Mikrobiom Die richtigen Bakterien im Darm stärken eure Gesundheit

Von: Veronika Bräse

Stand: 22.09.2023

Das Mikrobiom des Darms, früher Darmflora genannt, besteht vor allem aus nützlichen Bakterien, Pilzen und Viren. Gesunder Darm, gesunder Mensch - was jede und jeder dafür tun kann.

Frau fasst sich an den Bauch | Bild: picture alliance / Bildagentur-online/Beg

Vielen ist der Darm und alles, was darin passiert, suspekt. Dabei ist unser Darm so wichtig, und sein Mikrobiom erst recht: Es verdaut, liefert Energie, wehrt Fremdkörper ab und trainiert unser Immunsystem. Gesunder Darm, gesunder Mensch - hier erfahrt ihr, was ihr dafür tun könnt.

Mit sechs Metern Länge schlängelt sich der Darm vom Magenpförtner bis zum After durch den Bauch. Trotz seiner Größe gehört er nicht gerade zu den Organen, über die man gerne spricht. Und das obwohl Durchfall, Verstopfung und Darmerkrankungen zu den häufigsten Gesundheitsproblemen überhaupt zählen. Manche helfen sich mit lebenden Mikroorganismen, sogenannten Probiotika, aber Vorsicht: Nicht jeder Mensch verträgt sie.

Mikrobiom Darm: Was ist das eigentlich?

Darm mit Mikroorganismen | Bild: picture alliance / Zoonar | Alexandra Troyan

Das Mikrobiom Darm besteht aus einer Vielzahl Mikroorganismen und bildet die Darmflora.

Früher hieß das Mikrobiom Darmflora. "Flora" deshalb, weil man sämtliche Mikororganismen zu den Pflanzen zählte. Heute bilden Bakterien eine eigene Domäne und setzen sich von Pflanzen und Pilzen ab, die zu den Eukaryota zählen. Jetzt spricht man öfter vom "Mikrobiom Darm" und meint damit die Gesamtheit der Lebewesen, die sich im Dünn- und Dickdarm angesiedelt haben. Das sind vor allem Bakterien, aber auch Viren und Pilze. Auch Archaeen lassen sich nachweisen - also Mikroben, die im Stammbaum des Lebens sehr früh entstanden sind. Beim Stuhlgang zeigt sich unter dem Mikroskop: Ein Drittel unserer Verdauungsprodukte besteht aus Kleinstlebewesen aller Art.

Zitat: Wissen wir schon alles übers Mikrobiom Darm?

"Wir wissen, dass im Darm eine Vielzahl Mikroorganismen enthalten sind. Auch Paristen gibt es da. Vermutlich tummeln sich noch andere Lebewesen in der Darmflora. Das komplexe Zusammenspiel haben wir noch nicht in allen Details verstanden."

Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin mit Schwerpunkt Darm und Ernährung in München

Mikrobiom Darm: Wie entsteht es?

Unser Mikrobiom entsteht in den ersten Tagen unseres Lebens. Ein Baby nimmt bei der Geburt erste Bakterien auf: entweder über die Vaginalschleimhaut oder bei einem Kaiserschnitt über die Haut der Mutter. Mit der Muttermilch bekommt ein Säugling vor allem Milchsäurebakterien. Später entwickelt sich die Darmflora immer weiter, je nachdem, was wir essen und trinken. Irgendwann beherbergt allein der Dickdarm schätzungsweise 100 Billionen Mikroorganismen. Sie bringen bei Erwachsenen zwei Kilogramm Gewicht auf die Waage. Die Besiedlung sieht bei jedem Menschen ein bisschen anders aus: Jeder hat seinen eignen "Darmflora-Fingerabdruck". Der bleibt aber nicht immer gleich, sondern ändert sich mit den Lebensgewohnheiten. Und: Ein Mensch in Südamerika hat einen anderen Darmflora-Fingerabruck als ein Mensch auf Island, weil der eine vielleicht viel Mais, der andere aber viel Fisch isst.

Video: Was die Ernährung ausmacht

Mikrobiom Darm: Warum brauchen wir es?

Der Darm dient der Verdauung. | Bild: picture alliance / Zoonar | CarmelStudio

Dünndarm und Dickdarm müssen alles verarbeiten, was wir essen und trinken.

  • Energielieferant: Dünn- und Dickdarm sind wichtig bei der Verdauung. Sie ziehen Energie aus Nahrungsmitteln und versorgen unseren Körper damit. Darmbakterien können auch selbst Vitamine und kurzkettige Fettsäuren herstellen.
  • Schutzschicht: Der Darm ist mit einer Bakterienschicht ausgekleidet. Sie verhindert rein mechanisch, dass krankmachende Erreger in den Körper eindringen können. Der Darm ist also eine Art Polizeiwache im Körper für Keime aller Art.
  • Immunsystem: Der Darm schlägt mit Durchfall und Erbrechen Alarm, wenn ihn unliebsame Erreger durchqueren. Er trainiert mit seinen Erfahrungen das Immunsystem des gesamten Körpers.

Zitat: Darmbakterien machen unser Immunsystem fit

"Darmbakterien sind eine Art Trainingslager für unser Immunsystem. Das heißt, über 80 Prozent unserer Abwehrzellen des Körpers befinden sich im Darm und werden dort auch trainiert. Durch diese Interaktion mit den Bakterien lernt das Immunsystem zu unterscheiden, was ist gefährlich und was kann es tolerieren. Wann muss es eine Abwehrreaktion oder Entzündungsreaktionen auslösen und wann nicht."

Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin mit Schwerpunkt Darm und Ernährung in MünchenWie sicher und wirksam ist die Übertragung des Mikrobiom

Video: Warum das Mikrobiom für eure Gesundheit so wichtig ist

Zitat: Die Darm-Hirn-Achse

"Studien zeigen, dass sich das Mikrobiom von Menschen, die an Depression, Demenz oder Autismus leiden, von den Darmbakterien gesunder Menschen unterscheidet. Da gibt es offenbar einen Zusammenhang. Deshalb spricht man von Darm-Hirn-Achse. Aber auch die Haut zeigt Abwehrreaktionen wie Neurodermitis oder die Lunge reagiert mit Asthma und Allergien. Es gibt also auch eine Darm-Haut- und eine Darm-Lungen-Achse."

Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin mit Schwerpunkt Darm und Ernährung in München

Darmkur: Was ihr dafür tun könnt

Was dem Darm gut tut:

  • Ballaststoffe: Vollkornprodukte, Ost und Gemüse, das alles brauchen die Mikroorganismen im Darm, um sich zu ernähren, zu wachsen und wehrhaft zu bleiben. Sie fördern eine gesunde, artenreiche Darmflora.
  • Präbiotika: Das ist eine Untergruppe der Ballaststoffe. Sie fördern eine günstige Zusammensetzung der schützenden Bakterienarten im Darm und sind in Gemüsewie Chicorée, Schwarzwurzeln, Spargel, Lauch und Zwiebeln enthalten.
  • Probiotische Lebensmittel: Sie enthalten lebende Keime, die dem Darm zuträglich sind: Dazu gehören fermentierten Nahungsmittel wie Sauerkraut und Essiggurken sowie Milchprodukte wie Joghurt, Kefir und Ayran, Dickmilch und Lassi.
  • Probiotika: Ein schwerer Magen-Darm-Infekt oder die Einnahme eines Antibiotikums können die Darmflora schädigen. Dann kann es in Absprache mit der Ärztin oder dem Arzt sinnvoll sein, gezielt Probiotika aus der Apotheke einzunehmen, um den Darm zu sanieren. Die Kapseln enthalten lebensfähige Mikroorganismen, zum Beispiel Milchsäurebakterien und Hefen.

Was dem Darm eher schadet:

  • Antibiotika: Der Darm leidet, wenn Bakterien durch Antibiotika abgetötet werden. Da erwischt es auch die Guten. Deshalb nur ein Antibiotikum einnehmen, wenn es wirklich erforderlich ist, also nicht bei Erkältungen, bei denen Viren die Ursache sind.
  • Fastfood: Einseitige Ernährung und viele industriell hergestellte, hoch verarbeitete Lebensmittel reduzieren die Artenvielfalt im Darm. Deshalb lieber einkaufen und selbst kochen.
  • Häufiges Snacken: Wer immer wieder Kleinigkeiten isst, hält den Darm auf Trab. Er hat dann wenig Zeit, sich zu erholen. Also besser feste Mahlzeiten mit mehrstündigen Essenspausen einhalten. Dann kann der Darm sein Selbstreinigungsprogramm ablaufen lassen.
  • Zucker: Süßigkeiten regen ungünstige Pilze, Viren und Bakterien dazu an, sich zu vermehren. So kann es zu Darmentzündungen kommen. Besser Obst essen als Süßigkeiten, weil Obst auch Ballaststoffe enthält.

Darmsanierung: Brauche ich wirklich eine Darmkur?

Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass eine Darmsanierung die Gesundheit verbessern würde. Das Konzept zu entschlacken ist veraltet. Denn wir sammeln gar keine Schlacken oder Giftstoffe im Körper an. Wer eine normale Verauung hat, scheidet alles, was nicht gebraucht wird, von allein wieder aus. Besonders fragwürdig ist, eine Darmsanierung mit einer Darmreinigung zu beginnen. Also entweder mit einem Einlauf oder mit Glaubersalz. Das erzeugt Durchfall und schwemmt wertvolle Darmbakterien, die sich über Jahre aufgebaut haben, einfach wieder aus. Sinnvoll ist jedoch eine Umstellung auf gesunde Lebensmittel wie Vollkorn, Obst, Gemüse, Sauerkraut und Joghurt oder Dickmilch. Probiotische Lebensmittel tragen dazu bei, nach und nach eine gesündere Darmflora zu entwickeln. Sie schützt vor Krankheiten, stärkt die Immunabwehr und macht uns fit.

Probiotika: Sind Kapseln aus der Apotheke für alle sinnvoll?

"Probiotika können auch Nebenwirkungen haben, beispielsweise bei immunsupprimierten Patienten. Und auch bei Menschen mit sensiblen Bäuchen wird nicht jedes Probiotikum vertragen , weil sie lebende Mikroorganismen enthalten, die im Einzelfall auch Schaden anrichten können."

Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin mit Schwerpunkt Darm und Ernährung in München

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