Treibhausgase Wie der CO2-Fußabdruck die Klima-Realität verschleiert

Von: Tanja Fieber und Franziska Konitzer

Stand: 27.10.2021

CO2-Fußabdruck berechnen und reduzieren und alles ist gut? So einfach ist es leider nicht. Auch wenn Ölkonzerne das suggerieren. Denn nicht wir als Einzelpersonen sind für die meisten Treibhausgase verantwortlich: Weit mehr entstehen bei Energiewirtschaft und Industrie.

Hochfackel an der Shell Rheinland Raffinerie bei der Inbetriebnahme der Wasserstoffelektrolyse REFHYNE Anlage von Shell am Standort in Wesseling. (Themenbild, Symbolbild) Wesseling, 02.07.2021 | Bild: picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres

Der CO2-Rechner Wie er entstand

BP bewirbt auf Twitter seinen CO2-Rechner. | Bild: BP / Twitter

Der Ölkonzern BP, früher British Petroleum, machte das Konzept des CO2-Fußabdrucks (Englisch: Carbon Footprint) weltweit bekannt. Das Unternehmen brachte 2004 einen CO2-Rechner heraus, mit dem Menschen berechnen können, für wie viel CO2-Emissionen sie verantwortlich sind. BP lenkte mit dieser Werbekampagne geschickt die Aufmerksamkeit vom massiven CO2-Fußabdruck der Ölkonzerne auf Individuen um. Dabei sind Einzelpersonen nicht die Hauptverursacher von CO2-Emissionen. Individuen können mit ihrem Verhalten nur wenig Einfluss auf weltweite und nationale Treibhausgasemissionen nehmen, etwa das Auto stehenlassen und als Hausbesitzer ökologisch heizen, Häuser energetisch sanieren oder nachhaltiges Baumaterial wählen.

Grafik Wer stößt die meisten Treibhausgase in Deutschland aus?

Wer stößt im Jahr 2020 die meisten Treibhausgase in Deutschland aus? Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit | Bild: Daten: BMU / Grafik: BR

In dieser Grafik seht ihr ihn, den Ausstoß von CO2-Äquivalent (CO2e) in Deutschland 2020 in Millionen Tonnen. Die ersten drei Plätze belegen die Bereiche Energiewirtschaft, Industrie und Verkehr. Privatpersonen haben nur auf letzteren Einfluss. Aber Auto stehen lassen und wenig fliegen sind nur eine Seite der Medaille. Die andere ist eine generelle Verkehrswende, die beispielsweise auf den Ausbau von umweltfreundlichen Personenbeförderungssystemen in Städten und auf dem Land setzt sowie auf Fahrrad-Verkehr. Ein weiterer Hebel ist die Weiterentwicklung alternativer Antriebe und Kraftstoffe. Tempolimit ist das nächste Thema: Während es in vielen europäischen Ländern gilt, wird in Deutschland seit Jahrzehnten darüber gestritten. Seinen CO2-Fußabdruck zu berechnen und ihn reduzieren zu wollen, bringt also nur mäßig etwas im Verkehrssektor. Man sollte nicht im Klein-Klein steckenbleiben. Es muss sich mehr ändern. Und schneller.

Anschauen: Was bedeutet CO2-neutral?

Die Zahl Eine Milliarde US-Dollar

Eine Milliarde US-Dollar: So viel Geld haben die fünf größten börsennotierten Ölkonzerne - Exxon, Shell, BP, Chevron und TotalEnergies - für Lobby-Arbeit gegen die Erkenntnisse der Klimaforschung ausgegeben. Quelle: InfluenceMap | Bild: colourbox.com / Montage: BR

So viel Geld haben die fünf größten börsennotierten Ölkonzerne - Exxon, Shell, BP, Chevron und TotalEnergies - für Lobby-Arbeit gegen die Erkenntnisse der Klimaforschung und das Pariser Klimaabkommen vom 12. Dezember 2015 ausgegeben. Das ist das Ergebnis einer Studie der unabhängigen Denkfabrik (Thinktank) InfluenceMap. Dabei wissen Ölkonzerne wie Exxon Mobil bereits seit den 1970er-Jahren, dass der Ausstoß von Treibhausgasen zum Treibhauseffekt führt und zu einer Klimaerwärmung. Diese Fakten haben die Unternehmen auch nicht angezweifelt. Nur öffentlich werden sollten die Informationen nicht.

Im Oktober 2019 wurde Exxon Mobil von der New Yorker Generalstaatsanwaltschaft verklagt. Der Vorwurf: Der Konzern habe seine Anleger in Sachen Klimafolgen getäuscht. Exxon Mobil wies den Vorwurf zurück - und gewann den Prozess. Begründung: Im Sinne des US-Wertpapiergesetzes wurde die Wertpapier-Anleger nicht getäuscht. Von einer Verantwortung als Verursacher von Treibhausgasen wurde der Konzern aber nicht freigesprochen. Im Prozess sagte auch der frühere Exxon-Chef Rex Tillerson aus. Unter dem früheren US-Präsidenten Donald Trump amtierte er ein Jahr lang als US-Außenminister. Von Exxon Mobil war zu hören, dass das Unternehmen den Prozess als Verschwendung von Steuergeldern ansah.

Klimaforschung James F. Black

Klimaforscher und Exxon-Mitarbeiter James F. Black. | Bild: Urheber/Montage BR

Das ist James F. Black (1919-1988). Der Klimaforscher arbeitete rund 40 Jahre lang als Wissenschaftsberater für den Ölkonzern Exxon, später in Exxon Mobil umbenannt. Im Juli 1977 klärte er die Geschäftsleitung in einem Vortrag über den "Treibhauseffekt" auf, das heißt die Folgen des Ausstoßes von CO2-Emissionen für das Klima. Von dieser Präsentation gibt es ein Update und Transkript vom Juni 1978, das man online einsehen kann. Die Klimaerwärmung ist dort schon korrekt berechnet und ein Zeitraum von fünf bis zehn Jahren genannt, um sich das nötige Wissen zum Handeln anzueignen.

Notiert Aus Blacks Präsentation von 1977

"(..) there is a general scientific agreement that the most likely manner in which mankind is influencing the global climate is through carbon dioxide release from the burning of fossil fuels. A doubling of carbon dioxide is estimated to be capable of increasing the average global temperature by 1 to 3 °C, with a 10 °C rise predicted at the poles. More research is needed, however, to establish the validitiy and significance of predictions with respect to the Greenhouse Effect. It is currently estimated that mankind has a 5-10 year time window to obtain the necessary information."

J. F. Black, Wissenschaftsberater bei Exxon.

Paukenschlag-Urteil Der Prozess gegen Shell 2021

26.05.2021, Den Haag: Donald Pols, Direktor der Umweltorganisation "Milieudefensie" jubelt nach Urteilsverkündung im Prozess gegen Royal Dutch Shell. | Bild: picture alliance/ANP/Remko de Waa

Zwischen 1986 und Mai 2020 gab es nach Angaben der London School of Economics rund 1.600 Klimaprozesse, meist in den USA. Insgesamt nehmen Klima-Klagen weltweit zu. So wurde 2019 der US-Mineralölkonzern Exxon Mobil in New York verklagt und im Mai 2021 der niederländische Ölkonzern Royal Dutch Shell in Den Haag. Das Urteil gegen Shell geriet zur Sensation und könnte zum Präzedenzfall werden: Der Ölkonzern wurde dazu verurteilt, seine Emissionen bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2019 um 45 Prozent reduzieren. Erstmalig in der Geschichte geht es dabei um Emissionen, die dadurch entstehen, dass Shell Öl verkauft, das irgendwo auf der Welt verbrannt wird und CO2-Emissionen freisetzt.

Geklagt hatten sieben Umweltorganisationen, unterstützt von mehr als 17.000 Bürgerinnen und Bürgern. Die Forderung: Royal Dutch Shell solle das Pariser Klimaabkommen umsetzen. Der Vorwurf: Der Ölkonzern stoße pro Jahr rund neunmal mehr CO2 aus als der Staat Niederlande. Shell reagierte: Die Klage sei unangemessen und ohne gesetzliche Grundlage. Der Konzern wies darauf hin, dass er bereits Milliarden Euro in den Klimaschutz investiere und sich zum Ziel gesetzt habe, bis 2050 emissionsfrei zu arbeiten. Royal Dutch Shell nahm das Urteil mit Enttäuschung auf und kündigte Berufung an. Im Juli 2021 akzeptierte Shell das Urteil.

Reduce, Reuse, Recycle Nachhaltig leben mit den "6 Rs"

Die 6 Rs: Refuse, Reduce, Reuse, Repair, Recycle, Rot. Auf Deutsch heißt das: Unökologische Produkte wie Plastikflaschen ablehnen, Abfall reduzieren, Dinge wiederverwenden, reparieren oder recyceln und Lebensmittel kompostieren. | Bild: picture alliance/ZUMAPRESS.com/Pavlo Gonchar

Die "6 Rs" sind stehen für "Refuse, Reduce, Reuse, Repair, Recycle, Rot". Auf Deutsch heißt das: Unökologische Produkte wie Plastikflaschen ablehnen, Abfall reduzieren, Dinge wiederverwenden, reparieren oder recyceln und Lebensmittel kompostieren. Wer so lebt, spart Energie, schont Ressourcen und trägt dadurch auch zum Klima- und Umweltschutz bei. Das kann jeder Einzelne für unseren Planeten tun. Denn "der beste Abfall ist der, der gar nicht erst entsteht." Heißt: Was nicht produziert wird, verschwendet auch keine Energie.