Verhütung Seit wann gibt es die Antibabypille?
Die Idee für eine Verhütung mit Hormonen gab es bereits 1919. Erst 1960 kam die Antibabypille in den USA erstmals auf den Markt. Ein Jahr später, am 1. Juni 1961, wurde die Pille auch in Deutschland verkauft - zuerst nur an verheiratete Frauen.
Der österreichische Physiologe Ludwig Haberlandt hatte im Tierversuch mit Ratten festgestellt, dass eine bestehende Trächtigkeit der Tiere eine weitere Befruchtung verhindert. Er kam daher zu Beginn des vorigen Jahrhunderts auf die Idee, Frauen Schwangerschaftshormone zu geben, um sie vorübergehend unfruchtbar zu machen.
Tierversuche als Grundlage für die Antibabypille
Im Tierversuch war es Ludwig Haberlandt bereits Mitte der 1920er-Jahre gelungen, Befruchtungen mithilfe von Hormonen zu verhindern. Allerdings war es ein langer Weg, das Verfahren auf den Menschen zu übertragen, weil sich die hochkomplexen Sexualhormone des Menschen nicht so leicht isolieren lassen. Das gelang dem deutschen Chemiker Adolf Butenandt. Er legte nach jahrelangen Versuchen die chemischen Grundlagen für eine Verhütung durch Hormone. 1939 wurde Adolf Butenandt für seine Sexualhormonforschung der Nobelpreis für Chemie verliehen.
Pharma-Werbung: Schlank und schön durch die Pille
Bis vor kurzem galt die Pille noch als meistverwendetes Verhütungsmittel in Deutschland, seit einigen Jahren ist der Trend rückläufig.
Größere Brüste, schönere Haut, glänzendes Haar - das alles macht die Antibabypille. Zumindest verspricht das die Werbung der Pharmakonzerne. Auch Schönheit war einst ein Motiv junger Mädchen und Frauen, sich die Pille verschreiben zu lassen, selbst wenn sie gar kein Verhütungsmittel brauchten. Neuere Zahlen der Krankenkassen zeigen allerdings, dass dieser Trend seit etwa 2016 rückläufig ist. Gerade junge Frauen sind skeptisch, was die Nebenwirkungen der Pille betrifft und verhüten lieber mit alternativen Methoden. Dazu zählen das Kondom, das Diaphragma und die Kupferspirale. Oder sie lassen sich die fruchtbaren Tage im Zyklus über eine App ausrechnen.
Die hormonellen Wirkstoffe der Pille stammen anfangs aus der Yamswurzel
1951 meldeten der Pharmakologe Gregory Pincus aus Boston und der Chemiker Carl Djerassi - der aus Wien in die USA emigriert war - einen dem weiblichen Sexualhormon Progesteron ähnlichen Stoff als Verhütungsmittel zum Patent an.
Sie verwendeten Substanzen, die aus der tropischen Yams-Wurzel gewonnen wurden. Die klinischen Tests des Verhütungsmittels fanden in Puerto Rico mit Erfolg statt: Von 100 teilnehmenden Frauen wurden nur 17 innerhalb von neun Monaten schwanger.
Antibabypille entstand auf Initiative einer Frau
Es ist einer Frau zu verdanken, dass sich der Pharmakologe Gregory Pincus und sein Team der Entwicklung eines Verhütungsmittels zuwandten: der amerikanischen Krankenschwester Margaret Sanger. Sie sah in ihrer täglichen Arbeit viele Frauen, die an den Folgen ungewollter Schwangerschaften oder durch dilettantische Schwangerschaftsabbrüche qualvoll starben und setzte sich für sie ein.
Verhütung: Frauen kämpfen für Geburtenkontrolle
Margaret Sanger fragte auf einer Dinner-Party Anfang 1951 Gregory Pincus, was die Entwicklung eines Verhütungsmittels wohl kosten würde. Er schätzte damals rund 125.000 Dollar. Es wurden letztendlich zwei Millionen Dollar - berichtet das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien. Das Geld stammte von Katharine McCormick, einer reichen Witwe, die, ebenso wie ihre Freundin Margaret Sanger, für die Selbstbestimmung der Frau kämpfte.
Antibabypille - ein Verhütungsmittel auf Umwegen
"Enovid", die erste Antibabypille, wurde am 9. Mai 1960 als Verhütungsmittel freigegeben und erschien am 18. August 1960 auf dem amerikanischen Markt. Ein knappes Jahr später, am 1. Juni 1961, führte sie das deutsche Pharma-Unternehmen Schering "Anovlar" auf dem deutschen Markt ein. Die Pille wurde zuerst als Medikament gegen Menstruationsbeschwerden eingesetzt - auf die empfängnisverhütende Wirkung wurde nur beiläufig als "Nebenwirkung" hingewiesen. Das Mittel wurde anfangs nur verheirateten Frauen verschrieben.
Pille setzt sexuelle Revolution in Gang
Die Kirchen und andere gesellschaftliche Institutionen liefen anfangs Sturm gegen das Verhütungsmittel. Papst Paul VI. belegte sie in einer Enzyklika mit dem Bann. Doch zu spät: Die Pille veränderte die Gesellschaft der industrialisierten Nationen. Frauen konnten Sex haben ohne die ständige Furcht, schwanger zu werden. Sexualität und Fruchtbarkeit waren fortan getrennt. Die Pille hat die sexuelle Revolution der 1960er-Jahre erst möglich gemacht - davon sind Historiker heute überzeugt.
Die Antibabypille setzt sich nicht sofort durch
Frauen mussten ihre Freiheit erst schätzen lernen: In einer Umfrage des Allensbach-Instituts aus dem Sommer 1963 gaben 47 Prozent der Frauen an, dass die Antibabypille in Deutschland nicht erlaubt sein sollte. 64 Prozent der Frauen waren noch 1968 davon überzeugt, dass sich durch die Pille die Moral verschlechtern würde.
Wissenswertes zur Pille
Die Pille in der DDR
Spät, aber kostenlos
In der damaligen DDR hatte man Schwierigkeiten, die Sexualhormone künstlich herzustellen - daher gab es im anderen Teil Deutschlands die Pille erst ab 1965 als sogenannte "Wunschkindpille". Sie wurde in der DDR unter dem Namen "Ovosiston" kostenlos verteilt.
Pille versus Kondom
Verhütungsmittel Nr. 1 neben dem Kondom
47 Prozent der deutschen Frauen verhüten mit der Pille, 46 Prozent der Paare benutzen inzwischen Kondome. Das Kondom als Verhütungsmittel hat die Pille fast eingeholt. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) die im Jahr 2018 wiederholt wurde. Die Zahlen von 2011 zeigten noch einen deutlichen Vorsprung der Pille mit 53 Prozent zu 37 Prozent für das Verhütungsmittel Kondom.
Hormondosierungen
Weiterhin Nebenwirkungen
Weniger Hormone und trotzdem noch Nebenwirkungen: Heute enthalten manche Anti-Baby-Pillen für einen ganzen Zyklus eine Hormondosis, die Frauen in den 1960er-Jahren an einem Tag schlucken mussten. Doch einige Kombinationspräparate der vierten Generation erhöhten das Risiko für Thrombose. Die jeweiligen Wirkstoffe reagieren individuell und werden von Frauen unterschiedlich vertragen.
Die Antibabypille gibt es bis heute nicht ohne Risiko
Wer die Pille einnimmt, muss mit gesundheitlichen Risiken rechnen:
- Gewichtszunahme
- Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
- Absenkung der Libido
- Zwischenblutungen
- Stimmungsschwankungen
- Depressive Verstimmungen
- Blutgerinnsel, Thrombosen, bis hin zu lebensgefährlichen Lungenembolien
- Höheres Risiko für Gebärmutterhalskrebs und Brustkrebs bei längerfristiger Einnahme
Hormone wirken sich auf den Körper aus
Inzwischen sind über 50 verschiedene Antibabypillen auf dem Markt. Auch neue Präparate haben Nebenwirkungen. Etwa 10 von 10.000 Frauen erleiden wegen der Einnahme der Pille eine Thrombose. Um das Risiko für Blutgerinnsel zu verringern, empfehlen Experten generell Antibabypillen mit geringerer Östrogendosis. Eine Pille für den Mann gibt es noch nicht.
Quellen, Infos und Sendungen rund um das Thema Antibabypille:
- "Let's talk about Sex - 100 Jahre Aufklärung: Revolution, Pornowelle und Internet": alpha-geschichte, ARD alpha, 12.10.2024, 21.05 Uhr
- "Let's talk about Sex - 100 Jahre Aufklärung: Von Ekstase, Prüderie und Pille": alpha-geschichte, ARD alpha, 12.10.2024, 20.15 Uhr
- "MicDrop - Brauchen wir die Pille für den Mann?": Gesundheit!, BR Fernsehen, 04.07.2023, 19.00 Uhr
- "Kondom löst Pille als Verhütungsmittel Nummer eins ab": Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 16.03.2023
- "Antibabypille - Auf lange Sicht nur noch einmal monatlich?", BR 24, 05.12.2019
- "Welche Verhütungsmittel für Männer und Frauen gibt es?": BR24, 01.06.2021
- "Verhütung - Geschichte der Antibabypille": Gut zu Wissen - Wissensmagazin, BR Fernsehen, 06.02.2021, 19.00 Uhr
- "29. Oktober 1923, Carl Djerassi - `Vater der Pille´": Das Kalenderblatt, Bayern 2, 29.10.2010