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Solar Orbiter Erste Bilder vom sonnennächsten Vorbeiflug

Ende März kam die europäische Raumsonde Solar Orbiter der Sonne ganz besonders nahe. Beim Vorbeifliegen sammelte sie Messdaten aus der heißen Atmosphäre, der Korona, und beobachtete darin Teilchen- und Strahlungsausbrüche.

Stand: 19.05.2022

Künsterische Darstellung der Sonde Solar Orbiter, im Hintergrund die Sonne. Die Raumsonde der ESA soll die Sonnenwinde erforschen, den Teilchenstrom der Sonne. | Bild: ESA/ATG medialab

Seit 2020 ist Europas Sonnensonde Solar Orbiter im All unterwegs, um der Sonne näher zu kommen. Das Sonnen-Teleskop schraubt sich auf einer extrem elliptischen Bahn an die Sonne heran. Am 26. März 2022 stellte der Solar Orbiter dabei einen neuen persönlichen Rekord auf: Mit nur 48 Millionen Kilometern Abstand passierte die Sonde die Sonne, das entspricht etwa einem Drittel des Abstandes der Erde zur Sonne.

Bild vom Südpol der Sonne

Etwa anderthalb Monate nachdem die Sonde im März den bisher sonnennächsten Punkt ihrer Umlaufbahn um die Sonne passiert hatte, wurden Mitte Mai die ersten Ergebnisse und Bilder von diesem Vorbeiflug veröffentlicht. Wegen der großen Entfernung zwischen Raumsonde und Erde war die Datenübertragungsrate allerdings bisher gering. Nur ein Teil der aufgenommenen Messdaten hat bisher die Erde erreicht und konnte in den vergangenen Wochen von den wissenschaftlichen Teams gesichtet werden.

Der Südpol der Sonne, aufgenommen vom Instrument EUI am 30. März 2022

Der Solar Orbiter hat zehn Messgeräte an Bord. Vier wissenschaftliche Instrumente vermessen die Teilchen und elektromagnetischen Felder, welche die Raumsonde umströmen. Sechs Instrumente blicken auf Oberfläche, Atmosphäre und Umgebung der Sonne. Eines davon ist der EUI (Extreme Ultraviolet Imager), der die Korona im extrem kurzwelligen ultravioletten Licht abbildet. Die Aufnahmen der Korona, die EUI in der Zeit um den Vorbeiflug gelangen, haben eine höhere Auflösung als alle, die vorher gemacht wurden. "Solar Orbiters Messdaten aus der Korona übertreffen alle bisherigen an Detailschärfe und werden helfen, die Strukturen und Vorgänge in der Korona besser zu verstehen", sagte Sami K. Solanki, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen, das an vier Instrumenten von Solar Orbiter beteiligt ist.

Solar Orbiter kommt auf die schiefe Bahn

Umlaufbahn des Solar Orbiter mit einzelen Highlights der Reise

Beim Vorbeiflug im März hatte die Sonnensonde schon beinahe ihren endgültigen Orbit erreicht. Im Oktober 2022 wird es noch ein wenig näher: Dann schraubt sich der Solar Orbiter auf 42 Millionen Kilometer an die Sonne heran. Alle halbe Jahre wird die Sonde durch ihr Perihel, den sonnennächsten Punkt, fliegen. Und dabei immer schräger werden: Solar Orbiter schwingt sich auf eine Umlaufbahn, die zur Umlaufbahn der Erde immer stärker geneigt sein wird - im Idealfall bis zu 33 Grad im Jahr 2029. Damit hofft die ESA, auch die Pole der Sonne erkunden zu können, die unseren Blicken bislang entzogen sind.

Solar Orbiter fotografiert Sonneneruption

Solar Orbiter kam der Sonne bereits mehrfach auf 75 Millionen Kilometer Abstand nahe, das entspricht dem halben Abstand von Erde und Sonne. So nah, wie kein anderes Sonnen-Teleskop zuvor, jubelte da die ESA schon. Die Betonung lag auf "Teleskop", denn es gibt aktuell eine weitere Sonnensonde: Die Parker Solar Probe der NASA war der Sonne schon deutlich näher, ist aber eben kein Teleskop.

Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist jede Annäherung eine Gelegenheit, die Geräte des Teleskops zu testen, bevor Solar Orbiter seine endgültige Umlaufbahn erreicht. So filmte die Sonde bei der Annäherung im Februar 2021 erstmals Sonneneruptionen, auf der von der Erde abgewandten Seite der Sonne.

Sonde bringt sofort neue Erkenntnisse

Ende Mai 2020, nur gut drei Monate nach ihrem Start, machte die Raumsonde erste Testbilder der Sonne aus der Entfernung von 75 Millionen Kilometern. Die Bilder begeisterten, da sie viel genauer als die irdischer Sonnenteleskope sind. Details ab 400 Kilometern Durchmesser wurden erkennbar.

Permanente Eruptionen auf der Sonne

Als "Lagerfeuer" bezeichnete Mini-Eruption in der Sonnenkorona, aufgenommen von Solar Orbiter. Links unten die Erde zum Vergleich.

Dabei entdeckten die ESA-Forscher, dass die Sonne noch unruhiger ist als gedacht: In ihrer oberen Atmosphäre, in der eine Temperatur von etwa einer Million Grad herrscht, flackern offenbar permanent "Lagerfeuer", wie das Projektteam die Eruptionen taufte. Ihre Größe beträgt nur ein Millionstel bis Milliardstel der Eruptionen, die von der Erde aus zu beobachten sind. Dafür scheint es aber in der Sonnen-Korona beständig zu flackern.

Schöne Folgen der Sonneneruptionen auf der Erde: Polarlichter

Rätsel der Heliosphäre

Solar Orbiter soll die Sonne und die innere Heliosphäre erforschen, die die Sonne umgibt. In diesem Bereich haben das Magnetfeld und die geladenen Teilchen des Sonnenwinds großen Einfluss auf das Weltraumwetter. Astronomen interessiert daher brennend, wie die Sonne die Heliosphäre erzeugt und beeinflusst. Von der Erde aus lassen sich die Vorgänge in der Heliosphäre nicht beobachten. Und genau aus diesem Grund schickt die Europäische Weltraumagentur ESA die Raumsonde zur Sonne, um sie und ihre Umgebung aus der Nähe erforschen zu können.

Mit Schwung an die Pole der Sonne

Der Solar Orbiter bei Vorbereitungen für einen Rütteltest im Februar 2019 in Ottobrunn bei München.

Gestartet ist die Raumsonde Solar Orbiter am 10. Februar 2020 an Bord einer Atlas V-Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida. Auf ihrem rund zwei Jahre dauerndem Flug zur Sonne nutzt die Sonde mehrmals die Gravitation von Erde und Venus, um Schwung zu holen. Bei diesen sogenannten Swing-by-Manövern erhöht sie neben der Geschwindigkeit auch die Neigung ihrer Umlaufbahn zum Sonnenäquator.

Beim Missionsende sieben Jahre nach dem Start soll die Neigung bis zu 24 Grad betragen. Falls Solar Orbiter darüber hinaus funktionieren sollte, sind bis zu 33 Grad geplant. Aufgrund der Neigung werden die Instrumente von Solar Orbiter Bereiche der Sonnenoberfläche in den Blick nehmen können, die von der Erde aus nicht zu sehen sind - zum Beispiel die Pole der Sonne.

Solar Orbiter wird eine sehr elliptische Umlaufbahn haben. Am sonnenfernsten Punkt, dem Aphel, wird die Sonde rund 180 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt sein. Wenn sie der Sonne am nächsten ist, am Perihel, beträgt die Distanz nur knapp 42 Millionen Kilometer. So nah kommt nicht einmal Merkur, der innerste Planet des Sonnensystems, der Sonne.

Solar Orbiter beginnt Beobachtungen im Anflug auf die Sonne

Instrumente an Bord des Solar Orbiters

Bereits während des Flugs zur Sonne haben einige Instrumente an Bord mit ihren wissenschaftlichen Messungen begonnen. Die übrigen kommen zum Einsatz, wenn die Sonde den Orbit um die Sonne erreicht hat. Damit die Strahlung der Sonne die technischen Geräte nicht beschädigt, hat Solar Orbiter einen Hitzeschild. Neun der insgesamt zehn Instrumente an Bord stammen ganz oder zum Teil von den Mitgliedsstaaten der ESA. Das verbliebene zehnte Messgerät kommt von der US-Weltraumagentur NASA. Die einzelnen Instrumente haben unterschiedliche Aufgaben: Sie erforschen beispielsweise die Eigenschaften der Ionen und Elektronen des Sonnenwinds, vermessen das Magnetfeld der Heliosphäre und machen Bilder von einzelnen Schichten der Sonnenatmosphäre.


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