Im Jahr 1901 kommt eine besondere Frau in Mülheim an der Ruhr zur Welt: Clärenore Stinnes. Ihr Vater, Hugo Stinnes, ist ein einflussreicher Großindustrieller. Von klein auf schlägt Clärenore einen anderen Lebensweg ein, als es für Frauen damals üblich war. Sie interessiert sich schon als Kind für Autos, dreht mit 15 erste Runden auf dem Werksgelände und ist mit 18 Jahren im Besitz des Führerscheins. Im Jahr 1919 sind Frauen am Steuer noch eine Rarität.

Clärenore Stinnes wird die erfolgreichste Rennfahrerin Europas

Auch im Unternehmen ihres Vaters ist sie aktiv. Als dieser unerwartet stirbt, ist Clärenore 24 Jahre alt und der festen Überzeugung, eine Rolle in der Firma zu übernehmen. Ihre Mutter ist anderer Meinung: Sie möchte Clärenore unter der Haube und am Herd sehen. Davon lässt sich Clärenore nicht beeindrucken: Sie geht nach Berlin und fängt unter anderem damit an, Autorennen zu fahren. Sie gewinnt bis 1927 insgesamt 17 Titel und ist damit die erfolgreichste Rennfahrerin in Europa.

Clärenore Stinnes sucht das Abenteuer und startet eine Weltreise mit Auto

Inspiriert von Charles Lindbergh, dem im Mai 1927 die erste Alleinüberquerung des Atlantiks gelingt, kommt Clärenore Stinnes auf die Idee, mit dem Auto um die Welt zu fahren. Ihre Familie wollte sie bei diesem Vorhaben nicht unterstützen. Die selbstbewusste Clärenore Stinnes sammelte die nötigen 100.000 Reichsmark anderswo ein: Bosch, Continental und Aral sponserten ihre Fahrt. Die Firma Adler schenkt ihr eine nagelneue Limousine Standard 6 mit Drei-Gang-Getriebe und 45 PS. 

Der Chef der Film-Firma Fox überzeugt sie, neben zwei Mechanikern unbedingt einen Fotografen, beziehungsweise Kameramann, auf ihrer Weltreise mitzunehmen. So kommt neben zwei Mechanikern und einem Lkw als Begleitfahrzeug auch der Schwede Carl-Axel Söderström mit. Außerdem dabei: Clärenores Hund "Lord", ein schwarz-brauner Gordon Setter.

Weltreise mit Hindernissen - doch Clärenore Stinnes gibt nicht auf

Die Fahrt beginnt am 25. Mai 1927 in Frankfurt. Die einzige Sonderausstattung sind Liegesitze, um im Auto schlafen zu können. Die Reise ist schon allein wegen der überwiegend noch nicht vorhandenen Straßen alles andere als eine Spazierfahrt. Nach 500 Kilometern, in der damaligen Tschechoslowakei, gibt die Kupplung den Geist auf. In Syrien geht der Benzintank des Lkw kaputt, zwei Reifen explodieren. Wenig später brechen alle Bolzen am Hinterrad. In Russland versinken die Autos im Dauerregen im Schlamm. Über den Baikalsee schaffen sie es nur mit Vollgas über eine Eisspalte.

Clärenore Stinnes - die unerschrockene Abenteurerin treibt das Reise-Team voran

Clärenore ist diejenige, die ihr Team immer antreibt. Zur Not streicht sie das Mittagessen, um vorwärts zu kommen. In Moskau kann einer der Mechaniker nicht weiter mitfahren, weil er am Blinddarm operiert werden muss. Dem anderen Mechaniker wird die Reise zu strapaziös, er steigt kurz darauf aus. Nur Carl-Axel Söderström hält durch und ist von Clärenore zusehends beeindruckt. Die Annäherung der beiden ist allerdings äußerst zaghaft - nach der waghalsigen Überquerung des Baikalsees bietet Clärenore Carl-Axel das "Du" an.

Die Reise von Clärenore Stinnes endet fast in Südamerika

Das größte Abenteuer ist die Überquerung der Anden. Der Lkw wird angesichts der kommenden Strapazen in Los Angeles untergebracht, ebenso wie, schweren Herzens, der Hund. In Peru geht zeitweise gar nichts mehr. 42 Männer versuchen mit langen Seilen das Auto zu bewegen, das im Treibsand feststeckt. Felswüste verhindert das Weiterkommen - doch Clärenore hat Dynamit im Kofferraum.

Schließlich sind sie fast am Ende, das Wasser geht ihnen aus, sie trinken bereits aus dem Kühler. Sie müssen das Auto schließlich stehenlassen und zu Fuß weitergehen. Irgendwie schaffen sie es bis zum Titicacasee. Ein neues Getriebe muss aus Deutschland bestellt werden. Während sie warten, wird Carl-Axel Söderström schwer krank. Clärenore pflegt ihn.

Clärenore Stinnes Triumphzug durch Nordamerika und Heimkehr nach Berlin

Die letzte Etappe der Reise ist ein Zuckerschlecken: In den USA genießen sie die Fahrt auf den Highways. In Los Angeles wird Hund "Lord" wieder eingesammelt. Und im Weißen Haus empfängt sie US-Präsident Herbert Hoover. Von New York geht es schließlich mit dem Schiff nach Le Havre.

Nach über zwei Jahren, am 24. Juni 1929, erreichen Clärenore Stinnes, Carl-Axel Söderström und "Lord" Berlin und drehen auf der Rennstrecke AVUS eine umjubelte Ehrenrunde. Der Tacho zeigt 46.758 Kilometer. Carl-Axel hat 10.000 Meter Film gedreht. Im Jahr 1931 kommt der fertige Film in die Kinos.

Clärenore Stinnes und Carl-Axel Söderström heiraten und ziehen nach Schweden

Clärenore Söderström, geborene Stinnes, 1983 im Alter von 82 Jahren.

Nach der Reise lässt sich Carl-Axel Söderström von seiner ersten Ehefrau scheiden und aus Fräulein Stinnes wird im Dezember 1930 Frau Söderström. Um die beiden wird es ruhig. Sie ziehen nach Schweden auf ein Gut. Clärenore züchtet Pferde und widmet sich den drei Kindern, Carl-Axel betreibt Landwirtschaft. Am 7. September 1990 stirbt Clärenore Söderström mit 89 Jahren in Schweden.