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Die Genschere CRISPR-Cas9 Genome Editing - Eingriff in die Keimbahn

Ein Zauberkasten in der Gentechnik: Mithilfe einer Genschere kann das Genom von Lebewesen verändert werden, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Die revolutionäre Methode bietet großartige Chancen, aber auch immense Risiken.

Stand: 04.12.2020

DNA | Bild: picture-alliance/dpa

Genome Editing ist eine Technik, die die Medizin revolutionieren soll. Vereinfacht gesagt ist es Genchirurgie, die ein defektes oder krankmachendes Gen in einer lebenden Zelle mit einer Art präzisen Schere entfernt oder austauscht. Ursprünglich für bakterielle Systeme gedacht, wird es mittlerweile in allen lebenden Organismen angewandt. Damit könnte man in der Medizin Genkrankheiten wie Mukoviszidose und Sichelzellenanämie behandeln, aber auch Krebs oder HIV-Infektionen.

Die Genschere kompakt erklärt

Genome Editing

Bestimmte Genabschnitte auf der DNA werden durch eine Art Schere - die CRISPR-Cas9-Methode - herausgeschnitten und durch andere ersetzt. Eine einfache, kostengünstige und einfach anzuwendende Methode, die bereits bei Pilzen, Raps und Mäusen Erfolg hatte. Möchte man bestimmte Genkrankheiten beim Menschen behandeln, muss man in die Keimbahn eingreifen, eine Methode, die in Deutschland verboten ist.

CRISPR-Cas9-Methode

Die Methode wurde von der Französin Emmanuelle Charpentier und der US-Amerikanerin Jennifer Doudna mithilfe von Bakterien entdeckt. Mit der CRISPR-Methode schützen sich Bakterien gegen angreifende Viren. Das Enzym Cas9 erkennt die krankmachenden Viren, steuert deren DNA an und zerschneidet sie dann zielgerichtet. Diese Methode kann mittlerweile nicht nur auf Bakterien, sondern auch auf die DNA eines jeden anderen Lebewesens angewendet werden. Charpentier und Doudna wurden für diese Entdeckung mit dem Chemie-Nobelpreis 2020 ausgezeichnet.

Keimbahntherapie

Eine Veränderung im Erbgut, die noch vor der Befruchtung vorgenommen wird. Dadurch, dass die neuen DNA-Informationen dann in Spermien und Eizellen vorhanden sind, wirken sie sich auf alle Nachkommen aus, das heißt, sie werden vererbt. Bekannt ist dieses Verfahren in der Humanmedizin unter dem Stichwort "Designerbaby", bei dem genetisches Material manipuliert wird, um intelligenteren, gesünderen oder auch besser aussehenden Nachwuchs zu erzeugen.

Diskussion über ethische Verantwortung

Während in Deutschland die Keimbahntherapie generell verboten ist, haben sich Forscher auf dem Human Gene Editing World Summit in Washington im Dezember 2015 gegen ein Moratorium ausgesprochen. Grundlagenforschung und Experimente an Keimzellen und Embryonen soll es - wie in China und Großbritannien - geben; die Geburt von sogenannten Designerbabys schließe man vorerst aus.

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Nobelpreis für CRISPR/Cas - Wie die Genschere unser Leben verändert | beta stories | Doku | BR | Bild: beta stories (via YouTube)

Nobelpreis für CRISPR/Cas - Wie die Genschere unser Leben verändert | beta stories | Doku | BR

Britische Forscher veränderten Erbgut von Embryonen

Trotz des Appells aus Washington erlaubte die britische Behörde zwei Monate später, am 1. Februar 2016, Wissenschaftlern, mit der CRISPR-Cas9-Technik an der Genveränderung gesunder menschlicher Embryonen zu arbeiten. Die Forscher um Kathy Niakanam am Francis Crick Institute in London wollten mehr über die ersten Momente menschlichen Lebens erfahren. Dafür schalteten sie kurz nach der Befruchtung im Erbgut von 41 Embryonen das Gen OCT4 ab, das eine Schlüsselrolle bei der frühen Embryonalentwicklung spielt. Die Experimente an den Embryos wurden in den ersten sieben Tagen nach der Befruchtung durchgeführt.

Genome editing - wenn Eltern die Erbanlagen ihres Kindes upgraden wollen.

Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher am 21. September 2017 in der britischen Fachzeitschrift "Nature". Mit ihren Forschungen wollten die Wissenschaftler die Erfolgsrate künstlicher Befruchtungen steigern. Derzeit schaffen es nur 13 von 100 befruchteten Eizellen, sich im weiblichen Körper weiterzuentwickeln. Die veränderten Embryonen durften allerdings keiner Frau eingepflanzt werden, betonte die zuständige Behörde für menschliche Befruchtung und Embryologie (HFEA).

"Ich finde das nicht gut. Welchen Zweck hat es, menschliche Keimbahnzellen zu manipulieren? Es ist besser, Keimbahn-Experimente zu untersagen als umständlich einzuschränken."

Emmanuelle Charpentier, Miterfinderin der Genschere CRISPR-Cas9

Keimbahneingriffe unverantwortlich, aber nicht auszuschließen

Im November 2018 erschütterte die Nachricht über die Geburt der angeblich ersten genetisch veränderten Babys in China die Welt, wurde aber auch von Experten angezweifelt. Bereits im März 2019 forderten renommierte Wissenschaftler in der Zeitschrift "Nature" ein Moratorium für die klinische Anwendung von Methoden, die das menschliche Erbgut in Eizellen, Sperma oder von Embryonen verändern. Unter den Autoren war auch die Entdeckerin der Genschere, Emmanuelle Charpentier.

Ethikrat empfiehlt: ein internationales Moratorium

Peter Dabrock, Chef des Deutschen Ethikrates, über Chancen und Risiken von CRISPR

Am 9. Mai 2019 legte der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme vor, in der er die Möglichkeiten, in das Genom menschlicher Embryonen oder Keimzellen einzugreifen, ethisch umfassend untersuchte. Zwar hält der Ethikrat die menschliche Keimbahn nicht für unantastbar. Dennoch beurteilt er Keimbahneingriffe derzeit wegen ihrer unabsehbaren Risiken für ethisch unverantwortlich. Deshalb fordert der Ethikrat ein Moratorium und empfiehlt Bundesregierung und Bundestag, sich für eine verbindliche internationale Vereinbarung einzusetzen.

Keine einheitliche Position im Ethikrat

Auch erneuerte der Deutsche Ethikrat seine Forderung nach einem breiten nationalen und internationalen Diskurs zum Thema. Und er empfahl die Einrichtung einer internationalen Institution, die diesen Prozess begleitet und Standards für Keimbahneingriffe am Menschen erarbeitet, vergleichbar der Atomenergiebehörde in Wien. Allerdings gibt es auch im Ethikrat keine einheitliche Position, ob Eingriffe in die menschliche Keimbahn überhaupt sinnnvoll sind. Eine große Mehrheit bewertet aber die Weiterentwicklung und den Einsatz der Technologie zur Vermeidung oder Verringerung genetisch bedingter Krankheitsrisiken als "ethisch legitimes Ziel".

"Wir sehen, dass in der Forschung, gerade im Bereich der Medizin, in einer Intensität mit der Genschere gearbeitet wird. Das kommt einer Goldgräberstimmung gleich."

Peter Dabrock, Theologe an der Universität Erlangen-Nürnberg und Chef des Deutschen Ethikrates

Gentechnik-Methode mit revolutionärer Sprengkraft

Die Forscherinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier entdeckten zusammen die CRISPR-Cas9-Methode.

Der Fokus der Diskussion liegt dabei auf der sogenannten CRISPR-Methode, die in Forscherkreisen als revolutionär angesehen wird. Es gibt dafür drei wesentliche Gründe: Erstens ist die Methode unglaublich schnell, zweitens ist sie extrem preiswert und drittens sehr einfach in der Handhabung.

Es geht bei der Anwendung der Genschere auch um weitere Einsatzfelder, die weniger drastisch sind als ein vererbbarer Eingriff in die menschliche Keimbahn: CRISPR-Cas9 erscheint auch für medizinische Therapien oder für die Landwirtschaft ausgesprochen attraktiv.

Umweltschonendere Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung?

Erst-Veröffentlichung der CRISPR-Cas9-Methode

Am 17. August 2013 veröffentlichten die französische Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier und die US-Biochemikerin Jennifer Doudna ihre Studie im Fachmagazin "Science". Sie verwendeten CRISPR-Cas9 gezielt zum Genome Editing, also zum Entfernen, Einfügen und Verändern von DNA. Die Methode galt in Fachkreisen sofort als Jahrhundertcoup und nobelpreisverdächtig. 2020 wurde der Traum wahr: Charpentier und Doudna wurden zusammen mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.

Hefezellen, die Biokraftstoffe produzieren, Raps, der resistent ist gegen Pestizide, genetisch veränderter Lachs, der um ein Vielfaches schneller wächst als Wildlachs - das sind Beispiele aus der biologischen Forschung. Was, wenn Bäume mit der Genschere so "umgebaut" werden könnten, dass sie einem immer wärmeren und trockeneren Klima besser trotzen? Wenn Weizen durch CRISPR-Cas9 so widerstandsfähig und ertragreich wäre, dass weniger Einsatz von Chemie und Bewässerung nötig wäre? Kein Schreddern männlicher Küken mehr, weil die "männlichen" Eier schon fluoriszieren? Die Träume sind vielfältig und groß.

Die Angst aber ebenso: Das Ergebnis sind gentechnisch veränderte Pflanzen oder Tiere, die mit ihrem veränderten Erbgut in die Natur eingetragen werden. In den USA stehen bereits mit der Genschere veränderte Pflanzen auf den Äckern. In Deutschland sind nach Aussage des Bundesverbands Deutscher Pflanzenzüchter bislang keine mit CRISPR-Cas9 veränderten Pflanzen im Einsatz (Stand: Dezember 2020).

Genschere CRISPR unterliegt strengen EU-Richtlinien

In der Landwirtschaft unterliegt das neue Gentechnik-Verfahren den strengen Auflagen der EU-Gentrechnikregeln. Das hat der Europäische Gerichtshof am 25. Juli 2018 entschieden. Demzufolge müssen beispielsweise Pflanzen, die mit der Genschere CRISPR bearbeitet sind, als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) gekennzeichnet werden. Lebensmittel, die solche GVO enthalten, müssen entsprechend gekennzeichnet sein. Sie kommen im deutschen Supermarktangebot bislang kaum vor, weil die Verbraucher in der Regel solche Produkte ablehnen.

Hoffnungsträger in der Medizin

Aber auch in der medizinischen Forschung sind die Wissenschaftler elektrisiert von den Möglichkeiten des Genome Editing. Das muss nicht unbedingt als Keimbahn-Eingriff sein. Mit CRISPR-Cas9 sind auch Therapien mit der Genschere möglich, bei denen einem Patienten Körperzellen entnommen, mit der Genschere verändert und wieder zurück in den Körper gebracht werden. Und dann beispielsweise Krebs bekämpfen. Geforscht wird bereits an einigen CRISPR-Cas9-Therapien, etwa zur Sichelzellanämie, zugelassen ist bislang keine (Stand: Dezember 2020).

In Laboren gehört dagegen die Genschere schon häufig zum Alltag: So lassen sich mit CRISPR-Cas9 gezielt Gewebe oder Versuchstiere züchten, die beispielsweise in der Arzneimittelforschung zum Einsatz kommen.

Forscher haben auch schon angefangen, an menschlichen Embryonen zu forschen - die aber nicht lebensfähig waren. Damit wurde die Debatte um CRISPR-Cas9 aufgeheizt. Hinzu kommt, dass Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck für ein Editing zu komplex sind, der Defekt liegt auf mehreren Genen, von denen noch nicht alle bekannt sind.

Maßvoll oder maßlos übers Ziel hinaus?

Was soll mittels Genchirurgie alles machbar sein? Darüber diskutieren Ethikräte weltweit.

Es stellt sich daher die Frage, wie weit man mit dieser neuen Gen-Methode gehen darf. Veränderungen an einzelnen Körperzellen wie Blut- oder Leberzellen werden in der Forschung als weniger problematisch angesehen, denn sie sind nicht überlebensfähig. Schwieriger wird die Debatte, wenn es darum geht, mittels der CRISPR-Methode in die Keimbahn eines Menschen einzugreifen, denn dann werden Spermien und Eizellen manipuliert. Damit wirken sich die Veränderungen nicht nur auf den jeweiligen Organismus, sondern auch auf dessen Nachkommen aus, das heißt, das menschliche Erbgut wird dauerhaft verändert.


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