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Riesige Wellen Monsterwellen, die stürmischen Kaventsmänner

Lange Zeit galten sie als Seemannsgarn, doch es gibt sie wirklich: Riesenwellen, die selbst große Schiffe zerstören und in die Tiefe reißen. Inzwischen weiß man, wie und wo diese Wassergiganten entstehen.

Stand: 26.11.2020

Riesenwelle | Bild: picture-alliance/dpa

Nordatlantik, 12. Dezember 1978: Das 261 Meter lange Frachtschiff München gerät auf dem Weg von Bremerhaven in die USA in einen Orkan. Drei Stunden nach dem letzten Funkkontakt sendet das Schiff SOS. Es ist das letzte Lebenszeichen der München und ihrer 28-köpfigen Besatzung. Nur ein Rettungsboot wird später gefunden, das noch an seiner Verankerung hängt. Dadurch lässt sich rekonstruieren: Eine mindestens 25 Meter hohe Welle muss das Schiff zerstört haben.

Was ist ein "Kaventsmann"?

Kaventsmann wird in Westdeutschland ein großer, stattlicher Mann oder Gegenstand genannt. Die Herkunft des Wortes ist unklar. Möglicherweise stammt es von "Konventsmann", einem - dem Klischee nach dicken - Mönch, oder von "Kavent", einem altertümlichen Wort für "Bürge". In der Seemannssprache ist ein Kaventsmann eine Riesenwelle.

Monsterwellenwetter

Die "München" wurde 1978 vermutlich von einer Riesenwelle versenkt.

In manchen Meeresregionen treten regelmäßig Wetterverhältnisse auf, bei denen Riesenwellen entstehen können. Tiefdruckgebiete, die rasch ostwärts ziehen, sind mit starken Winden verbunden, die hohe Wellen erzeugen. Ein typisches Gebiet dafür ist beispielsweise der zentrale Nordatlantik. Dort hat der Wind eine lange Anlauffläche, um die Wellen anwachsen zu lassen. Sie können dort leicht eine Höhe von 15 Metern erreichen, einzelne auch von dreißig Metern und mehr.

Wellen gehen auf eine lange Reise

Von der Entstehung einer Welle, bis sie auf die Küste trifft, kann sie Hunderte von Kilometer zurücklegen. Das Wasser ist das Transportmittel und die Wellen sind die weitergeleitete Energie, die meist vom Wind stammt. Lange und flache Wellen reisen schneller, hohe wiederum bremsen sich selbst aus. Die Wassermoleküle bewegen sich dabei auf kreisförmigen Bahnen. Je tiefer das Wasser ist, desto kleiner werden die Kreisbewegungen. Stoßen diese auf den Meeresboden, dann entstehen Brandungswellen. Die oberen Wassermoleküle bewegen sich weiter, bis sie auf ein Ufer treffen und sich brechen.

Monsterwellen am Nordstrand von Nazaré ziehen Surfer aus der ganzen Welt an. Ein Canyon und besondere Winde lassen die riesigen Wellen entstehen.

Am Nordstrand von Nazaré in Portugal können Wellen 30 Meter und höher werden. Ein Eldorado für Big-Wave Surfer, denn es entstehen besonders im Frühjahr und Herbst noch höhere Wellen als auf Hawai. Geologischen Bedingungen sind dafür verantwortlich. Ein Unterwasser-Canyon vor der Küste beschleunigt die ankommenden Wellen, die dann von der Canyon-Wand abrupt abgebremst werden. Die Folge ist ein sogenannter Shoaling-Effekt: Die Wellen werden kürzer, und ihre Energie entlädt sich in die Höhe. Treffen diese Wellen dann mit den langsameren Wellen aus dem Flachwasser zusammen, erfolgt ein weiterer Schub in die Höhe. Zuletzt können sie sich noch mit der entgegenkommenden Küstenströmung addieren. Passt alles zusammen, dann ist die perfekte Welle für Big-Wave-Surfer geschaffen.

Vom Wind getrieben

Riesenwellen werden, wie alle Wellen mit Ausnahme von Tsunamis, vom Wind erzeugt. Er treibt den Seegang an. Aus diesen Bewegungen entwickeln sich höhere Wellen, die immer mehr anwachsen, besonders dann, wenn Windgeschwindigkeit und Wellengeschwindigkeit etwa gleich sind. Der Wind wirkt in diesem Fall immer wieder an den gleichen Stellen auf die Wellen ein und verstärkt sie.

Überlagert und verstärkt

Im Seegangsbecken des Instituts für Schiffs- und Meerestechnik der Technischen Universität Berlin werden "Monsterwellen" simuliert.

Wellen können sich auch gegenseitig verstärken, wenn sie sich treffen oder einander einholen. Wenn die Wellenberge an einem bestimmten Punkt zusammentreffen, kommt es zu einer Überlagerung und die Einzelwellen türmen sich zu einem einzigen Brecher auf. Diese Welle kann sogar deutlich höher als die Summe der Einzelwellen sein. Warum das so ist, welche Kräfte dabei genau wirken und wie sie miteinander reagieren, ist eine der großen ungelösten Fragen der Wellenforschung.

Von kleinen und großen Schiffen

Eine Fähre im Sturm vor der Atlantikküste

Eine Riesenwelle ist allerdings nicht per se gefährlich. Ein kleines Schiff kann über eine hohe, aber sehr lange Welle wie eine Ente hinwegschwimmen, ohne dass die Besatzung sie bemerkt. Bei einem größeren Schiff hingegen kann eine lange Welle ein so langes Tal verursachen, dass sich sowohl unter dem Bug als auch unter dem Heck ein Wellenberg befindet. Das Schiff dazwischen hängt dann quasi in der Luft, wird durchgebogen und kann auseinanderbrechen.

Gefährlicher Wassereinbruch

2001 rollte im Südatlantik eine 35 Meter hohe Welle über die MS Bremen. Danach trieb sie eine halbe Stunde lang manövrierunfähig durch den Orkan.

Die größte Gefahr, die von Extremwellen ausgeht, ist aber nicht, dass sie auf einen Schlag ein Schiff auseinanderreißen können, sondern, dass Wasser in empfindliche Bereiche gelangt. Typische Schwachstellen sind die Brücke, die Ladeluken und Panoramafenster. Das Wasser kann dort eindringen und dann Elektrik und Motoren lahmlegen. Das Schiff wird manövrierunfähig und ist den Wellen hilflos ausgeliefert.

Riesenwelle im Mittelmeer

Die von einer Welle zerstörten Bugfenster der "Louis Majesty"

Gefährliche Wellen rollen nicht nur über die Ozeane, sondern auch durch das Mittelmeer. Am 3. März 2010 wurde das 207 Meter lange Kreuzfahrtschiff Louis Majesty auf dem Weg von Barcelona nach Genua von acht Meter hohen Wellen getroffen. Die durchschnittliche Wellenhöhe lag zuvor bei drei Metern. Die Riesenbrecher zerstörten die Panoramafenster des Salons und fluteten den Raum. Zwei Passagiere starben, 14 wurden verletzt. Die Welle hätte aber noch deutlicher höher sein und Schlimmeres anrichten können.


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