Schlangen Zwischen Angst und Faszination

Stand: 15.09.2021

An Schlangen scheiden sich die Geister. Für die einen sind sie faszinierende Geschöpfe, anderen jagen sie Angstschauer über den Rücken. Dabei sind die Tiere ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems und in ihrem Bestand stark gefährdet.

Popes Bambusotter (Trimeresurus popeiorum) weiblich, captive, Asien | Bild: picture alliance/imageBROKER

Schlangen haben kein gutes Image - sie gelten als falsch und hinterhältig. Nicht umsonst ist der Ausdruck "du falsche Schlange" in der zwischenmenschlichen Kommunikation nicht gerade als Kompliment zu verstehen. Darüber hinaus scheint die Schlange für alles Elend auf Erden verantwortlich zu sein, hat sie doch Eva verführt, den Apfel vom Baum der Erkenntnis zu naschen und so für die Vertreibung aus dem Paradies gesorgt.

Der Sündenfall Die Vertreibung aus dem Paradies

Adam und Eva - verführt von der Schlange | Bild: picture alliance/akg-images

Urangst Darum fürchten sich viele vor Schlangen

Selbst, wenn man von dieser biblischen Schandtat absehen kann, rufen Schlangen bei vielen Menschen Gefühle wie Ekel und Angst hervor - so wie es sonst wohl nur noch Spinnen schaffen. Woran liegt das? Denn eigentlich sind Schlangen ja ästhetische und faszinierende Tiere. Liegt es daran, dass manche von ihnen eine tödliche Gefahr darstellen? Oder an ihrer geschmeidigen, lautlosen Bewegungsform?

Zitat Biologische Urangst

"Es gibt eine biologische Urangst vor Schlangen im Menschen. Die hat insofern Sinn, als es ja wirklich gefährliche Schlangen gibt. (…) Außerdem können Schlangen wegen ihrer Hornhaut ihre Augen nicht schließen, haben also einen starren Blick, dafür aber keine Haare und auch keine Gliedmaßen. Menschen können sich mit Schlangen also schlecht identifizieren."

Maximiliane Schumm in einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA)

Urangst Vor diesen Tieren fürchten sich die Menschen

Infografik: Angst vor Tieren in Deutschland (2016) | Bild: Statista-Umfrage 2016, Grafik: BR, colourbox.com/ComicVector703

Symbolik Die Schlange in der Geschichte

Die Schlange bedeutete in der Geschichte einerseits Tod, Gift und Verderben, anderseits galt sie aber auch wegen ihrer Giftigkeit als Sinnbild von Macht und stand wegen ihrer ständigen Häutungen für Regeneration und Unsterblichkeit, so Schumm. So haben der ärztliche und pharmazeutische Stand die Schlange auch zu ihrem Symbol gemacht - mit dem Schlangenstab, oder besser bekannt als Äskulapstab, um den sich eine Schlange windet. Er soll auf Asklepios (deutsch: Äskulap), den Gott der Heilkunde in der griechischen Mythologie zurückgehen, so zumindest einer der verschiedenen Erklärungsansätze.

Verbreitung Schlangen gibt es (fast) überall

Schlangen werden in drei große Gruppen unterteilt: Würgeschlangen, Nattern und Vipern. Die Längen der verschiedenen Schlangenarten liegen zwischen etwa zehn Zentimetern und sieben Metern. Sie leben durchweg räuberisch und hauptsächlich einzeln - vielleicht macht sie das so unheimlich.

Schlangen existieren schon seit mehr als 100 Millionen Jahren und haben nahezu alle Lebensräume der Erde erobert. Es gibt sie überall - mit Ausnahme von Arktis, Antarktis, Dauerfrostgebieten und einigen Inseln. 3.848 Schlangenarten (Stand: August 2020) sind laut Reptile Database bisher bekannt. Es wird vermutet, dass es noch viele unentdeckte Arten gibt.

An die Luft, ans Wasser, ans Land

Die Abstammung der bein- und armlosen Reptilien ist bis heute nicht vollständig geklärt. Die meisten Arten legen Eier, es gibt aber auch lebendgebärende. Schlangen sind wie alle Reptilien sogenannte ektotherme Tiere, ihre Körpertemperatur hängt also stark von der Umgebungstemperatur ab. Sie sind in allen Ökosystemen zu Hause. Am Boden, im Wasser, unter der Erde und sogar in der Luft: Es gibt in den Tropen Schlangen, die ihren Körper so abplatten, dass sie damit von Baum zu Baum gleiten können.

Überlebenskünstler Kriechtier-Karriere seit der Kreidezeit

Die Neuguinea-Amethyst-Python ist in Indonesien, Papua-Neuguinea und dem australischen Bundesstaat Queensland zu finden.  | Bild: BR / Eberhard Meyer

Pech für die Dinos, Glück für die Schlangen: Der Asteroideneinschlag auf der Erde, der vor 66 Millionen Jahren zum Aussterben der Dinosaurier führte, sorgte vermutlich für einen bedeutenden Schub bei der Entstehung neuer Schlangenarten, berichten britische Forscher im September 2021. Zwar traf der Asteroideneinschlag auch die kreidezeitlichen Schlangen, doch die wenigen überlebenden Exemplare wurden zur Grundlage der reichen Artenvielfalt heutzutage. Das Massenaussterben habe viele Konkurrenten der Schlangen beseitigt, sodass sie ökologische Nischen neu besetzen konnten, so die Experten. Sie werteten unter anderem Daten über die Verwandtschaftsbeziehung und geografische Verteilung von 115 Schlangengruppen aus.

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Schon gewusst? Interessante Fakten zu Würgeschlangen vs Giftschlangen

  • Eine der größten Schlangen der Welt ist die Große Anakonda. Sie lebt bevorzugt in größeren Gewässern.
  • Würgeschlangen können in freier Wildbahn fast sieben Meter lang werden und beinahe 100 Kilo auf die Waage bringen.
  • Würgeschlangen packen ihre Beute mit ihren Fangzähnen und wickeln dann ihren starken, muskulösen Körper um ihre Opfer und erdrücken sie.
  • Die Opfer werden dann mit dem Kopf voran verschlungen. Bis sie im Magen ankommen, können bis zu sechs Stunden vergehen.
  • Giftschlangen injizieren durch einen Biss ihr Gift und warten dann, bis das Tier tot oder gelähmt ist.
  • Landläufig heißt es, dass zehn Prozent aller Schlangen giftig seien. Laut Reptile Database (2014) sind es aber deutlich mehr. Allein unter den Giftnattern, Vipern und Erdvipern kommen schon 694 Giftschlangen zusammen. 
  • Der australische Taipan gilt als eines der gefährlichsten Tiere der Welt. Das Gift eines Bisses kann bis zu 100 Menschen töten.
  • Das Gift der Giftschlangen kann aber nicht nur töten, sondern auch heilen - die Dosis macht das Gift.

Schlangenbisse Zahl der Opfer

Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden jährlich gut 4,5 bis 5,4 Millionen Menschen von Giftschlangen gebissen. Wie viele daran auch sterben, ist nur schwer zu ermitteln. Die neueste Zahlen der WHO gehen von 81.000 bis 138.000 Opfern aus. 1,8 bis 2,7 Millionen Menschen tragen bleibende Schäden davon. Damit gehören Schlangen zu den tödlichsten Tieren der Welt, wie schon eine Aufstellung von Bill Gates in seinem Blog 2014 deutlich gemacht hat. Auch wenn die Angaben im Detail stellenweise überholt sind, ist die Staffelung nach Tödlichkeit immer noch aktuell. In der Grafik sind nicht nur unmittelbare Todesfälle erfasst, sondern auch die Sterblichkeit in Langzeitfolge - zum Beispiel infolge eines Mückenstichs, bei dem Malaria oder das Denguefieber übertragen werden kann. Und was die Hunde angeht: Hundefreunden sei versichert, der große Anteil der Todesfälle geht auf das Konto wildlebender und streunender Hunde.

Zahlen Die tödlichsten Tierarten

Infografik: Jährliche Sterbefälle infolge von Tierbegegnungen weltweit | Bild: BR, Grafik: BR, colourbox.com/ComicVector703

Kaum gefährlich Schlangen in Deutschland

Schlangenphobiker können aufatmen: Deutschland ist ein (nahezu) sicheres Land. Hierzulande leben sieben Schlangenarten mit teils eng begrenzten Vorkommen: die Ringelnatter, die Glatt- oder Schlingnatter, die Würfelnatter, die Äskulapnatter, die Barren-Ringelnatter sowie die Kreuzotter und die Aspisviper. Davon sind nur die Ottern und Vipern giftig. Die Aspisviper lebt ausschließlich im südlichen Schwarzwald. Die Kreuzotter ist weiter verbreitet. Sie kommt im norddeutschen Tiefland, im Mittelgebirge und in den alpinen Gegenden oberhalb der Baumgrenze vor. Wohl fühlt sie sich in Heide- und Moorlandschaften, besonders auf den Ostseeinseln Rügen und Hiddensee - und überall dort, wo sie sich aufwärmen kann.

Durchklicken Diese Schlangen leben hierzulande

Deutschland Biss heimischer Schlangen für Gesunde kein Problem

Einem gesunden Erwachsenen können ihre Bisse kaum etwas anhaben. Aufpassen sollten allerdings Kinder, kranke und alte Menschen, für sie kann das Gift durchaus lebensgefährlich werden. Deshalb sollte man nach einem Biss, der sehr schmerzhaft sein kann, umgehend einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen. In den vergangenen 60 Jahren ist allerdings nur ein Todesfall bekannt geworden: Eine 81-jährige Frau wurde 2004 auf Rügen gebissen und ist verstorben - allerdings an einer allergischen Reaktion. Denn Bienen- und Wespenallergiker können auch auf das Gift der Kreuzottern und Aspisvipern allergisch reagieren.

Erste Hilfe: Rettungswagen rufen

Wenn es durch eine allergische Reaktion zu einer Schwellung der Atemwege kommt, sollte die Schwellung gekühlt werden. Eine schlechte Idee ist es, die Wunde abzubinden oder auszusaugen, wie man es aus alten Western kennt. Rufen Sie vielmehr den Rettungswagen und versuchen Sie, sich die Schlange vom Aussehen zu merken. Das verletzte Körperteil grundsätzlich tief und ruhig halten und die Wunde desinfizieren.

Der Biss der Aspisviper

Das Gift der Aspisviper ähnelt dem der Kreuzotter und kann im Extremfall ebenfalls tödlich sein. Nach einem Biss der Giftschlange können Atemnot und Herzbeschwerden auftreten.

Vorbeugung Schlangen beim Spaziergang vertreiben

Zur Beruhigung: Die heimischen Schlangen beißen allenfalls in Notwehr und verfolgen einen nicht. Wer trotzdem Sorge hat: Mit hohem Schuhwerk und langer Hose beim Wandern in besiedelten Gebieten und einem kräftigen Schritt, der die sensiblen Schlangen durch die Erschütterung verschwinden lässt, geht man auf Nummer sicher. Im Winter hausen Deutschlands Schlangen übrigens in Baumstümpfen, zwischen Felsblöcken oder in Wurzelballen. Selbstverständlich sollte es daher sein, nicht in Löcher und Spalten zu fassen. (Achtung: Hunde!)

Zitat Bedeutung der Schlangen fürs Ökosystem

"Schlangen sind bei uns wesentliche Vertilger von Nagetieren wie Mäusen, sie regulieren also aus Menschensicht Schädlingspopulationen. (…) Dadurch tragen sie (…) auch zur Verbreitung von Pflanzensamen bei, die die Nager gefuttert haben. Und Schlangen sind auch selbst Nahrung - von Störchen, Greifvögeln, Füchsen und Igeln zum Beispiel."

Maximiliane Schumm

Ökosystem Schlangen fressen Nagetiere

Gelbe Schlange mit Maus im Maul | Bild: colourbox.de

Schlangen sind Samenverbreiter, weil sie Nager fressen, die diese zuvor vertilgt haben. Sie helfen damit, dass sich Gewächse ausbreiten können.

Bedroht Bestand der Schlangen gefährdet

Aufgrund ihrer ökologischen Funktion müssen die Reptilien auch geschützt werden, denn die Tiere sind bedroht. Bis in die 1960er-Jahre gab es Prämien für getötete Tiere. Auch wenn die Tiere heutzutage gesetzlich geschützt sind, hilft ihnen das wenig. Ihr Problem sind nicht mehr die "Kopfgeldjäger", sondern die Zerstörung ihres Lebensraums. Sie finden kaum noch Platz zum Leben. Genau hier kann jeder Einzelne etwas tun: Wer einen großen Garten hat, sollte wilde Ecken zulassen und einen Teich anlegen, vielleicht lässt sich dann die Ringelnatter blicken, rät Maximiliane Schumm.

Eine Langzeitstudie an verschiedenen Kreuzotterpopulationen im Fichtelgebirge ergab nach Angaben des bayerischen Landesamts für Umwelt in einem Zeitraum von 25 Jahren einen Rückgang der Tiere um 90 Prozent. Auch in anderen Regionen Deutschlands seien nach Beobachtungen von Schlangen-Fachleuten die Bestände kontinuierlich gesunken, so Reptilienexperte Hubert Laufer vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu).