Größte Arktis-Expedition aller Zeiten Der Nordpol als Frühwarnsystem im Klimawandel

Von: Leander Beil

Stand: 14.02.2022

Im Rahmen der MOSAiC-Expedition drifteten Wissenschaftler mit dem Forschungseisbrecher Polarstern ein Jahr lang durch die Arktis. Die Region gilt als Frühwarnsystem für den Klimawandel. Mithilfe der neuen Daten können nun Modelle des globalen Klimas und des Erdsystems deutlich verbessert werden.

Mosaic-Expedition in die Arktis | Bild: dpa-Bildfunk/Lukas Piotrowski

Faszinierende Arktis: Die große Eisschmelze hat schon lange begonnen

Ein Eisbaer (Ursus maritimus) mit einer erbeuteten Robbe auf einer Eisscholle in der Baffin-Bucht in Kanada. | Bild: picture-alliance/dpa/Verena Wolff

Ein Eisbär mit einer erbeuteten Robbe auf einer Eisscholle in der Baffin-Bucht in Kanada.

Den Eisbären geht die Beute aus: Robben sind schon heute Mangelware. Die Eisschollen, das Jagdgebiet der Raubtiere, schmelzen ihnen unter den Pfoten weg. So schnell wie die Arktis hat sich in den vergangenen Jahren kaum eine andere Region erwärmt. Die daraus resultierende große Eisschmelze ist auch in Europa zu spüren. So steigt unter anderem der Meeresspiegel, mit verheerenden Folgen. Die Arktis gilt als Frühwarnsystem für die Folgen des Klimawandels. Auch deshalb sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besonders daran interessiert, den Einfluss der Arktis auf das globale Klima besser zu verstehen.

MOSAiC: Größte Arktis-Expedition aller Zeiten

Die Zelte ermöglichen es den Wissenschaftlern, auch bei Temperaturen weit unter -30 °C Proben aus dem Eis zu entnehmen. | Bild: Alfred-Wegener-Institut / Ivo Beck (CC-BY 4.0)

Die Zelte ermöglichen es den Wissenschaftlern, auch bei Temperaturen weit unter -30 °C Proben aus dem Eis zu entnehmen.

Von Oktober 2019 bis Oktober 2020 fand die MOSAiC-Expedition (Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate) statt. Sie gilt als größte Arktis-Forschungsexpedition aller Zeiten. Unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts waren rund 600 Teilnehmer aus 17 Nationen beteiligt. Trotz der erschwerten Bedingungen aufgrund der Corona-Pandemie war das Ziel herausfinden, wie sich die Arktis über das Jahr hinweg verändert und welchen Einfluss der Klimawandel hier hat. In unterschiedlichen Teams konzentrierten sich die Forschenden auf Bereiche wie das Ökosystem, die Prozesse in Atmosphäre und Ozean oder die Physik des Meereises und erarbeiteten so das bislang vollständigste beobachtungsbasierte Bild der arktischen Klimaprozesse.

Die Messarbeiten verrichteten die Forschenden unter anderem in Stationen auf der massiven Eisplatte, aber auch auf der Polarstern. Im Sommer kann sich die Polarstern ihren Weg durch Eis- und Wassermassen bahnen. Im Winter hingegen ist das Eis meist zu dick. Deshalb ließ man das Forschungsschiff mit dem driftenden Meereis mittreiben, 3.400 Kilometer quer durch das Nordpolarmeer.

Die Polkappen: Arktis und Antarktis

Arktis:

  • Region nördlich des Nordpolarkreises.
  • Durchschnittstemperatur im Sommer: rund null Grad Celsius.
  • Durchschnittstemperatur im Winter: rund minus 40 Grad Celsius.
  • Von Oktober bis März herrscht am Nordpol völlige Dunkelheit.
  • Im Zentrum der Arktis liegt der ganzjährig zugefrorene Arktische Ozean.

Antarktis:

  • Region um den Südpol.
  • Durchschnittstemperatur im Sommer: rund minus 30 Grad Celsius.
  • Durchschnittstemperatur im Winter: rund minus 60 Grad Celsius.
  • Von März bis September herrscht am Südpol völlige Dunkelheit.
  • Die Antarktis umfasst den Südlichen Ozean und den Kontinent Antarktika.

Schwarz auf Weiss: Das zeigen die Daten der Expedition

MOSAiC-Expedition ins Ewige Eis | Bild: Alfred-Wegener-Institut / Lianna Nixon

Nicht nur auf der Polarstern, sondern auch auf dem Eis haben Forschende verschiedene Messungen vorgenommen.

In drei Berichten zu Atmosphäre, Schnee und Meereis sowie Ozean haben die Forscherinnen und Forscher ihre neuen Erkenntnisse vorgestellt. Sie konnten unter anderem zeigen, dass die Eisdrift, also die natürliche Bewegung des Meereises, in den Wintermonaten unerwartet schnell war. Denn es herrschten besonders niedrige Temperaturen in Oberflächennähe und damit verbunden anhaltend starke Winde.

Ein weiteres spannendes Ergebnis: Bislang nahm man an, dass der Schnee räumlich und auch saisonal in der Arktis relativ gleichmäßig verteilt ist. Laut der Untersuchung der Arktis-Forschenden variiert die Schneeverteilung stark. Das wirkt sich auf künftige Modelle und Simulationen aus.

Video: Expedition am Nordpol

Gesagt: Wichtig ist das Zusammenspiel

"Wir sehen, dass die Eigenschaften des Schnees in vielen Fällen extremer sind als die des Meereises. Zehn Zentimeter Schnee haben einen so großen Effekt wie ein Meter Meereis. Und der Schnee ist einer der Faktoren, warum sich die Arktis heute schon stärker erwärmt als sonst überall. Denn der Schnee bestimmt, wie viel Licht aus der Atmosphäre reflektiert wird. Was wir sehen, ist, wie wichtig es ist, Atmosphäre, Schnee und Meereis sowie Ozean zusammen zu betrachten. Die Rolle des einen wird ganz stark durch die der anderen beeinträchtigt."

Marcel Nicolaus, Meereisphysiker am AWI, Co-Leiter des Teams 'Eis' im MOSAiC-Projekt

Team "Ozean": Kartierung der Ozeanwirbel in der Arktis

Messungen des Teams "Ozean" der MOSAiC-Expedition | Bild: Alfred-Wegener-Institut / Folke Mehrtens

Das Team "Ozean" hat unter anderem Temperatur, Salz- und Sauerstoffgehalt untersucht.

Das Ozeanographie-Team des MOSAiC-Projekts untersucht, wie die Veränderungen der Atmosphäre und des Meereises mit der Wassertemperatur und dem Salzgehalt in Verbindung stehen. Dafür kartierten die Forschenden über das Expeditionsjahr hinweg Ozeanwirbel. Diese kleineren Wirbel befinden sich in den Randbereichen großer Strömungen und sind für den Energiehaushalt der globalen Ozeanzirkulation durchaus wichtig. Mithilfe der Ausrüstung auf der Polarstern, aber auch im dafür errichteten Camp auf der massiven Eisplatte wurden sie genauer untersucht.

Gesagt: In der Arktis globale Veränderungen beobachten

"Die Daten helfen uns einzuschätzen, wie stark zum Beispiel der untere Teil des Ozeans isoliert ist und inwiefern sich untere und obere Schichten vermischen. Wir haben gesehen, dass die Verbindung der oberen und der unteren Schicht stärker ist als noch vor zehn bis 20 Jahren. Die Arktis ist in letzter Zeit besonders in den Fokus gerückt, weil viele der globalen klimatischen Veränderungen parallel stark zu beobachten sind. Die bodennahe Lufttemperatur in der Arktis ist zwei- bis dreimal so stark angestiegen wie im globalen Mittel. Das hat Auswirkungen auf die Region, aber auch auf uns."

Benjamin Rabe, physikalischer Ozeanograph am AWI, Co-Leiter des Teams 'Ozean' im MOSAiC-Projekt

Was noch aussteht: Genauere Modelle für den künftigen Umgang mit den Folgen des Klimawandels

Meterhoch türmen sich Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott an einer Brücke über der Ahr in Altenahr. Tausende Häuser im Ahrtal wurden bei der Sturzflut zerstört oder beschädigt, es gab 134 Todesopfer. | Bild: dpa-Bildfunk/Boris Roessler

Flutkatastrophe im Ahrtal, Juli 2021: Forscher sehen solche Extremwetterphänomene in Zusammenhang mit dem Klimawandel.

Lokale Extremwetterereignisse, wie die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021, stehen im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Die Wissenschaft geht davon aus, dass andauernde sintflutartige Regenfälle mit der globalen Erwärmung zunehmen. Das Hochwasser im Ahrtal sei unter anderem auf den verminderten Temperaturkontrast zwischen Arktis und mittleren Breiten zurückzuführen.

Um solche Phänomene besser zu verstehen, sind Klima- und Wettermodelle hilfreich. Für die Arktis konnten bislang Prozesse wie Wirbel im Ozean sowie deren Wechselwirkung mit dem Eis, dem Ökosystem und den klimarelevanten Gasen in globalen, aber teils auch regionalen Modellen nicht vollständig dargestellt werden. Das machen die Daten aus der MOSAiC-Expedition nun möglich.

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