Gletscherschmelze weltweit Das Eis schmilzt im Rekordtempo
Die Gletscher schrumpfen immer schneller: In den vergangenen Jahren schwand das Eis bis zu drei Mal schneller als im 20. Jahrhundert. Forscher prophezeihen: Das Schmelzen lässt sich nicht mehr aufhalten.
Seit mehr als 120 Jahren sammelt der World Glacier Monitoring Service (WGMS, Welt-Gletscher-Überwachungsdienst) Daten über die Veränderung der Gletscher weltweit. Referenzgletscher aus fast zwanzig verschiedenen Bergregionen der Welt werden beobachtet, um ein globales Bild zu erhalten, was mit den Gletschern im Klimawandel passiert. Das Fazit lautet: Die Geschwindigkeit der aktuellen globalen Gletscherschmelze ist ohne Beispiel in der Geschichte.
"Die Eisdicke der beobachteten Gletscher nimmt derzeit jedes Jahr zwischen einem halben und einem ganzen Meter ab. Das ist zwei- bis dreimal mehr als der entsprechende Durchschnitt im 20. Jahrhundert."
Michael Zemp, Direktor des World Glacier Monitoring Service
Rückgang in allen Regionen der Welt
Der Rückgang der Gletscher ist offenbar auch aus dem All sichtbar: Der deutsche Astronaut Alexander Gerst, der sowohl 2014 als auch 2018 auf der Internationalen Raumstation ISS war, bestätigt die sichtbare Veränderung in diesen nur vier Jahren: "Man sah deutlich, dass die Gletscher kleiner geworden sind."
Zahlreiche Studien aus unterschiedlichen Weltregionen bestätigen dieses Bild. Hier sind einige beispielhaft vorgestellt:
Gletscherschmelze - ein globales Phänomen
Das langfristige Zurückschmelzen der Gletscherzungen ist ein globales Phänomen, das zeigen die kontinuierlichen Beobachtungen des WGMS. Einzelne Gletscher sind zwar wieder gewachsen, diese Vorstöße sind aber regional und zeitlich beschränkt. Sie reichen bei Weitem nicht an die Hochstände der kleinen Eiszeit (16. bis 19. Jahrhundert) heran. Die norwegischen Gletscherzungen etwa haben sich seit ihrem letzten Hochstand im 19. Jahrhundert um einige Kilometer zurückgezogen. Nur in der Küstenregion stießen die Gletscher in den 1990er-Jahren wenige hundert Meter vor. Seitdem sind sie aber bereits wieder deutlich geschrumpft.
Eisverluste sind nicht reversibel
Die großen Eisverluste der letzten beiden Jahrzehnte haben dazu geführt, dass viele Gletscher rund um den Globus aus dem Gleichgewicht geraten sind. Diese werden weiterhin Eis verlieren, selbst wenn der Klimawandel nicht weiter fortschreitet: Gletscher reagieren mit Verzögerung auf den Temperaturanstieg. Der Schrumpfprozess, den der WGMS seit Jahren an Gletschern in zehn Gebirgsregionen weltweit beobachtet, wird also anhalten.
Meeresspiegel steigt durch die Gletscherschmelze
Daten
Das Schmelzen der Gletscher hat schwerwiegende Konsequenzen für die Natur. Das Gletscherwasser fließt ins Meer und trägt dazu bei, dass der Meeresspiegel steigt. Das bedroht viele Menschen in Ländern wie Bangladesch, Pakistan, Thailand, Indonesien und Ägypten. Millionen leben dort in Gebieten, die unter Wasser stehen, wenn der Meeresspiegel nur um einen halben bis ganzen Meter steigt. Sie müssten umgesiedelt werden, wenn ihr Lebensraum im Meer versänke.
Forscher der ETH Zürich haben im April 2019 eine Studie veröffentlicht, die gezeigt hat, dass der Meeresspiegel in den letzten Jahren im Schnitt um einen Millimeter gestiegen ist, weil die Gletscher weltweit schmelzen. Dazu trugen besonders die Gletscher in Alaska bei, in Patagonien und in den arktischen Regionen rund um den Nordpol. Jährlich verlieren die 19.000 untersuchten Gletscher 335 Milliarden Tonnen Eis. Mit Satellitendaten und Beobachtungen vor Ort schätzten sie den Eisverlust seit 1961 bis 2016 nämlich auf mehr als 9.000 Milliarden Tonnen.
"Weltweit verlieren wir derzeit rund drei Mal das verbleibende Gletschervolumen der europäischen Alpen. Und das jedes Jahr."
Michael Zemp, ETH Zürich
Überschwemmungen durch Gletscherschmelze
Schrumpfende Gletscher sind auch für ihre Umgebung eine Gefahr. Wenn ihr Eis schneller schmilzt als früher, sammelt sich immer mehr Wasser in tiefer liegenden Gletscherseen an. Irgendwann baut sich dort ein so hoher Druck auf, dass die Wände aus Geröll einstürzen und sich das Wasser ins Tal ergießt. Das kann katastrophale Überschwemmungen auslösen. Kritisch ist auch, wenn im Gebiet des Gletschers der Permafrostboden auftaut. Lockeres Gestein kann sich lösen und ins Tal stürzen.
Gletscherschmelze führt langfristig zu Trockenheit
Wenn die Gletscher schmelzen, verlieren sie mehr Wasser. Das tun sie aber nur vorübergehend. Langfristig fließt immer weniger Wasser von ihnen ab. Das wird besonders die Bewohner der Anden und des Himalaja sowie angrenzender Regionen in Schwierigkeiten bringen. In manchen Gegenden sind die Gletscher zeitweise die wichtigste Quelle für Trinkwasser.
Im Himalaja zum Beispiel sind direkt oder indirekt rund 800 Millionen Menschen davon betroffen, etwa ein Zehntel der Weltbevölkerung. Sie nutzen in irgendeiner Form das jährlichen Schmelzwasser aus dem Himalaja - ob für Bewässerung oder durch die Nutzung von Wasserkraft. Auch Landwirtschaft und Industriebetrieben droht Wasserknappheit, wenn die Gletscher verschwinden. Für das Schmelzen der Gletscher gilt also das Gleiche wie für viele andere Folgen der Erderwärmung: Besonders hart trifft sie Menschen in ärmeren Regionen der Welt.