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Weniger Fleischkonsum Rettung vor der Weizenkrise?

Der Krieg in der Ukraine könnte zu einer Krise auf dem Lebensmittelmarkt führen. Denn die Ukraine und Russland sind bedeutende Exporteure für Getreide. Wie können wir das kompensieren? Fleischverzicht allein reicht nicht, sagen Experten.

Stand: 23.03.2022 10:37 Uhr

Getreidefeld | Bild: picture-alliance/dpa

Nudeln, Brot und andere Getreideprodukte - all das könnte künftig knapp werden. Nicht nur wegen des Klimawandels und der damit einhergehenden Ernteausfälle. Auch der Krieg in der Ukraine könnte unsere Lebensmittelversorgung beeinflussen.

Schließlich sind die Ukraine und Russland bedeutende Exporteure auf dem internationalen Getreidemarkt. Ein Drittel der weltweiten Weizen-Exporte kommt von dort. Und weil weltweit 20 Prozent des Getreides an Tiere verfüttert werden - in der EU sind es sogar 60 Prozent - denken viele: Weniger Fleisch essen sei die Lösung des Problems. Denn weniger Fleisch hieße auch weniger Getreide. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Getreide und die Rolle der Massentierhaltung

Ferkel, sogenannte Mamasauen und Mastschweine erhalten in der Massentierhaltung vorwiegend Weizen und Mais zu fressen. Auch das Standardfutter von Milchkühen besteht gut zur Hälfte aus Weizen. Bis zu fünf Kilogramm fressen die Tiere davon am Tag.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert angesichts der ausbleibenden Getreide-Importe aus Russland und der Ukraine deshalb, die Anzahl der Tiere in der Massentierhaltung in den kommenden Jahren um ein Drittel zu reduzieren. Damit könnten laut der Umweltschutzorganisation die ausbleibenden Getreide- und Speiseöllieferungen in die EU für Tierfutter ausgeglichen werden.

"Wer dauerhaft bezahlbare Lebensmittel will, muss unabhängiger werden von immer teurer werdenden Importen. Das gelingt durch eine beschleunigte Reduzierung der Tierzahlen."

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH

Das gleiche gelte laut Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, für die obendrein klimaschädlichen synthetischen Düngemittel aus Russland, von denen die konventionelle Landwirtschaft abhängig sei. "Nur mit ökologischer Landwirtschaft und reduzierten Tierzahlen können wir Abhängigkeiten beenden und Preisentwicklungen besser kontrollieren", wird er in einer Ende März veröffentlichten Pressemitteilung zitiert.

Mehr Getreide für Lebensmittel: Fleischverzicht allein reicht nicht

Weil wir Menschen für Lebensmittel aber weniger Futtermais und Gerste brauchen - was die Tiere verfüttert bekommen - sondern eher Weizen, Dinkel und Roggen, reicht es eben nicht aus, wegen der fehlenden Getreide-Importe nur auf Fleisch zu verzichten. Anstatt derzeit vielfach Futtermais und Gerste müssten auf den Feldern künftig mehr Weizen, Dinkel und Roggen angebaut werden.

Diese Umstellung ist aber nicht einfach: Die ökologischen Bedingungen am jeweiligen Standort spielen dafür ebenso eine Rolle wie die betriebliche Ausstattung der Landwirte und deren Geschäftsmodell. Auch wären dafür politische Entscheidungen zu Lasten der Fleischindustrie notwendig.

Kritik: Flächenverschwendung in der Landwirtschaft

So arbeiten die Agrarministerinnen und -minister der EU-Mitgliedstaaten an Plänen, die Landwirtschaft weiter zu "intensivieren", das heißt: Mehr Ertrag auf weniger Fläche sowie neue Flächen für den Ausbau des Anbaus.

"Weltweit 50 Prozent der Fläche, die von Tieren oder Pflanzen bewohnt werden, sind schon für die Landwirtschaft im Einsatz. Da hat man keine Möglichkeit mehr, das auszudehnen und wenn man es ausdehnen würde, dann ginge das zu sehr hohen Kosten für die Artenvielfalt und das Klima."

Peter Breunig, Professor an der Fakultät für Landwirtschaft, Lebensmittel und Ernährung an der Technischen Universität München-Weihenstephan

Landwirtschaft der Zukunft: Mehr Getreide statt Biokraftstoff

Der Wissenschaftler sieht deshalb eine andere Lösung. Mehr Weizen für unser Brot und unsere Semmeln: Das könnte seiner Ansicht nach gelingen, wenn wir gemeinsam auf Fleisch verzichten und auf Biokraftstoff. Denn rund sieben Prozent des Getreides in der EU werden derzeit für Bioethanol und Bioenergie genutzt. Viel zu viel, wie Breunig findet. Die USA nutzen sogar 40 Prozent ihres Maisertrags für die Herstellung von Biokraftstoff.

Bisher behindern aber wirtschaftliche Interessen einzelner Länder und Regierungen immer wieder gemeinsame agrarpolitische Anstrengungen. Auch fielen in den vergangenen Jahren die freiwilligen Beiträge der Geberländer zum World Food Programm häufig weit geringer aus als erwartet. Die momentane Lebensmittelkrise durch den Krieg in der Ukraine zwingt aber dazu, eine Frage endlich anzugehen: Wie wollen wir mit unseren begrenzten Flächen auf der Welt sinnvoll umgehen? Denn die Fläche auf der Erde ist "irgendwann der limitierende Faktor", wie Breunig sagt. Für den Wissenschaftler ist diese Krise "so eine Art Beschleuniger, um über diese Flächenthemen mehr nachzudenken."

Landwirtschaft und Flächennutzung - über diese Themen werden wir in Zukunft laut Breunig mehr nachdenken müssen. Schließlich gibt es nur eine Erde, um uns alle zu ernähren.


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