Länger leben So wollen Forscher unser Altern aufhalten
Können wir Menschen bald schon gesünder altern und unser Leben verlängern? Das wäre revolutionär, vielleicht auch ein bisschen beängstigend - es würde auf jeden Fall völlig neue Möglichkeiten schaffen. Wir hätten mehr Zeit für Familie und Freunde, würden vielleicht einen anderen Beruf wählen und auch Kliniken und Pflegeheime wären weniger überlastet. Die Alternsforschung hat in den letzten Jahren bereits große Erfolge erzielt. Wir erklären euch die aussichtsreichsten wissenschaftlichen Entdeckungen für ein gesundes Altern und ein längeres Leben.
Ziele der Alternsforschung: Länger leben und gesund altern
Im hohen Alter noch fit sein und gesund länger leben - darum geht es den meisten Alternsforschern.
Alternsforscher arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir in Zukunft gesünder altern und länger leben. Sie verfolgen dabei viele unterschiedliche Forschungsansätze: Das sind unter anderem Medikamente, der Austausch von Blutplasma und der Einsatz von Stammzellen. Schon heute können Alternsforscher zum Beispiel das Leben von Mäusen, Fadenwürmern, Killifischen und Fruchtfliegen verlängern, ohne das die Tiere dabei eine lange Krankheitsspanne aufweisen. Die Wissenschaftler hoffen ihre Erkenntnisse schon bald auf den Menschen übertragen zu können.
Es gibt dabei zwei unterschiedliche Ideologien unter den Alternsforschern: Die Unsterblichkeitsvisionäre, auch "Immortalists" genannt, sind davon überzeugt, dass die menschliche Lebenszeit kein Ende haben muss. Sie arbeiten an einer Existenzverlängerung, bis hin zum ewigen Leben. Die "Immortalists" sind allerdings in der Minderheit, die überwiegende Anzahl der Wissenschaftler verfolgt ein ganz anderes Ziel:
Die sogenannten "Healthspanner", wollen weg von einer rein längeren Lebenszeit, hin zu einer verlängerten und gesunden Lebenszeit ohne Krankheiten. Ein Beispiel: Ein 90-jähriger Mensch könnte demnach in Zukunft das biologische Alter und die Fitness eines 50-jährigen haben. Es geht den Wissenschaftlern also nicht darum, dass wir beispielsweise 150 Jahre alt werden, sondern vor allem um eine verlängerte Lebensspanne, in der wir im vollen Besitz unserer körperlichen und geistigen Kräfte sind. Um dieses Ziel zu erreichen, wollen die Alternsforscher die Wurzel aller körperlicher Krankheiten angehen, das Altern.
Vorbild Supercentenarians: Fit bis ins hohe Alter
"Der Ansatz ist, dass wir versuchen, dass man nicht lange Jahre unter Krankheiten leidet, bevor man stirbt, sondern dass dieser Zeitpunkt extrem kurz ist. Wie es zum Beispiel auch bei den Supercentenarians der Fall ist, bei den Menschen, die vielleicht 110 oder 115 Jahre alt werden. Diese Menschen sind ganz lange extrem fit und haben nur eine ganz kurze Spanne, in der sie krank sind. Das ist es, was wir wollen. Wir möchten, dass jeder in den Genuss kommt, so lange wie möglich gesund zu bleiben und dann, wenn überhaupt, nur einen ganz kurzen Zeitrahmen hat, in dem man krank ist, bevor man stirbt. Und die Konsequenz könnte natürlich sein, dass man länger lebt, aber das ist nicht das primäre Ziel."
Dr. Peter Tessarz, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln
Anhören: Kann das Altern verzögert oder sogar verhindert werden?
Statistik: Die Entwicklung der durchschnittlichen Lebensdauer in Deutschland
Anschauen: Diese Maßnahmen erhöhen eure Chance auf ein langes Leben
Das ist heute schon möglich: Was ihr selbst für ein langes gesundes Leben tun könnt
Unser Lebenswandel und unsere Gene haben einen großen Einfluss auf unser Altwerden. Wie wir altern, hängt sehr davon ab, wie wir mit uns und unserem Körper umgehen. Daraus ergibt sich eine höhere oder niedrigere Tendenz altersbedingt zu erkranken. So könnt ihr eure Chancen für ein längeres und gesünderes Leben erhöhen - je früher ihr damit anfangt, desto besser wirken sich die Maßnahmen aus:
- Nikotin solltet ihr vermeiden. Auch Alkohol schadet eurer Gesundheit. Bisher galt die Empfehlung des vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) veröffentlichten Alkoholatlas 2022: Schon mehr als ein Glas Bier (0,264 Liter) oder 0,15 Liter Wein täglich ist für Frauen medizinisch gesehen ein riskanter Alkoholkonsum. Für Männer wird es ab der doppelten Menge Alkohol gesundheitlich riskant. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen hat ihre bisherigen Empfehlungen zum richtigen Umgang mit Alkohol im Jahr 2023 noch verschärft: Für die körperliche Gesundheit sei es am besten, gar keinen Alkohol zu trinken. Diese Position wird auch durch aktuelle Aussagen der WHO und des DKFZ gestützt.
- Sport treiben: Moderater Ausdauersport wie Joggen, Radfahren oder Schwimmen ist ideal. Sport aktiviert das Immunsystem, hilft dem Körper beim Stressabbau, stärkt die Muskulatur und fördert die Versorgung der Haut mit wichtigen Nährstoffen. Wer auch im Alter regelmäßig Sport treibt, kann körperliche und geistige Alterserscheinungen weiter hinauszögern.
- Eine ausgewogene niedrigkalorische Ernährung ist sehr wichtig für die Gesundheit und damit auch für ein langes Leben. Besonders förderlich ist zum Beispiel die mediterrane Ernährung: Olivenöl, Gemüse und Salat und dazu Vollkornprodukte wirken sich positiv auf ein langes und gesundes Leben aus. Forscher fanden übrigens in einem Versuch mit Mäusen heraus, dass Mäuse bei einer Kalorienreduktion um 40 Prozent 30 bis 40 Prozent länger lebten und auch gesünder alterten. Ob dieser Effekt auf den Menschen übertragbar ist, ist allerdings noch nicht ausreichend erforscht. Auch weil die Kalorienreduktion ein Leben lang aufrechterhalten werden müsste, was vielen schwerfällt. Fasten über einen kürzeren Zeitraum wirkt sich jedoch auch positiv auf unsere Gesundheit - und auf ein langes Leben aus. Der italienische Forscher Valter Longo ist einer der führenden Wissenschaftler, wenn es darum geht die positiven Effekte von Fastenphasen auf unsere Langlebigkeit zu ergründen.
- Wenn ihr UV-Strahlung vermeidet, könnt ihr Hautalterungen und Hautkrebs vorbeugen.
- Eine positive Lebenseinstellung wirkt sich auch positiv auf unser Altern aus. Forscher aus den USA haben dazu eine Studie mit 160.000 Probandinnen veröffentlicht. Das Ergebnis: Optimisten haben eine deutlich größere Chance, ein hohes Alter zu erreichen.
- Stress, Depression und Ängste solltet ihr vermeiden. Entspannung und Entschleunigung hilft Stress abzubauen. Neben professioneller Hilfe können Achtsamkeitsübungen erfolgreich sein.
- Genügend Schlaf ist wichtig. Insomnie, also dauerhafte Schlafstörungen, erhöhen das allgemeine Sterberisiko, wie eine Langzeitstudie herausfand.
- Studien zeigen: Wer soziale Kontakte, eine Familie oder einen Freundeskreis hat, erhöht seine Chancen auf ein langes Leben. Wer sich um andere kümmert, tut dies ebenfalls.
- Auch unser Bildungsabschluss entscheidet mit, wie lange wir leben. Je höher er ist, desto besser sind die Chancen auf ein langes Leben. Das belegt eine Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, die die Lebenserwartung der verschiedenen Bildungsschichten in Schweden, Norwegen und Finnland miteinander vergleicht. Denn auf diese Fragen hat Bildung einen direkten Einfluss: Wie sind die berufliche Stellung und die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt? Sind Jobs sicher oder prekär? Wie stabil ist die familiäre, wie gesund die Wohn-Situation? Überwiegen Zufriedenheit oder aber Sorgen und psychischer Stress im Alltag? Und welchen Stellenwert nimmt der Erhalt der Gesundheit im Leben ein?
- Entscheidend ist auch, mit wieviel Geld wir auskommen müssen. Forscher des University College London haben die Lebenserwartung von mehr als 25.000 Menschen in den USA und in England in einer Langzeitstudie untersucht. In der Studie wurden die Teilnehmer nach Vermögen gruppiert. Die vermögendste Gruppe wurde mit der ärmsten verglichen. Das Ergebnis: Wer wohlhabend ist, hat im Durchschnitt neun gesunde Lebensjahre mehr als jemand, der arm ist.
Auf diese Faktoren habt ihr leider keinen Einfluss:
- Forscher haben Gene gefunden, die einen direkten Einfluss auf die Langlebigkeit eines Menschen haben. Der Einfluss der Gene auf unser Altern liegt bei etwa 20 bis 30 Prozent. Mit den richtigen Genen steigt die Lebenserwartung. Je mehr Personen wir mit hohem Alter in der direkten Verwandtschaft haben, desto berechtigtere Hoffnungen können wir uns selbst auf ein langes Leben machen.
- Auch das Geschlecht hat einen Einfluss auf die Lebensdauer: Frauen leben im Durchschnitt länger. Das könnte möglicherweise an der meist gesünderen Lebensweise von Frauen und an den Chromosomen liegen: Frauen haben zwei identische X-Chromosome, Männer dagegen XY-Chromosome, das macht sie vermutlich anfälliger für Gendefekte. Und auch das Hormon Testosteron könnte bei Männern häufiger zu Herz-Kreislauferkrankungen führen.
Audio: Kann Taurin das Leben verlängern?
Lebensdauer: Rund 120 Jahre sind vermutlich auch in Zukunft die maximale Altersgrenze des Menschen
"Ich glaube, was wir erleben werden ist, dass wir mehr und mehr Menschen sehen, die über 100 Jahre alt werden. Damit wird sich auch der Durchschnitt des Alters in der Bevölkerung erhöhen. Aber einzelne Ausbrüche von Menschen, die über 120 Jahre alt werden, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Aber das ist meine persönliche Meinung, ich habe dafür keine Beweise. Darüber wird tatsächlich sehr viel diskutiert, ob es da eine natürliche Grenze gibt."
Dr. Peter Tessarz, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln
Alternsforschung: Was ist Altern und wie altern wir?
Schon mit 20 Jahren beginnt die Bildung von Falten und auch Leistungsfähigkeit und Ausdauer nehmen ab.
Alternsforscher definieren das Altern als einen mehr oder weniger kontinuierlichen und schließlich nicht mehr umkehrbaren Prozess - als eine Anhäufung von Schäden im Körper, besonders in unseren Zellen, die am Ende zum Tod führen. Bestimmt wird dieser Prozess von genetischen Faktoren, von der Lebensführung und äußeren Einflüssen. Davon hängt auch ab, wie schnell und kontinuierlich wir altern.
Eigentlich altern wir Menschen schon, bevor wir geboren werden: Bereits im Embryo finden Vorgänge statt, bei denen sich bestimmte Körperzellen zerstören. Auf diese Weise verschwinden zum Beispiel die Schwimmhäute, die der menschliche Embryo in einer frühen Entwicklungsphase zwischen Fingern und Zehen trägt. Die Bildung von Falten und die Abnahme von Leistungsfähigkeit und Ausdauer beginnen schon ab einem Alter von etwa 20 Jahren.
Den Altersrekord hält die Französin Jeanne Louise Calment: Sie wurde 122 Jahre und 164 Tage alt und verstarb am 4. August 1997. Viele Forscher nehmen an, dass ein Alter von etwa 120 Jahren die natürliche Obergrenze für den Menschen ist. Denn die durchschnittliche Lebenserwartung hat zwar im vergangenen Jahrhundert zugenommen, doch die maximale Lebenserwartung hat sich nicht viel verändert und liegt bei etwa 120 Jahren.
Wie sich der Alterungsprozess in unseren Zellen zeigt
Forscher sind den zellulären und molekularen Kennzeichen unseres Alterns auf der Spur. Sie konnten bis jetzt neun Kennzeichen, die zu unserem ziemlich komplexen Alterungsprozess beitragen und das Altern bestimmen, identifizieren. Dazu gehören unter anderem auch der Telomerverschleiß und die sogenannte zelluläre Seneszenz: Telomere sind Schutzkappen an den Enden der Chromosomen. Sie werden kürzer, je öfter sich Zellen teilen. Werden die Telomere so kurz, dass von ihnen beschützte Gene geschädigt werden könnten, stoppen die betroffenen Zellen ihre Teilung und erneuern sich nicht mehr. Diese Zellen können Entzündungen verursachen und das umliegende Gewebe schädigen, was das Altern beschleunigt und Krankheiten auslösen kann. Solche Zellen werden auch seneszente Zellen genannt, sie sind neben dem Telomerverschleiß ein weiteres Kennzeichen unseres Alterungsprozesses. Neben der Verkürzung der Telomere gibt es noch weitere Einflüsse, die einen seneszenten Zustand in einer Zelle auslösen können, zum Beispiel Schäden an der DNA.
Warum genau wir Menschen, aber auch Tiere, altern, ist noch nicht ausreichend erforscht und verstanden. Es gibt viele verschiedene Theorien dazu. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Altern nur ein Nebeneffekt und kein planmäßiger Vorgang in der Entwicklung eines Organismus ist. Es haben sich keine Gene gebildet, die Schäden und Tod verursachen. Dies könnte auch erklären, warum das Altern von Mensch zu Mensch und bei verschiedenen Tierarten ganz unterschiedlich verläuft.
Altern im Tierreich: So unterschiedlich altern Tiere
Länger leben: Forschungsansatz Medikamente
Medikamente wie Rapamycin, Metformin und auch Senolytika sind vielversprechende Forschungsansätze gegen das Altern.
Weltweit werden gerade Medikamente getestet, die eigentlich gegen Krankheiten wie zum Beispiel Diabetes oder Krebs eingesetzt werden, die aber auch das Altern erheblich beeinflussen könnten. Wie zum Beispiel das Immunsuppressivum Rapamycin: Es ist bereits zur Hemmung der Immunabwehr, im Zusammenhang mit Nierentransplantationen, bei denen man vermeiden möchte, dass der Körper das fremde Organ angreift, zugelassen. Gleichzeitig ist Rapamycin ein vielversprechender Anti-Aging-Kandidat. Das Medikament hat bei Mäusen bereits eine lebensverlängernde Wirkung gezeigt. Doch die genaue Wirksamkeit, die Dosierung und langfristige Nebenwirkungen beim Menschen müssen unter anderem noch weiter erforscht werden. Da Rapamycin das Immunsystem unterdrückt, drohen bei dauerhafter Einnahme Infekte. Es ist ein aussichtsreiches Medikament im Kampf gegen das Altern, doch momentan können altersassoziierte Krankheiten, oder sogar das Altern an sich, mit Rapamycin noch nicht behandelt werden.
Länger gesund leben durch das Medikament Metformin?
Auch das Medikament Metformin, das eigentlich Diabetikern verschrieben wird, ist ein Hoffnungsträger. Bei gesunden Mäusen, Fliegen und Fadenwürmern wurde bereits eine lebensverlängernde Wirkung nachgewiesen. 2019 kombinierte der Alternsforscher Greg Fahy Metformin mit Hormonpräparaten und verabreichte die Medikamente neun Männern in den USA, um ihren Thymus zu regenerieren. Der Thymus ist ein Organ hinter dem Brustbein und wichtig für das Training von neuen Abwehrzellen. Doch je älter wir werden, desto kleiner wird der Thymus. Indem man das Organ verjüngt, verjüngt sich auch das Immunsystem. In der Studie wurde nicht nur der Thymus wieder größer, sondern auch die epigenetische Uhr der Teilnehmer wurde zurückgedreht, ihre Körper verjüngten sich um 18 Monate. Es gab bei der Studie jedoch keine Kontrollgruppe, die ein Placebo nahm.
Inzwischen wurde durch neuere Studien auch bekannt, dass der Zeitpunkt der Einnahme von Metformin entscheidend ist. Die gleiche Metformin-Behandlung, die zum Beispiel bei jungen Fadenwürmern die Lebensdauer verlängerte, war bei alten Tieren toxisch. Wie Menschen auf Metformin reagieren, wenn es in unterschiedlichem Alter verabreicht wird, ist bisher noch nicht bekannt, es wird aber daran geforscht. Die erste Studie mit rund 3.000 Teilnehmern bei der Forscher herausfinden wollen, ob Metformin das Eintreten altersassoziierter Krankheiten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe nach hinten schieben kann, hat bereits begonnen. Es ist einer der ersten Versuche von Wissenschaftlern Alterung wirklich direkt anzugreifen. Die Ergebnisse der Studie werden in zehn bis 15 Jahren erwartet.
Helfen Medikamente gegen seneszente Zellen, um länger zu leben?
Wissenschaftler forschen auch an neuen Medikamenten gegen sogenannte seneszente Zellen. Denn Zellen haben ein Verfallsdatum: Haben sie sich oft genug geteilt, werden sie alt oder sind beschädigt und begehen meistens zellulären Selbstmord. Aber manchmal auch nicht, dann entwickeln sie sich zu seneszenten Zellen - auch Zombiezellen genannt. Sie sind äußerst schädlich für das umliegende Gewebe und benachbarte gesunde Zellen und lassen uns altern. Unsere Immunzellen können seneszente Zellen eliminieren, doch die Fähigkeit des Immunsystems, für Ordnung zu sorgen, nimmt mit dem Alter ab. Wissenschaftler haben in Versuchen mit Mäusen festgestellt: Wenn seneszente Zellen gezielt aus dem Gewebe entfernt werden, dann kann das zur Langlebigkeit dieser Organe und des gesamten Organismus beitragen.
Es gibt bereits vielversprechenden Medikamente, sogenannte Senolytika, die seneszente Zellen zerstören und andere gesunde Zellen weiterleben lassen. In Tiermodellen haben Senolytika bereits erfolgreich ihre verjüngende Wirkung bewiesen, beim Menschen sind diese Medikamente jedoch noch nicht ausreichend auf eine positive Wirkung und auf Nebenwirkungen getestet. Einige Medikamente sind in der klinischen Phase eins und zwei, konkrete Ergebnisse gibt es aber noch nicht.
Video: Wie wirksam können Medikamente das Altern aufhalten?
Die Epigenetische Lebensuhr Wichtiges Messinstrument in der Alternsforschung
Die Epigenetische Lebensuhr kann unser biologisches Alter genau bestimmen.
Der deutsch-amerikanische Humangenetiker und Biostatistiker Steve Horvath ist Professor an der University of California in Los Angeles und fand 2013 heraus, dass in jeder Zelle eine biologische Uhr tickt. Er entdeckte die sogenannte Epigenetische Lebensuhr. Anhand einer DNA-Analyse aus einer Zellprobe, wie zum Beispiel einer Blut-, Speichel- oder Urinprobe, kann die Epigenetische Lebensuhr mit großer Genauigkeit das biologische Alter einer Zelle anzeigen und auch das Alter eines Menschen bestimmen. Denn Steve Horvath hat herausgefunden, dass sich die DNA im Laufe des Lebens an bestimmten Stellen verändert. Diese Veränderungen der DNA zeigen ein vom biologischen Alter abhängiges Muster, das ausgelesen werden kann. In der Alternsforschung ist die Epigenetische Lebensuhr ein wertvolles Messinstrument, weil sie Forschern auf Zellebene schnell anzeigt, ob eine neue Entwicklung wirkt oder nicht.
Video: Der Einfluss der Gene auf das Altern
Junges Blut für ein langes Leben: Forschungsansatz Blutplasmatherapie
Bei der Blutplasmatherapie wird junges Blutplasma älteren Organismen transferiert.
Der Schweizer Tony Wyss-Coray, Neurowissenschaftler an der Stanford-Universität, forscht an einer Blutplasmatherapie gegen die Krankheit Alzheimer und gleichzeitig gegen das Altern. Er fand heraus, dass bestimmte Proteine im Blutplasma den Organismus von alten Mäusen verjüngen können. Er transferierte alten Mäusen Blutplasma von jungen Artgenossen. Die alten Mäuse wurden wieder gesünder und kräftiger und ihr Gedächtnis verbesserte sich. Blutplasma weist keine körpereigenen Blutzellen mehr auf und ist eine gelbliche Flüssigkeit, die Proteine und Hormone enthält. Die im Blutplasma enthaltenen Proteine sind wohl der Schlüssel zur Verjüngung. Wyss-Coray will nun herausfinden, welche Proteine es genau sind, die verjüngend wirken. Doch die Suche kann dauern: Rund 10.000 Proteine im Blutplasma sind bekannt.
Die Blutplasma-Therapie wurde schon an Menschen getestet. In ersten klinischen Studien bekamen an Alzheimer erkrankte Menschen regelmäßig Blutplasma-Infusionen von jungen Spendern. Die Resultate sind vielversprechend. Die Erinnerungsfähigkeit und die Fähigkeit zur Bewältigung alltäglicher Aufgaben verbesserte sich bei den Patienten. Es gab allerdings nur 18 Studienteilnehmer, von denen 9 das junge Blut und 9 ein Placebo erhielten. Es fehlt noch eine sogenannte Phase-3-Studie mit einer großen Anzahl von Teilnehmenden, die eine statistisch signifikante Auswertung ermöglicht. Hat diese Studie Erfolg, könnte eine Zulassung für die Blutplasma-Therapie in naher Zukunft beantragt werden.
Auf diese Ergebnisse wollte ein amerikanisches Start-up namens "Ambrosia" jedoch nicht warten und bot Kunden bereits junges Blutplasma gegen 8.000 Dollar pro Infusion an. Die Firma stützte sich dabei auf Experimente von Tony Wyss-Coray und verkaufte ihr Blutplasma als Therapie im Rahmen einer klinischen Studie. Die amerikanische Aufsichtsbehörde Food and Drug Administration (FDA) schritt ein und stoppte die Plasma-Infusionen, weil sie den deutlichen Nachweis eines Nutzens für Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen, wie zum Beispiel Alzheimer, nicht gegeben sah.
Länger leben: Forschungsansatz Stammzellentherapie
Lässt sich mit Hilfe von Stammzellen unsere biologische Uhr zurückdrehen und ein ganzer Organismus verjüngen?
Unser Körper verliert im Laufe des Lebens ständig Zellen, deshalb muss er sie erneuern und nachbilden. Stammzellen haben sich auf diese Tätigkeit spezialisiert. Sie spielen beim Altern eine wichtige Rolle, da sie mitbestimmen, wie gut sich der Körper regenerieren und instandhalten kann. Doch die Stammzellen büßen, je älter wir werden, ihre Funktionalität ein und können die verloren gegangenen Zellen schlechter ersetzen. Die Folge: Wir können im Alter weniger neue Immunzellen bilden und Verletzungen schlechter wegstecken - der Körper altert.
Wissenschaftler forschen deshalb an einer Stammzelltherapie, um unser Altern zu stoppen. Sie spritzten bereits älteren Mäusen erfolgreich Stammzellen von jungen Mäusen und verlängerten so ihr Leben. Schon jetzt wird die Stammzelltherapie genutzt, um die Regeneration sonnengeschädigter Haut zu fördern sowie bei speziellen Behandlungen gegen einige Sportverletzungen. Weltweit forschen Wissenschaftler daran, Organe, Gewebe und Zellen im Labor mit Hilfe von Stammzellen zu erschaffen. Sie verwenden dabei sogenannte pluripotente Stammzellen, die sich zu anderen Arten von Zellen, wie zum Beispiel einer Hautzelle, wandeln können. Neben dem komplexen Herstellungsprozess gibt es zwei weitere Probleme: Das erste Problem ist unser Immunsystem, das erkennt, dass die neu erschaffenen Zellen nicht unsere körpereigenen sind - deshalb greift es sie an. Das zweite Problem ist ethisch bedingt: Die pluripotenten Stammzellen stammen meist aus Embryonen, die bei einer künstlichen Befruchtung übriggeblieben sind. Ist die wissenschaftliche Nutzung dieser Zellen Mord oder nicht?
Der Japaner Shin‘ya Yamanaka fand eine Lösung für diese beiden Probleme: Für die Entdeckung von sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen erhielt er 2012 den Nobelpreis für Medizin. Ihm gelang es Zellen zu reprogrammieren, also eine vollentwickelte Zelle, wie zum Beispiel eine Hautzelle, wieder zu einer pluripotenten Stammzelle werden zu lassen. Dies geschieht durch das Hinzufügen von vier Faktoren, die auch Yamanaka-Faktoren genannt werden. Durch die induzierten pluripotenten Stammzellen gibt es kein ethisches Dilemma, weil es sich um körpereigene Zellen handelt und auch ein Angriff des Immunsystems wird deshalb verhindert.
Mit Hilfe der Epigenetischen Lebensuhr lässt sich messen, dass induzierte pluripotente Stammzellen das Alter von Stammzellen eines Embryos haben. Lässt sich also mit den Yamanka-Faktoren auch unsere biologische Uhr zurückdrehen und ein ganzer Organismus verjüngen? Forscher haben Mäuse gezüchtet, in deren Zellen man die vier Yamanaka-Faktoren beliebig an- und ausschalten kann. Dabei zeigte sich: Sind die Faktoren ständig aktiviert, wachsen Krebszellen. Und dreht man die Zellen zu weit zurück, verlieren sie ihre Identität und können wichtige Funktionen im Körper nicht mehr erfüllen. Werden die Yamanaka-Faktoren dagegen in regelmäßigen Abständen in den Mäusen aktiviert, leben sie länger und können sich besser regenerieren. Können diese Ergebnisse schon bald auf den Menschen übertragen werden?
Stammzelltherapie: Ein Ansatz zur Behandlung bestimmter Krankheiten
"Ich glaube, das ist der Ansatz, der am weitesten ist, weil er in Kliniken teilweise schon benutzt wird. Hierzu gibt es sehr viele klinische Studien. Da reden wir aber von einer Behandlung bestimmter Indikationen, ein Beispiel ist Osteoporose. Da gibt es einige Ansätze mit denen man versucht die Krankheit zu behandeln, um das Gewebe zu reparieren, diese Versuche sehen alle sehr positiv aus. Aber das sind Ansätze gegen bestimmte Krankheiten und nicht ein genereller Ansatz, um das Altern per se zu behandeln. Das ist tatsächlich glaube ich mit der Stammzelltherapie nahezu unmöglich, weil wir über verschiedene Gewebe reden und in jedem Gewebe gibt es verschiedene Stammzelltypen, die dafür nötig sind das Gewebe zu reparieren."
Dr. Peter Tessarz, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln
Verlängerte Lebenszeit: Forschungsansatz Reparatur des Epigenoms
Ist die Reparatur des Epigenoms möglicherweise der Schlüssel für ein langes Leben?
Professor Vittorio Sebastiano und sein Team an der Stanford-Universität in den USA wollen das Leben verlängern, indem sie das Epigenom reparieren. Das Epigenom ist das System in unserem Körper, das entscheidet, welche Gene aktiv sind und welche nicht - und welche Funktion eine Zelle hat, ob sie zum Beispiel eine Haut- oder eine Muskelzelle sein soll. Mit Hilfe der mRNA-Technologie injizieren die Forscher einer Zelle dafür einen RNA-Bauplan für ein spezifisches Protein. Wenn die Zelle den Bauplan umsetzt, entsteht ein körpereigenes Instrument, das in den Zellkern gelangt und das Epigenom repariert.
Dieser Prozess funktioniert auch bei Geweben. Sebastiano und sein Team konnten 2020 nachweisen, dass sich so Muskelkraft von alten Mäusen wiederherstellen lässt. Andere Forscher konnten bei alten, erblindeten Mäusen die Sehkraft wiederherstellen. Auch der Alterungsprozess der menschlichen Haut-, Muskel- und Blutzellen konnte schon umgedreht werden. Die Forscher arbeiten noch daran, die richtige Dosierung zu finden, Nebenwirkungen zu minimieren und die Epigenom-Reparatur besser zu kontrollieren. Mit ihr will Sebastiano auch jugendliche Haut wiederherstellen. Das könnte die Wundheilung bei alten Menschen beschleunigen. Und es gibt auch die Hoffnung mit Hilfe der Epigenom-Reparatur graue Haare wieder in ihrer ursprünglichen Farbe sprießen zu lassen. Klinische Studien mit freiwilligen Versuchspersonen sollen bald starten.
Alternsforscher Dr. Peter Tessarz: "Das ist wahrscheinlich gerade der hippste Ansatz, aber das ist leider auch der Ansatz, der am wenigsten weit ist überhaupt."
Frage: Welcher Forschungsansatz ist am vielversprechendsten?
"Ich glaube, es wird eine Kombination sein. Die Hoffnung ist, dass man nicht nur ein Mittel nimmt, sondern zwei, drei Mittel kombinieren kann und dann vielleicht mit Ernährung und Bewegung ein Zusammenspiel finden kann, was dazu führt, dass wir länger leben. Für ein einzelnes Mittel ist es zu komplex. Die Frage wird auch sein, wie weit das personalisiert sein muss, weil jeder dann doch andere Probleme und Alterswege hat. Aber ich glaube nicht, dass es so einfach ist, dass man ein Medikament finden wird, das für alle funktionieren wird. Ich denke, es wird ein Ansatz sein, der breiter sein muss."
Dr. Peter Tessarz, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln
Anschauen: So realistisch ist Unsterblichkeit
Blick in die Zukunft: Was spricht dafür unser Leben zu verlängern und was dagegen?
Hält unser Planet es aus, wenn wir unsere Lebenszeit verlängern? Wie gut wären wir als Gesellschaft darauf vorbereitet?
Das Interesse für die Forschung an der Langlebigkeit ist riesig. Die Alternsforschung boomt. Viele Investoren und auch wohlhabende Prominente, wie der Amazon-Gründer Jeff Bezos oder der Google-Gründer Larry Page, finanzieren Verjüngungsprojekte. Weil Altern uns alle betrifft, sind die Marktchancen gewaltig. Doch was wäre, wenn die Wissenschaftler tatsächlich bald Erfolg hätten und wir mit Hilfe der Forschung länger leben könnten? Wollen wir das wirklich? Wie würden wir unser Leben dann gestalten? Wäre es moralisch vertretbar eine Medizin gegen das Altern auf den Markt zu bringen?
Auf der einen Seite könnte uns eine radikale Lebensverlängerung neue Möglichkeiten der Selbstverwirklichung eröffnen. Wir hätten auch mehr Zeit für die Familie und könnten die eigenen Kinder und Enkelkinder länger begleiten. Vielleicht würden wir einen anderen Beruf wählen. Und wenn wir länger gesund leben, würde das unsere Lebensqualität steigern und auch Kliniken, Pflegeheime und unser Gesundheitssystem wären weniger überlastet.
Doch hält unser Planet das aus, wenn wir unsere Lebenszeit verlängern? Stichwort Überbevölkerung? Und ist es sozial gerecht, wenn Menschen in einem Teil der Welt nur knapp 50 Jahre alt werden und sich andere Menschen mit viel Geld Lebenszeit erkaufen können? Wie gut ist die Gesellschaft darauf vorbereitet? Wären Ressourcen noch umkämpfter? Könnte es Spannungen zwischen Jung und Alt geben, weil die Alten ihren Platz nicht räumen würden? Und wäre noch genügend Platz für neue Entwicklungen, Ideen, Denkweisen und eine andere Politik, wenn sich Generationen nicht ablösen? Das alles müssten wir uns fragen und Antworten finden, wenn die Wissenschaft tatsächlich ein verträgliches Mittel gefunden hat, wie wir unsere biologische Uhr zurückdrehen können.
Video: Hilfreich für ein langes Leben
Frage: Wird es bald soweit sein, dass wir länger gesund leben können?
"Ich bin optimistisch, dass wir das schaffen. Die Frage ist natürlich - was ist bald? Ich denke zehn, 15, 20 Jahre wird die Forschung noch brauchen, um da etwas Generelles hinzukriegen. (…) Das Problem ist einfach die Zeitspanne - wir leben sehr lange. Bis Ergebnisse kommen, dauert es dementsprechend auch lange. Die Medikamentenentwicklung dauert selber noch mal 20 bis 30 Jahre. Wenn das Metformin funktionieren sollte, dann wissen wir vielleicht auch schon etwas in fünf Jahren, wenn das nicht funktioniert und wir weitersuchen müssen, dann brauchen wir vielleicht noch zehn, 15 oder 20 Jahre. Die Generation, die jetzt gerade geboren ist, die wird mit Sicherheit davon profitieren."
Dr. Peter Tessarz, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln
Mehr Wissen: Quellen und Sendungen findet ihr hier
- "Altersforschung": aktiv und gesund, BR, 16.10.2024, 15.00 Uhr
- "Wie wir altern": treffpunkt medizin, ARD alpha, 14.09.2024, 17.00 Uhr
- "Altern ohne alt zu werden": alpha-thema: Medizin und Gesundheit, 08.05.2024, 22.15 Uhr
- "Stammzellen heiß begehrt": ARD alpha, 18.03.2024, 08.00 Uhr
- "Alternsforschung: Können Anti-Aging-Medikamente Altern bremsen?": Gesundheit!, BR Fernsehen, 30.04.2024, 19.00 Uhr
- "Altern: Ein unvermeidlicher Prozess?": IQ - Wissenschaft und Forschung, Bayern 2, 25.07.2023, 18.05 Uhr
- "Alternsforschung: Kann Taurin das Leben verlängern?": IQ - Wissenschaft und Forschung, 12.06.2023, 18.05 Uhr
- "Blue Zones - Hundert Jahre alt und gesund": nano, ARD alpha, 01.02.2023, 03.15 Uhr
- "Elizabeth Blackburn: Warum altern wir?": alpha-thema, ARD alpha, 28.07.2021, 23.00 Uhr
- "Was ist gut für ein langes Leben": Gut zu wissen, BR Fernsehen, 21.03.2020, 19.00 Uhr
- "Die Formel für ein langes Leben: Was Forscher über das Altern wissen!": quarks, WDR, 22.09.2020, 20.15 Uhr
- "Alt ohne Altern - Das Drehen an der Lebensuhr hat begonnen": Wissenschaft im Brennpunkt, Deutschlandfunk, 01.01.2020
- Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns
- Deutsche Gesellschaft für Alternsforschung
- Netzwerk Alternsforschung der Universität Heidelberg
- Leibniz-Institut für Alternsforschung
- Brendborg, Nicklas: Quallen altern rückwärts – Was wir von der Natur über ein langes Leben lernen können, Eichborn Verlag, Köln 2022.