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Schnee von gestern Abschied vom weißen Winter

Leise nieselt's, kein Schnee: Bei uns ist es wärmer geworden - und das vor allem im Winter und besonders in den Bergen. Schon jetzt gibt es messbar weniger Schnee. Werden unsere Winter durch den Klimawandel grün? Und was bedeutet das für die Skigebiete?

Stand: 03.09.2021

Skifahrer auf der grünen Wiese: Sind schneefreie Skigebiete die Zukunft Bayerns? Schon jetzt hat die Schneedecke überall im Land deutlich abgenommen. Ohne künstliche Beschneiung werden viele Skigebiete in Zukunft völlig schneefrei sein. | Bild: picture-alliance/dpa

Die Bergwelt im Süden Deutschlands ist vom Klimawandel besonders betroffen, nicht nur, weil sie mitsamt ihren Bewohnern besonders sensibel auf die Veränderungen reagiert. Der Klimawandel wirkt sich dort auch stärker aus: Die Durchschnittstemperatur in den Alpen etwa steigt doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt.

Dabei betrifft die Erwärmung nicht so sehr die Sommer, sondern vor allem die Winter. Die Niederschläge nehmen zwar im Winter eher zu, aber höhere Temperaturen lassen es häufiger nieseln als rieseln. Um bis zu 20 Prozent haben in Süddeutschland die Winterniederschläge in den Jahren von 1931 bis 2015 zugenommen. In Bayern betrifft das vor allem die Region Franken und Teile des Bayerischen Waldes. Allerdings betrifft die Zunahme der Niederschläge nicht die jüngsten Winterhalbjahre: Von 2003 bis 2018 konnten in Bayern keine überdurchschnittlich feuchten Winter mehr festgestellt werden.

Seit Jahrzehnten sinkt die Schneemenge, der Winter schrumpft

Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts nehmen auf der gesamten Nordhalbkugel Schneefälle, die Ausmaße der Schneedecke und die Dauer der Schneesaison ab. Jedes Jahrzehnt wird das Ausmaß der Schneedecke auf der Nordhalbkugel im Zeitraum März bis April um ein bis zwei Prozent kleiner, alle zehn Jahre wird die Schneesaison um mehr als fünf Tage kürzer, stellt der Bericht des Weltklimarates zur Eisschmelze im September 2019 fest. Und meint damit die Nordhalbkugel als Ganzes.

Weniger Schnee in ganz Europa

Pisten-Panorama in einem schneearmen Dezember

In ganz Europa registrieren neunzig Prozent der Messstationen sinkende Schneemengen. Die Schneehöhe in Europa sinkt im Durchschnitt pro Jahrzehnt um 12 Prozent, ermittelte die niederländische Universität Wagingen. Allein bis zum Jahr 2011 - also noch vor den vergangenen Jahren mit Rekordtemperaturen - hat die Schneebedeckung auf der Nordhalbkugel pro Jahrzehnt um etwa ein Fünftel abgenommen. Je südlicher die Region, desto stärker fallen die Veränderungen aus.

Um einen Monat kürzere Schneesaison in den Alpen

Auch zur Schneelage im Alpenraum gibt es Erkenntnisse, veröffentlicht in einer Langzeitstudie Mitte März 2021, koordiniert vom Südtiroler Institut Eurac Research in Bozen. Die Daten von mehr als 2.000 Messstationen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Frankreich und Slowenien zeigen für den Zeitraum von 1971 bis 2019: Im Winter liegt in den Alpen vor allem unterhalb von 2.000 Metern weniger Schnee als noch vor 50 Jahren, im Frühling in allen Höhenlagen. Die mittlere Schneehöhe in den Monaten November bis Mai ist pro Jahrzehnt um durchschnittlich 8,4 Prozent zurückgegangen. Die durchschnittliche Dauer der Schneebedeckung um 5,6 Prozent, wie die Wissenschaftler errechneten. Unterhalb von 2.000 Metern verkürzte sich die Schneesaison dadurch in den letzten fünf Jahrzehnten im Mittel um 22 bis 34 Tage, also um rund einen Monat.

Weniger Schnee in Bayern

Die KLIWA-Studie des Bayerischen Landesamts für Umwelt zeigt, dass sich in Bayern allein von 1950 bis 1995 die Schneedeckendauer in niederen Lagen wie der Rhön um bis zu vierzig Prozent verkürzt hat, in mittleren Lagen um zehn bis zwanzig Prozent.

Aber: Es gibt auch noch einzelne schneereiche Winter

Dabei verhält sich nicht jeder Winter gleich: Nach drei schneearmen Jahren war beispielsweise der Winter 2017/2018 besonders schneereich. Oberhalb von 1.500 Metern war in den Alpen der schneereichste Winter seit 30 Jahren, stellte das Institut für Schnee- und Lawinenforschung in der Schweiz fest. Unterhalb von 1.000 Metern fiel nur halb so viel Schnee wie im Durchschnitt. Im extrem warmen April schmolz der Schnee dann schneller als sonst ab.

Die Prognose: Es wird noch wärmer, vor allem im alpinen Winter

Die Prognose bis 2100

In einem sind sich alle Klima-Prognosen einig: Die Temperaturen werden steigen. Wie stark, fällt je nach Szenario unterschiedlich aus. Bis zur Mitte dieses Jahrhundert weichen die Klimamodelle noch wenig voneinander ab: Um etwa 1,5 Grad wird bis 2050 die Lufttemperatur im Jahresdurchschnitt steigen (im Vergleich zum langjährigen Mittel von 1961 bis 1990). Bis zum Jahr 2100 gibt es deutlich unterschiedliche Prognosen. Zurückhaltende Modelle rechnen mit einem Temperaturanstieg von etwa zwei Grad bis zum Ende dieses Jahrhunderts, pessimistischere Hochrechnungen wie etwa vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) kommen auf eine Erwärmung um vier Grad und mehr. Dabei wird weiterhin die Erwärmung im Winter stärker ausfallen als im Sommer. Und im Alpenraum durchschnittlich etwas höher. Das LfU geht davon aus, dass in den bayerischen Alpen die Temperatur bis 2100 um 4,5 bis 5 Grad steigen wird.

Weiße Winter ade

In weiten Teilen Süddeutschlands, besonders in tieferen Lagen, wird es dann seltener weiße Winter geben, auch wenn zunehmende Starkniederschläge lokal durchaus zu kurzfristig hohen Schneemengen führen können. Doch eine geschlossene Schneedecke über längere Zeit, das wird zur Seltenheit werden. Einzelne Regionen spüren das schon deutlich: So hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) einen klaren Trend zu schneeärmeren Wintern seit dem Jahr 1970 festgestellt. Im Berchtesgadener Land sank die Zahl der Tage mit ausreichender Schneehöhe für den Wintersport bis 2010 um 33 Tage.

Schneemengen in der Schweiz von 1971 bis 2020

In höheren Lagen sieht es etwas besser aus. Das Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung schätzt, dass die natürliche Schneedecke dennoch bis Ende des Jahrhunderts um 70 Prozent abnehmen wird. Und auch das LfU rechnet damit, dass zum Ende des Jahrhunderts nur noch die höchsten Lagen in Bayern schneesicher sein werden. Reicht das noch für den Wintersport?

"Durch die Zunahme der winterlichen Regenfälle werden sich die Tage häufen, an denen die Ausübung des Wintersports unattraktiv wird."

Bayerisches Landesamt für Umwelt

Wie schneesicher sind die süddeutschen Skigebiete?

Was heißt "schneesicher"?

Ein Skigebiet gilt als schneesicher, wenn an zumindest 100 Tagen einer Skisaison eine Schneehöhe von 30 Zentimetern oder mehr auf mindestens der Hälfte der Pisten gegeben ist - und das in wenigstens 7 von 10 Skisaisons.

Zwei Drittel der deutschen Skigebiete im Alpenraum haben eine mittlere Höhe von höchstens 1.200 Metern. Nur bei einem Drittel liegt mindestens die Hälfte der Pistenkilometer darüber. Ohne künstliche Beschneiung galten daher schon 2007 nur noch etwa siebzig Prozent dieser Skigebiete als schneesicher. 2013 waren es nur noch etwa fünfzig Prozent. Mit Hilfe von Kunstschnee sind Anfang der 2020er-Jahre jedoch noch alle Skigebiete in den bayerischen Alpen schneesicher. Aber wohl nicht langfristig, je nachdem, wie schnell die Temperaturen steigen. Denn nicht nur für Schneefall, auch für Kunstschnee müssen die Temperaturen tief genug sein.

+ 1° = nur noch 11 Skigebiete

Eine Studie im Auftrag des Deutschen Alpenvereins von 2013 errechnete: Steigt die Jahresdurchschnittstemperatur nur um ein weiteres Grad im Vergleich zur mittleren Temperatur von 1970 bis 2000, wird nur noch ein Viertel unserer alpinen Skigebiete auf natürlichem Wege schneesicher sein: elf Skigebiete insgesamt. Mit künstlicher Beschneiung bleiben aber immerhin noch 75 Prozent schneesicher.

+ 2° = nur noch 4 Skigebiete

Bei einer Erwärmung um zwei Grad, wie sie selbst die konservativsten Modelle bis zum Ende des Jahrhunderts errechnen, gibt es nur noch vier Skigebiete in den Alpen, die ohne Kunstschnee noch schneesicher sind: die Zugspitze, Fellhorn, Nebelhorn und das Skigebiet Grasgehren im Allgäu. In Garmisch-Partenkirchen können noch etwa zwanzig Prozent der Pisten befahren werden, am Wendelstein ein Zehntel. An der Kampenwand, in Brauneck, am Spitzingsee und im Sudelfeld geht ohne Kunstschnee gar nichts mehr. Künstliche Beschneiung ist bei einem Plus von zwei Grad nur noch in Höhen über 1.500 Metern möglich, immerhin noch bei fast vierzig Prozent der bayerischen Skigebiete in den Alpen.

+ 4° = nur noch 1 Skigebiet

Steigt die Jahresdurchschnittstemperatur jedoch um vier Grad, wie es auch das Bayerische Landesamt für Umwelt bis zum Jahr 2100 erwartet, bleibt ohne Kunstschnee nur ein einziges Skigebiet übrig: die Zugspitze. Auf dem Nebelhorn haben immerhin noch 43 Prozent der Pisten genügend Schnee. Selbst mit künstlicher Beschneiung verbleiben nur drei Skigebiete, die noch als schneesicher gelten können: Zugspitze, Nebelhorn und Fellhorn. In Garmisch-Partenkirchen könnten mit Kunstschnee dann immerhin noch gut ein Zehntel der Pisten befahren werden.

Künstliche Beschneiung? Ja, aber wie lang?

Studien mit ähnlichen Ergebnissen gibt es zu den höher gelegenen Skigebieten im österreichischen Tirol und in der Schweiz, und auch sie kommen zum gleichen Schluss: Für niedrig gelegene Skigebiete ist die Aufrüstung der Beschneiungstechnik keine Lösung, weil die Erwärmung so schnell voranschreiten wird, dass die teuren Anlagen nicht einmal mehr abgeschrieben werden können, bis auch künstliche Beschneiung dort keine Schneesicherheit mehr bringt. In höher gelegenen Skigebieten lässt sich der Skibetrieb durch Kunstschnee mittelfristig wohl noch erhalten. Wichtig dabei: Es muss genügend Wasser in den Speicherteichen vorhanden sein.

Kurzfristiger Jubel der Skiliftbetreiber

Pünktlich zu Beginn der Skisaison 2014/15 feierte der Verband Deutscher Seilbahnen eine seinerseits in Auftrag gegebene Studie, laut der auch in dreißig Jahren Skifahren in Deutschland noch möglich ist. Fokus der Studie ist die Frage, ob es auch zukünftig noch genügend Tage geben wird, die sich zur Produktion von Kunstschnee eignen.

Dabei stellt die Studie fest, dass in den vergangenen zwanzig Jahren die Zahl der Tage, an denen künstliche Beschneiung überhaupt möglich ist, im Vergleich zu den zwanzig Jahren davor im Mittel schon um ein Zehntel zurückgegangen ist. Und dass solche "Beschneiungstage" bis 2050 vermutlich weiter zurückgehen werden, am meisten in den Monaten November, März und April. Aber auch in der Kernzeit von Dezember bis Februar sinkt die Zahl der Tage für Kunstschnee voraussichtlich um ein Viertel und mehr. Damit verbleiben aber laut der Studie genügend Beschneiungstage, um bis 2050 mit dem Skitourismus weiterzumachen.

Allerdings zu einem hohen Preis - davor warnen Forscher und Umweltschützer - und zwar nicht nur für die Betreiber der Anlagen. Energie- und Wasserverbrauch für den Kunstschnee werden enorm sein, denn auch die Menge an Kunstschnee, die für Schneesicherheit produziert werden muss, wird sich vervielfachen.
Langfristig ändert aber auch künstliche Beschneiung nichts daran: Im nächsten Jahrhundert wird es in Süddeutschland außer auf der Zugspitze wohl keine Skigebiete mehr geben.

Schneemangel wird auch im Sommer spürbar

Schnee ist aber nicht nur die Grundlage für Skifahrer, er ist auch wichtig für den Wasserhaushalt. Denn der Schnee in den Alpen reguliert den Wasserabfluss: Die hohen Niederschlagsmengen im Winter treffen erst verzögert im Tal ein, zum Teil mit der Schneeschmelze im Frühjahr. Aber der Abfluss verteilt sich sogar über mehrere Monate, mit einer Abfluss-Spitze im Juni. Intakte Gletscher speichern die Niederschläge sogar dauerhaft. Fällt in den kommenden Jahren immer mehr Niederschlag in Form von Regen und nicht mehr als Schnee, wird dieser natürliche Schutz vor Hochwasser immer geringer. Treffen im Frühjahr die häufiger werdenden Starkniederschläge mit der Schneeschmelze zusammen, kommt es in den Bergen zu mehr Lawinen und Murenabgängen, im Tal zu mehr Überschwemmungen.

In einigen Tälern wird es dann für die Menschen, die dort leben, ungemütlicher. Sie müssen mehr als bisher mit widersprüchlichen Extremen zurechtzukommen, zum Beispiel mit Wasserknappheit im Sommer und gleichzeitig mit reißenden Bergbächen, die die Dörfer überfluten.

Und: Eine geschlossene Schneedecke ist selbst ein wichtiger Faktor im Klimageschehen, da der weiße Schnee eine große Albedo, sprich: Rückstrahlvermögen, hat, d.h. dass große Mengen des einfallenden Sonnenlichts reflektiert und damit eine Erwärmung abgebremst werden. Je kleiner die Schneedecke wird und je mehr Staub- und Rußablagerungen auf ihr liegen, desto geringer der kühlende Einfluss.


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