Arbeitszeit Macht uns die 4-Tage-Woche produktiver und gesünder?
Vier Tage arbeiten, drei Tage Wochenende: Das klingt verführerisch. Studien zeigen, dass sich so nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch unsere Produktivität verbessern kann. Was spricht dafür und was dagegen?

Verkürzte Arbeitswoche: Weniger Stress, gleiche Produktivität

4-Tage-Woche bei gleicher Bezahlung: 40 Stunden verteilt auf vier Tage oder 32 Wochenarbeitsstunden bei gleichem Arbeitspensum.
Bei einer 4-Tage-Woche gibt es zwei unterschiedliche Herangehensweisen. Bei Modell eins werden die üblichen 40 Regelstunden einfach auf vier Tage umverteilt, sodass unter dem Strich vier 10-Stunden-Arbeitstage stehen. Das zeigt zwar, wie in der Arbeitswelt mehr Flexibilität gedacht werden kann, Arbeitsforscher raten aber davon ab, die Stunden auf diese Weise zu bündeln. Denn das kann unter anderem gesundheitsschädlich sein.
Modell zwei verfolgt den sogenannten flexiblen 100-80-100-Ansatz. Das heißt, dass für 80 Prozent der bisherigen Arbeitszeit 100 Prozent des Gehalts ausgezahlt wird. Trotzdem wird eine hundertprozentige Produktivität erwartet. Eine großangelegte Umfrage zu diesem Modell wurde von Juni bis Dezember 2022 im Vereinigten Königreich durchgeführt. Daran nahmen 61 Unternehmen und rund 2.900 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer teil. Die Ergebnisse verdeutlichen: 39 Prozent der Mitarbeiter fühlten sich durch den 100-80-100-Ansatz weniger gestresst, 71 Prozent wiesen am Ende der Studie ein geringeres Burnout-Niveau auf. Auch Angstzustände, Müdigkeit und Schlafprobleme gingen zurück. Von den 61 Unternehmen hielten nach der Untersuchung 56 an der Vier-Tage-Woche fest. Dass das Beispiel aus Großbritannien kein Einzelfall ist, zeigt sich unter anderem in Island, wo verkürzte Arbeitszeiten nach einer Testphase in den Jahren 2015 bis 2019 mittlerweile gesetzlich verankert sind.
Video: Wie uns die 4-Tage-Woche in Zukunft verändert
Arbeitsforschung: Belegschaft einbeziehen
"Im Fall der Großbritannien-Studie glaube ich, dass die Ergebnisse total plausibel sind. Letzten Endes geht es darum, der Belegschaft etwas Gutes zu tun. Das soll die Arbeitsfähigkeit und die Bindung an das Unternehmen stärken. Eine gewisse Freiwilligkeit muss da immer erhalten bleiben. Bei solchen Prozessen der Umstrukturierung in Unternehmen sollte die Belegschaft aber mit eingebunden werden."
Dr. Hannah Schade, Arbeitspsychologin vom Leibniz-Institut Dortmund
Video: Der Traum von der 4-Tage-Woche
4-Tage-Woche: Positive Effekte
Mitarbeiter:
- Wohlbefinden: Stress nimmt ab, das Burnout-Risiko sinkt und die Schlafqualität nimmt zu.
- Work-Life-Balance: Freizeit, Familie und Beruf werden besser vereinbar.
- Gleichberechtigung: Aufgabenverteilung kann gerechter gestaltet werden, bei Familien besonders im Haushalt.
Unternehmen:
- Kosteneffizienz: Arbeitsprozesse werden kreativ optimiert und Bürokosten reduzieren sich.
- Betriebsgesundheit: Weniger Fehlzeiten bedeuten mehr planbare Arbeitskraft.
- Attraktivität: Unternehmen können bei der Anwerbung von Fachkräften durch eine flexible Arbeitszeitgestaltung punkten.
Statistik: Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten

Vier Tage arbeiten als Wunschmodell? Der Großteil der befragten Beschäftigten wünschte sich, weniger Tage pro Woche zu arbeiten.
Datenbasis für diesen Report ist die BAuA-Arbeitszeitbefragung 2021, in der etwa 20.000 Erwerbstätige in Deutschland befragt wurden. 76 Prozent davon arbeiteten in Vollzeit, also mit einer tatsächlichen Wochenarbeitszeit von 35 oder mehr Stunden pro Woche.
Audio: Freizeit statt Karriere - Lohnt sich Arbeit noch?
Weniger Arbeitsstunden: Ist die Umsetzung realistisch?

Forschende diskutieren, ob es möglich ist, auch im Gesundheitsbereich, in Krankenhäusern und in der Pflege, die 4-Tage-Woche einzuführen.
Die verkürzte Arbeitswoche birgt Herausforderungen. So muss der Arbeitgeber zunächst sicherstellen, dass die Arbeit gleichmäßig aufgeteilt wird. Hannah Schade sagt dazu: "Mit dem Gedanken, die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit schaffen zu wollen, kann auch mehr Stress einhergehen. Und das bedeutet, dass dieser Umstrukturierungsprozess unbedingt eingehend begleitet werden muss."
Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf den demografischen Trend in Deutschland. Es werde in Zukunft deutlich weniger Arbeitskräfte geben, sagt Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Daher könne nicht die Lösung sein, weniger zu arbeiten. Stattdessen müsse mehr geschuftet werden, um den Personalmangel zu kompensieren. In bestimmten Branchen, wie im Gesundheits- und Pflegebereich, lasse sich die Produktivität sowieso nicht derart steigern, dass eine Arbeitszeitverkürzung auf vier Tage ausgleichsfähig sei.
Gesagt: Ideologische Gräben überwinden
"Arbeitgeber führen die 4-Tage-Woche ja auch ein, weil sie sich eine größere Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt, also im Konkurrenzkampf um Arbeitnehmer, erhoffen. Dementsprechend ist denkbar, dass mehr Menschen sich für einen derartigen Beruf, zum Beispiel im Gesundheitssektor, begeistern können. Ich bin also zuversichtlich, dass das in Deutschland überall geht, vielleicht aber nicht sofort. Was mich jedenfalls überrascht, ist, wie ideologisch die Diskussion teils geführt wird."
Dr. Hannah Schade, Arbeitspsychologin vom Leibniz-Institut Dortmund
Weniger arbeiten: Mehr Klimaschutz?

Forschende sehen in der 4-Tage-Woche eine Möglichkeit, den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Positiv auswirken könnte sich das Modell der 4-Tage-Woche auch auf den Klimawandel. Den exakten Nutzen für das Klima zu messen, ist zwar schwierig, laut einer Studie aus dem Jahr 2012 aber führt eine Reduzierung der Arbeitsstunden um 10 Prozent bereits zu einer Senkung des individuellen CO2-Fußabdrucks um 8,6 Prozent. Die Ergebnisse machen also klar, dass die Arbeitszeit hier ein Faktor sein kann. Die Studienautoren sehen jedoch eine Verringerung des Bruttoinlandprodukts, und damit der Produktivität, durch Senkung der Arbeitszeit als ein noch wesentlich effektiveres Mittel an.
Dass die dazugewonnene Freizeit wiederum verstärkt für CO2-intensive Tätigkeiten genutzt werden könnte, darf nicht außer Acht gelassen werden. Eine Nature-Studie konnte jedoch zeigen, dass Menschen in Nordamerika und Europa an Wochenenden einen geringeren Kohlendioxidausstoß haben als unter der Woche (für den ostasiatischen Raum lässt sich keine signifikante Verringerung nachweisen). Das könnte zumindest einen ersten Hinweis darauf geben, dass die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlängerte Wochenenden nicht zwangsläufig für mehr Autofahrten und mehr klimaschädliche Wochenendtrips per Billigflieger nutzen würden. Genauere Auswertungen gibt es aber noch nicht.
Mehr Wissen: Quellen und Sendungen zum Thema "4-Tage-Woche"
- Arbeitszeitreport Deutschland 2021 (BAuA)
- Großbritannien: Das bringt die 4-Tage-Woche (Autonomy, in engl. Sprache)
- So viel CO2 werden am Wochenende ausgestoßen (Nature, in engl. Sprache)
- Herzkrankheiten durch langes Arbeiten (WHO, in engl. Sprache)
- Wie weniger Arbeit das Klima beeinflusst (BBC, in engl. Sprache)
- "Ist die 4-Tage-Woche in Deutschland realistisch?", SWR1 Arbeitsplatz, SWR 1
- Work-Life-Balance: Sollten wir weniger arbeiten? (Quarks)
- "Vier-Tage-Woche - Was bringen neue Arbeitszeitmodelle?": mehr/wert, BR Fernsehen, 04.05.2023, 19:00 Uhr
- "Vier Tage Arbeit, drei Tage frei - Wunschdenken oder Zukunftsmodell?": Fakt ist!, MDR Fernsehen, 20.03.2023, 22:10 Uhr.
- "Vier-Tage-Woche: Wie macht sich der Wunschtraum in der Realität?": Abendschau, BR Fernsehen, 16.03.2023, 18:00 Uhr
- "Vier-Tage-Woche-im-Handwerk: Funktioniert das?": Live nach Neun, Das Erste, 07.03.2023, 09:05 Uhr