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Folge 7 Verfälschung, Manipulation und Klischees

Journalisten sind der Wahrheit verpflichtet. Sie dürfen nichts erfinden und manipulieren. Wie kann der Zuschauer oder Leser zwischen subjektiver Berichterstattung und Verfälschung von Nachrichten unterscheiden?

Stand: 21.10.2011 | Archiv

Proteste in Kairo | Bild: picture-alliance/dpa

Fälschung und Manipulation von Aussagen

Der Schweizer Journalist Tom Kummer wurde im Mai 2000 Grund eines Medienskandals: Als "Phantom-Interviews" entlarvten der Focus und kurz darauf der Spiegel seine gefragten Interviews mit den größten Stars aus Hollywood; mit Stars, die sonst kaum ein Journalist zu fassen bekam. Das vielfach preisgekrönte Magazin der Süddeutschen, das Kummers gefälschte Interviews gedruckt hat, geriet ins Kreuzfeuer der Kritik, die Glaubwürdigkeit der SZ stand in Frage. Kummers Erklärung: "Mir ging es immer darum, die Definition, was Realität ist und was Fiktion, in Frage zu stellen ... Ich wollte die Medientheorie erweitern." Das SZ-Magazin habe ihm Raum für diesen Borderline-Journalismus gewährt. Der Dokumentarfilmer Miklos Gimes produzierte 2011 einen Film über den gefeierten Starreporter. Angesichts der Plagiatsvorwürfe gegen Politiker ist die Suche nach Wahrheit immer noch aktuell.

Michael Born

Angeblicher Quotendruck machte den Filmemacher Michael Born erfinderisch. Mit seinen gefälschten Reportagen über rechtsradikale Umtriebe und Krisengebiete in aller Welt, versorgte er verschiedene – wie er meint, grenzenlos sensationsgierige – Fernsehsender so lange, bis sie ihm 4 Jahre Haft wegen "Volksverhetzung und Urkundenfälschung" einbrachten.

Die Grenze zwischen Subjektivität bei der Auswahl von Information, Kamera-Einstellung und der Kommentierung der Bilder sowie Manipulation verläuft dort, wo der Journalist "wider besseres Wissen etwas seiner Klientel mitteilt. In dem Moment fängt er an, die Unwahrheit zu erzählen, die Lüge, die ihm selber bewusst ist." So Peter Sartorius, ehemaliger leitender Redakteur der SZ.

Nicht nur einzelne Journalisten manipulieren bisweilen: Die Kriegsberichterstattung steht meist unter Zensur. So täuschte die offizielle Berichterstattung aus den Golfkrieg z.B. einen sterilen Krieg ohne alle zivilen Opfer vor.

Fäschung und Manipulation von Bildern

Wir sind Augentiere, wir glauben, was wir sehen. Im Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung, durch die Wirklichkeit perfekt nachgebildet und simuliert werden kann, sind wir der Täuschung noch stärker ausgeliefert. Die verführerische Macht der Bilder begleitet uns von Kindesbeinen an. Wer von etwas nur ein Bild hat, ohne es je real erfahren zu haben, hält das Bild für das Reale.

Weil die Fotografie – im Unterschied zur Malerei – als präzise Reproduktion des Wirklichen gilt, eignet sie sich besonders zur Manipulation. Dies nutzte schon Stalin gezielt aus: Er ließ unliebsame Personen aus seinen repräsentativen Fotos herausretuschieren, damit sie aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwanden. Mit der Manipulations- oder Montagtechnik spielen nicht nur viele Fotokünstler, sondern auch die Sensationspresse. Das Problem bei letzterer ist: Durch die Digitalisierung ist es kaum mehr möglich, den Wahrheitsgehalt einzelner Bilder zu überprüfen, die Grenzen zwischen Original und Fälschung sind fließend.

Dieselbe Möglichkeit zu lügen haben bewegte Bilder: Wir lachen über den technisch einfachen Trick, durch den Tom Hanks in Forrest Gump dem zur Drehzeit längst toten J. F. Kennedy die Hand schüttelt. Aber bedrohlich wäre es, wenn auch Nachrichtenfilme derart getürkt würden. Die technischen Möglichkeiten dazu stehen bereit, und der Kampf der Medien um Exklusivität und Quote, als deren Opfer sich der bekennende Fälscher Born versteht, tut das Seine, damit der Markt der Fälschungen wächst.

Konstruktion von Wirklichkeit: Klischees und Soaps

Vorabendserie ARD: Rote Rosen

Einblicke in unsere Daily Soaps, die Vorabendserien, die von 50 % der Mädchen zwischen 12 und 19 regelmäßig gesehen werden: Der Stil dieser beliebten Soaps etablierte sich in den 80er Jahren mit der Lindenstraße. Verbotene Liebe, wo sich alles um Reichtum, Liebe und Freundschaft dreht, oder Sturm der Liebe, wo irrwitzige Vorfälle und Krisen für stete Aufregung sorgen, stehen heute immer noch ganz hoch im Kurs.

Im modernen Singlemilieu oder dem der Patchworkfamilien und homosexuellen Lebensgemeinschaften spielend, bedienen sie längst nicht mehr das Klischee der heilen Familie. Stattdessen umso heftiger andere alte und neue Klischees: die attraktive Frau, die spielend Familie und Beruf meistert, der erfolgreiche aufmerksame Mann. Dazwischen tauchen die altbekannten Typen auf: die Verführerin, der fiese Bösewicht, die Verständnisvolle, die nie nein sagen kann, der Schüchterne mit seinen verschämten Reizen. Für den Soap-Macher "will die Serie realistisch sein" und die Zuschauer emotional ergreifen mit Geschichten aus dem Alltag, der ihnen vertraut ist. So Stephanie Heckner, Leiterin der Vorabendserien der ARD. Für den Soziologen hingegen handelt es sich um "keine Abbildung der Wirklichkeit", sondern um "eine Konstruktion von Wirklichkeit" (Udo Göttlich). Propagiert werde den jungen Zuschauern hier ein Lifestyle, der Fun verspricht und von materiellen Werten geleitet wird – das ideale Umfeld für die, oder gar: das Feld der Werbung schlechthin.


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