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Geschichte des Wunschzettels Warum wir Wünsche zu Weihnachten auf Papier schreiben

Schon gewusst? Seit Jahrhunderten ist es eine Tradition, dass wir Wunschzettel zu Weihnachten verfassen. Von Geschenk-Wünschen war darin anfangs keine Rede.

Stand: 20.11.2023

Wunschzettel ans Christkind | Bild: picture-alliance/dpa

Neben Christbaum, Krippe und Plätzchen gehört noch etwas anderes unbedingt zu Weihnachten: der Wunschzettel. Woher soll das Christkind sonst wissen, was wir uns wünschen? Auch Eltern, Geschwister, Omas, Opas, Tanten und Onkel freuen sich über Tipps, was uns Freude machen würde. In der Weihnachtszeit einen Wunschzettel zu verfassen, diesen Brauch gibt es schon seit mehreren Jahrhunderten. Der Inhalt war früher allerdings ein ganz anderer.

Zu Weihnachten erzwungener Dank der Eltern an sich selbst

Wunschzettel waren früher edel gestaltete Weihnachtsbriefe - mit schwülstigen Lobhudeleien.

Auch, wenn sie da noch einem ganz anderen Zweck dienten: Erste Vorläufer der heutigen Wunschzettel gab es mindestens schon im ausgehenden 17. Jahrhundert. Um 1800 hießen die bemalten und beschriebenen Blätter noch "Weihnachtsbriefe". Adressaten waren nicht das Christkind oder der Weihnachtsmann, sondern Eltern und Paten. Im Inhalt war keine Rede von den Herzenswünschen der Kinder, im Gegenteil: Die Kleinen wurden von den Erwachsenen gezwungen, schwülstige Lobhudeleien aufs Papier zu bringen. Schreibmeister lieferten kunstvoll verzierte Vorlagen, die Lehrer oder Pfarrer im Auftrag der Eltern kauften und für die frömmelnden Inhalte sorgten: Die Kinder hatten sich bei den Eltern und Paten für Erziehung und Wohlverhalten zu bedanken und baten um Gottes Segen. Die frühen Wunschzettel waren also nichts anderes als ein Dank der Eltern an sich selbst, vom Kind nach Vorlage und unter Aufsicht in Schönschrift zu Papier gebracht.

Beispiele aus Weihnachtsbriefen

Aus dem Jahr 1782

"Vater! Mit Entzücken nenn ich diesen Namen", bringt Johann Hieronymus Jantzen aus Hamburg 1782 zu Papier.

1809

"Lob durchdringt jetzt meine Glieder." Den "werthgeschätzten Aeltern" wünscht Hanns Wullenweber aus Lockstädt 1809 für das neue Jahr Gottes Segen, Frieden und Lebenskräfte.

1830

"Wer hat die theuren Eltern mir gegeben; Die mich so treu geschützt, gepflegt, genährt", heißt es von Matthias Bremer aus Teufelsbrück 1830.

"Eine erzieherische Leistungsschau am Jahresende - mit schwülstigen Dankesworten an die Eltern, die dann auch noch auswendig vorgetragen werden mussten. Es ist eigentlich vollkommen pervers."

Torkild Hinrichsen, Kunst- und Kulturhistoriker aus Hamburg

Die ersten echten Kinderwünsche zu Weihnachten

Den Wunschzettel aus dem Jahr 1916 ziert ein schreitender Engel mit Helm und Gewehr.

Später gab es auch an den Volksschulen entweder vorgedruckte Wunschzettel oder ein Gedicht des Lehrers, das dann alle abschrieben. Trotzdem waren es meistens immer noch Segenswünsche an die Eltern. Nach und nach änderten sich die Bildmotive am Rand der Wunschzettel: Aus den christlichen Szenen wie der Krippe wurde die bürgerliche Weihnachtsstube, aus Maria mit Jesus die Bürgersfrau mit Kindern. Der Weihnachtsbaum kam mit aufs Papier und im Text tauchten langsam die eigenen Wünsche der Kinder auf. "So um 1850 kippt es um - und zwar ganz deutlich unter kommerziellen Gesichtspunkten", weiß Torkild Hinrichsen, ehemaliger Direktor des Altonaer Museums in Hamburg.

Wunschzettel zu Weinachten - "eine geniale Marketing-Idee"

Die Vorläufer der heutigen Wunschzettel kamen auf - aber auch wieder nicht von den Kindern erfunden. Hinrichsen bezeichnet sie als "geniale Marketing-Idee" der deutschen Spielwarenindustrie. "Hersteller und Händler druckten Blätter, auf denen bildlich ein großes Angebot dargestellt war. Die Kinder brauchten ihre Wünsche nur noch markieren." Wieder änderten sich die Verzierungen auf den Briefen: "Um 1880 erhalten die Gabenbringer das Monopol", erzählt Hinrichsen. Beliebt waren das Christkind mit Engeln, die Geschenke verteilen, und ein voll bepackter Weihnachtsmann.

"Dir du liebes Christkindlein, send ich meine Wünsche ein; Geh zu Karstadt, Nikolaus, und suche mir das Schönste aus."

Briefwunschbogen des Kaufhauses Karstadt, um 1930

"Wunschzettel sind Spiegel ihrer Zeit"

Mehr Taschengeld, gute Noten, gutes Wetter - und einen Bruder, aber nur einen jüngeren!

1937 listet der siebenjährige Hermann Kluge aus Bremen auf seinem Zettel neun Wünsche auf. Immerhin nimmt er dem Weihnachtsmann ein wenig Arbeit ab und schreibt gleich dazu, in welchem Kaufhaus die Spielsachen zu welchem Preis zu finden sind. 1947 wünscht sich Hanni Steiner einen schicken Mantel, ein Taschenmesser, Geschirr für die Puppen, eine Armbanduhr, einen Teddy und einen Hund. Ihre ordentlich geschriebene Liste an den "lieben Weihnachtsmann" war so lang, weil sie auf der Flucht aus dem pommerschen Bublitz nach Westdeutschland nur wenig mitnehmen konnte. Auf Platz eins ihrer Liste hatte sie Soldatenfiguren gesetzt - so wie viele andere Kinder damals auch.

"Wunschzettel sind immer ein Spiegel ihrer Zeit."

Kunst- und Kulturhistoriker Torkild Hinrichsen.

Kreuze in Spielzeugkatalogen ersetzen Wunschzettel zu Weihnachten

Ein "Hendy", was auch sonst, steht auf dem Wunschzettel vieler Kinder.

"Die letzte Phase ist dann das, was wir heute sehen: Wo man in einem Spielwarenkatalog ankreuzen kann", erzählt Kulturhistoriker Torkild Hinrichsen. Mit solchen "Wunschzetteln" werden die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer in Deutschlands ältestem Weihnachtspostamt im niedersächsischen Himmelpforten tatsächlich häufig konfrontiert. "Manchmal bekommen wir ganze Kataloge, in denen die Wünsche einfach angekreuzt sind", berichtet Wolfgang Dipper, der Leiter des weihnachtlichen Postamts.

Größtes Weihnachtspostamt: Die beliebtesten Weihnachtsgeschenke

Das nach Briefen größte Weihnachtspostamt befindet sich im brandenburgischen Himmelpfort. Durchschnittlich landen dort jährlich mehr als 300.000 Briefe aus über 60 Ländern. Jüngere Kinder würden sich oft Gesellschaftsspiele, Bücher, Bausteine, Kuscheltiere, Puppen, Schminksets, Spielzeug-Autos, -LKW und -Raumschiffe wünschen. Die älteren Kinder schreiben von Smartphones und Tablets, berichten die Mitarbeiter.

Die fleißigen Helferlein von Weihnachtsmann, Nikolaus und Christkind in den Weihnachtspostfilialen schreiben den Kindern zurück - mittlerweile in vielen verschiedenen Sprachen - und Blinden sogar in Brailleschrift.

Sendungen zum Thema Wunschzettel:

  • Der Christkind-Check: Checker Reportagen, ARD alpha, 12.12.2023, 07.30 Uhr
  • Mit dem Wunschzettel zum Christkind: Abendschau, BR Fernsehen, 25.11.2022, 18 .00 Uhr
  • Weihnachtspostamt in Unterfranken: Bayern 1 am Morgen, Bayern 1, 07.12.2020, 05.05 Uhr
  • Die Weihnachtspostfiliale in Himmelpfort: SWR2 Leben, SWR 2, 20.12.2018, 15.05 Uhr

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