Kesor Khy

Stand: 08.09.2022 | Archiv

Sein Blick durchs Fernrohr hatte ihm eindeutig gezeigt, dass Kopernikus Recht hatte: Die Erde dreht sich um die Sonne. Und Galileo Galilei war imstande, das auch zu beweisen. Damit brachte er das Weltbild der Kirche ins Wanken – und sich selbst vor die Inquisition. Die Angst vor Folter und Scheiterhaufen bezwang ihn: Am 22. Juni 1633 schwörte Galileo Galilei vor der Inquisition seinem besseren Wissen ab.

Die Vorgeschichte: So begann der Zwist Galileis mit der Kirche

Die Ausgangssituation

  • 1616: Kopernikus’ Werk wird von der Kirche suspendiert: Es darf nur noch als Hypothese erwähnt werden. Sämtliche Schriften, die behaupten, das kopernikanische System entspräche der Wahrheit, kommen auf den Index.
  • Galileo Galilei wird ermahnt, Kopernikus nicht mehr zu verteidigen.
  • 1623: Kardinal Maffeo Barberini, ein Gönner Galileis, wird zum Papst Urban VIII erwählt.

Galileo Galilei glaubte, er könne mit Verstand naturwissenschaftliche Forschung betreiben und mit dem Gemüt treues Mitglied der Kirche bleiben. Doch Kopernikus' Lehre war bei der katholischen Kirche nicht gerade beliebt. Denn nach der bibeltreuen Lehre der Kirche sollte die Erde als Zentrum stillstehen, während die Sonne wie auch die Sterne und Planeten um sie kreisen.

Galileis Bekenntnis zur Lehre von Kopernikus brachte ihn vor den Heiligen Stuhl in Rom, obwohl er mächige Gönner hatte. Hört selbst:

1624: Galileo Galilei buhlt beim Papst um seinen "Dialogo"

Der Stein des Anstoßes

  • ab 1624: Galilei schreibt den "Dialog über die beiden Weltsysteme"
  • Februar 1632: Druck des Dialogs
  • Juli 1632: Die Inquisition stoppt die Verbreitung
  • September 1632: Papst Urban VIII zitiert Galilei nach Rom

1624 reist Galileo Galilei nach Rom und missversteht den freundlichen Empfang des Papstes: Er schreibt seinen Dialogo fort und verteidigt damit weiter das kopernikanische Weltbild. Der "Dialog über die beiden Weltsysteme" stellt in einem Zwiegespräch dem althergebrachten Weltbild das kopernikanische gegenüber, in dem die Erde um die Sonne kreist.

Am 22. Februar 1632 erscheint das erste gedruckte Exemplar des "Dialogo" - und erbost den Papst. Nicht einmal so sehr, weil Galileo die Erde kreisen lässt, sondern aufgrund seiner durchaus verächtlichen Haltung gegenüber dem althergebrachten Weltbild gegenüber: Dessen Argumente werden im Dialogo einem einfältigen "Simplicio" in den Mund gelegt. Das nimmt Papst Urban VIII persönlich. Blüht Galilei jetzt das gleiche Schicksal wie Giordano Bruno? Der Scheiterhaufen?

Galileo Galilei: strenger Wissenschaftler und gläubiger Katholik

Für den gläubigen Christen Galileo Galilei gibt es keinen Widerspruch wissenschaftlicher Werke zur Bibel: Die Heilige Schrift wolle zeigen "nicht wie der Himmel geht, sondern wie wir in den Himmel kommen" (Galileo Galilei 1615 in einem Brief an die toskanische Großherzogin Christine von Lothringen).

Naturwissenschaftliche Schriften seien hingegen etwas völlig anderes: "Die Philosophie steht in diesem großen Buch [der Natur] geschrieben …. Es ist in der Sprache der Mathematik geschrieben, und deren Buchstaben sind Kreise, Dreiecke und andere geometrische Figuren" (Galileo Galilei im "Saggiatore", 1623).

Dass mit der Bibel gegen sein Werk argumentiert wird, frustriert Galileo Galilei zutiefst. 1633, bevor er zur Inquisition nach Rom reist, schreibt er einen verzweifelten Brief an einen Freund. Galilei ist überzeugt, "… dass es einen großen Missbrauch bedeutet, die Heilige Schrift derart in natürlichen Fragen zu bemühen" (Galileo Galilei, 1633).

1633: Der Prozess der Inquisition gegen Galileo Galilei

Inquisitions-Prozess

  • April 1633: Der Prozess gegen Galilei beginnt

Im Februar 1633 gelangt Galileo Galilei nach Rom - als Gefangener der Inquisition. Doch man nimmt Rücksicht auf den alten Herrn: Galilei landet nicht etwa im Kerker, sondern in einem Palast.

Im April 1633 beginnt in Rom der Prozess gegen Galileo Galilei. In drei Verhören, am 12. und 30. April und 21. Juni, versucht Galilei, das Urteil der Ketzerei abzuwenden.

Das zweite Verhör: Galilei versucht sich rauszureden

Am 30. April 1633 begann das zweite Verhör Galileis vor der Inquisition in Rom. Der Astronom versucht, sich herauszureden: "Es kam mir in den Sinn ... es kommt mir vor ... wie von einem anderen verfasst ... der Leser, der mein Innerstes nicht kennt ..." Galilei bietet der Inquisition an, seinen "Dialogo" umzuschreiben - umsonst: Es hilft alles nichts.

Das Urteil der Inquisition

Das Urteil

22. Juni 1633: Die Inquisition verkündet ihr Urteil über Galileo Galilei

Am 22. Juni 1633 wird der Astronom Galileo Galilei von der Inquisition der katholischen Kirche verurteilt. Er steht im Verdacht der Ketzerei, weil er geglaubt habe, dass "die Erde sich bewege und nicht der Mittelpunkt der Welt sei". Der Scheiterhaufen bleibt ihm erspart. Der Gelehrte ist auch in Kirchenkreisen so hoch angesehen, dass sein Urteil milde ausfällt: Galileo Galilei wird zu Kerker verurteilt und soll zur Buße drei Jahre lang einmal wöchentlich die Bußpsalmen beten. Drei der zehn Kardinäle unterschreiben das Urteil nicht.

In die Knie gezwungen: Galileo Galilei schwört ab

Der Widerruf

22. Juni 1633: Galileo Galilei widerruft vor der Inquisition seine Thesen

Auf das Urteil hin distanziert sich Galileo Galilei vor der Inquisition von seinem wissenschaftlichem Werk, dem "Dialogo" - vollständig und ohne Rückbehalte. Nach Androhung der Folter schwört Galileo Galilei am 22. Juni 1633 in vollem Umfang ab: "Ich, Galileo, Sohn des seligen Vincenzio Galilei aus Florenz, meines Alters 70 Jahre, persönlich vor Gericht erschienen und vor Euch kniend, …" Hört Galileis Widerruf im Wortlaut:

Der Preis der Wahrheit: Feigling Galilei?

Im Jahre 1600, gut dreißig Jahre vor Galileis Prozess, wird Giordano Bruno nach achtjähriger Haft und vielfacher Folter der Ketzerei verurteilt und auf dem Campo Fiori in Rom verbrannt. Er vertrat unter anderem die These, das Weltall sei unendlich und es gäbe darin viele Sonnen, umkreist von Planeten. Und anders als Galilei war Giordano Bruno bereit, für seine Wahrheit zu sterben. Er weigerte sich, abzuschwören. "Ihr verkündet das Urteil mit größerer Furcht als ich es entgegennehme," entgegnete Giordano Bruno seinen Richtern. Galilei dagegen schwörte, "dass ich künftig niemals wieder, in Wort oder Schrift, Dinge sagen noch behaupten werde, für welche ähnlicher Verdacht gegen mich erschöpft werden könnte." War Galileo Galilei also ein Feigling?

Und sie bewegt sich doch!

"Eppur si muove!" - "Und sie bewegt sich doch!" soll der Astronom Galileo Galilei gemurmelt haben, als er nach seiner Verurteilung durch die Inquisition der katholischen Kirche den Raum verließ. Ob er diesen Satz wirklich gesagt hat, kann niemand sagen, doch er charakterisiert den Denker Galilei treffend: Denn von seiner Überzeugung, dass nicht die Sonne, sondern die Erde sich bewege, ließ er trotz des Widerrufs vor der Inquisition nicht ab.

Galileis Haft - nicht einen Tag im Kerker

Galilei unter Hausarrest

1633: Arrest im Palazzo de' Medicci in Rom und beim Erzbischof von Siena, einem ehemaligen Schüler Galileis
1633 – 1642: Hausarrest Galileis in seinem Haus in Arcetri bei Florenz
8.1.1642: Galileo Galilei stirbt mit fast 78 Jahren

Nach seiner Verurteilung durch die Inquisition blieb Galileo Galilei bis zu seinem Tod 1642 unter Hausarrest. Einsperren konnte man aber nur seinen Körper, nicht den Geist: "Ich trage bis heute eine Kette ... Mein Geist jedoch wird von dieser Enge weder zerschlagen noch beschränkt." Und auch seine angeblich ketzerische Lehre konnte die Kirche nicht wegsperren: Galileis Dialogo konnte schon kurz nach dem Prozess der Inquisition gegen seinen Autor ins Ausland gebracht und übersetzt werden. Aber hört selbst:

1992: Die katholische Kirche rehabilitiert Galileo Galilei

Erst am 31. Oktober 1992 rehabilitierte Johannes Paul II. den Astronomen Galilei.

"Merkwürdigerweise zeigte sich Galilei als aufrichtig Glaubender weitsichtiger als seine theologischen Gegner."

Johannes Paul II. in seiner Wiedergutmachungsrede an der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, am 31. Oktober 1992

Sendungen zu Galileo Galilei:


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