Erschöpfung Keine Energie - wie bekommt ihr wieder mehr Power?

Von: Roland Schenke

Stand: 20.01.2023

Ihr möchtet fit sein, voller Energie - fühlt euch aber nur ausgepowert? Willkommen im Club! Ihr leidet - wie eine Mehrheit der Menschen in Deutschland - unter Erschöpfung und fehlender Energie. Besonders betroffen nach einer Civey-Umfrage von 2022: jüngere Arbeitnehmer:innen, Menschen in Ausbildung, Studierende. Leistungs- und Zeitdruck, Freizeitstress und Sorgen aufgrund der unsicheren Weltlage, das sind echte Energieräuber. Wie kommt ihr raus aus einem temporären Energietief, wie könnt ihr einen Burnout vermeiden - und woran merkt ihr, dass euer Zustand auf eine Depression hindeuten kann?

Eine junge Frau liegt erschöpft auf der Couch. Sich erholen ist wichtig. Es gibt außerdem zahlreiche Tipps, um wieder mehr Energie zu bekommen. Allerdings muss man aufpassen, dass zu viel Stress und eine zu hohe Belastung nicht in einen Burnout oder eine Depression münden. | Bild: colourbox.com

Mitochondrien: Woher kommt die Energie?

Euer Körper kann unglaublich viel Energie bereitstellen. Dazu braucht ihr Sauerstoff, Nährstoffe und Billionen kleiner Kraftwerke, die Mitochondrien. In jeder Zelle habt ihr Hunderte bis Tausende davon. Sie verändern ständig ihre Form und bauen Zellen um. Aber vor allem wandeln sie das, was ihr esst, mithilfe von Sauerstoff in Energie um, genauer gesagt in ein Molekül, das überall im Körper als eine Art universelle Energieform eingesetzt wird: das Adenosin Triphosphat, kurz ATP. Mit diesem Treibstoff bewegt ihr die Muskeln, denkt oder erneuert eure Zellen.

Damit die Mitochondrien effektiv arbeiten können, benötigen sie nicht nur Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße, sondern auch Vitamine und andere Mikronährstoffe, vor allem die B-Vitamine oder die Mineralstoffe Zink, Selen, Kalzium und Magnesium. Eure Energielieferanten brauchen außerdem auch Zeiten ohne Nahrung, in denen sie sich regenerieren, Belastungs- und Ruhephasen. Sie sind also auf ein gutes Energiemanagement angewiesen, das die richtigen Signale gibt. Und damit sind wir beim Gehirn.

Video: Die erschöpfte Gesellschaft - die erschöpfte Frau

Kopfsache: So mobilisiert ihr Energie

Ohne mentale Energie liegt auch der fitteste Körper flach. Wenn ihr Energie haben wollt, braucht ihr psychischen Antrieb: Motivation. Und die entsteht im Kopf, im sogenannten Belohnungssystem eures Gehirns. Das lässt euch unangenehme Reize vermeiden und angenehme suchen. Dazu - und da wird es etwas kompliziert - vernetzt es drei Gehirnregionen: Eine im Orbitofrontalen Cortex direkt über den Augenhöhlen, der für die Wahrnehmung wesentlich ist. Die Amygdala im inneren Teil der Großhirnrinde, mit deren Hilfe Gefahren erkannt und bestimmte Reize mit Angst verbunden werden. Und drittens die Basalganglien tief im Mittelhirn, das für den Antrieb, fürs vorausschauende Planen und Glücksgefühle aktiv sein muss. Für die Kommunikation - auch mit dem ganzen Körper - setzt dieses Belohnungssystem voll auf Chemie, auf Botenstoffe, körpereigene hochwirksame Drogen: die Hormone.

Neurotransmitter: Stoff für die Motivation

Ein Mann freut sich: Große und kleine Erfolge beglücken uns mit Endorphinen - und neuer Motivation. So lernt unser Gehirn, dass es sich lohnt, durchzuhalten. | Bild: colourbox.com

Große und kleine Erfolge beglücken uns mit Endorphinen - und neuer Motivation.

Um motiviert zu sein, braucht ihr Dopamin und Serotonin. Während Serotonin die Negativ-Motivation Angst dämpft und gelassen macht, steigert Dopamin die positive Motivation. Erwartet das Belohnungssystem etwas Angenehmes, flutet es das Gehirn mit Dopamin und sorgt so für Antrieb. Bei Erfolg schüttet das System dann Endorphine aus, körpereigene Opiate, die eine Art Rauschzustand erzeugen. Die Erinnerung daran sorgt bei der nächsten Aufgabe für neue Motivation. So lernt euer Gehirn, dass es sich lohnen kann, durchzuhalten und sich anzustrengen, obwohl die erhoffte Belohnung in der Zukunft liegt.

Video: Multitasking kann zu Burnout und Depressionen führen

Im Power-Modus: Was bringt Stress?

Wenn der Körper dringend Energie braucht, schaltet euer Gehirn in eine Art Power-Mode: Stress. Eine Kette von Hormon-Signalen jagt vom Hypothalamus über die Hypophyse zu den Nebennieren und triggert dort die Produktion des Stresshormons Kortisol. Das versetzt den ganzen Körper in Alarmzustand. Das Herz schlägt schneller, die Blutbahnen weiten sich, die Muskeln spannen sich. Die Leber, der zentrale Energiespeicher, setzt Glukose frei: Und in den Zellen verwandeln die Kraftwerke der Zellen, die Mitochondrien, Glukose in pure Energie. Ihr werdet schneller, stärker, fokussierter, ausdauernder.

Gleichzeitig drosselt das Kortisol alles, was nicht fürs Kämpfen oder Weglaufen nötig ist: Der Darm wird träge, Sexualtrieb, Schmerzempfinden und Immunsystem fahren runter. Deshalb bekommt ihr bei anhaltendem Stress leichter Entzündungen, Gefäßkrankheiten, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Stress ist eine hohe Belastung und kostet viel Energie. Die müssen die Mitochondrien bereitstellen. Dabei produzieren sie vermehrt freie Radikale, die dem Körper schaden können. Stress macht euch also nur fit, wenn euer Körper es schafft, ihn schnell wieder runterzufahren. Bei Dauerstress droht ein Burnout.

Burnout: Krankheit oder Selbstschutz?

Abgebrannte Streichhölzer - ein Symbolbild für ausgebrannte Menschen. Dass man temporär keine Energie hat und der Akku leer ist, ist normal und schützt uns. Es darf nur kein Dauerzustand sein, sonst kann es auf Burnout oder Depression hindeuten.  | Bild: colourbox.com

Keine Energie mehr, antrieblos, leicht reizbar und Schwierigkeiten beim Konzentrieren und Schlafen? Könnte ein Burnout sein.

Die Krankenkasse AOK hat in ihrem Fehlzeitenreport 2020 hochgerechnet: Wegen Burnout waren 2020 in Deutschland rund 180.000 Menschen krankgeschrieben, mit insgesamt circa 4,5 Millionen Fehltagen. Dabei ist "Burnout" - anders als etwa Depression - gar nicht als "Krankheit/Störung" definiert, sondern als "Problem der Lebensführung" und als Risikofaktor für Krankheiten wie Depression, Sucht oder Schlafstörungen. Im neuesten internationalen Diagnoseschlüssel ICD-11 wird das "Burnout-Syndrom" erstmals eigenständig definiert: als Gefühl des Energieschwunds, innere Distanz zur Arbeit und verminderte berufliche Leistungskraft aufgrund von unbewältigtem Stress am Arbeitsplatz.

Wichtig ist es, Warnzeichen früh zu erkennen, denn um einem Burnout zu vorzubeugen, helfen schon einfache Tipps: Mehr Bewegung, genug Schlaf, Handy weg, Zeit fürs Essen nehmen! In der Arbeit solltet ihr konsequent mehr Pausen machen, bei Dienstschluss wirklich abschalten und keine Mails mehr beantworten. Warnzeichen wie zum Beispiel Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Gereiztsein, fehlender Antrieb oder ein Gefühl der Leere solltet ihr ernst nehmen. Je später ihr etwas gegen den drohenden Burnout unternehmt, desto schwerer und langwieriger wird die Behandlung.

Viele Psychiater gehen aber davon aus, dass ein erheblicher Teil der Burnout-Betroffenen eigentlich an Depressionen erkrankt ist, das aber mit dem sozial kompatibleren Begriff Burnout benannt wird. Auch neue Studien, wie "Burned-out with burnout?", die der Schweizer Psychologe Renzo Bianchi mit internationalen Kolleg:innen Ende 2022 veröffentlicht hat, legen nahe, statt von Burnout besser von einer berufsbedingten Depressionsform zu sprechen.

Klar ist jedenfalls, dass Burnout-Zustände auch ein biologisch sinnvolles Mittel eures Körpers sein können, sich zu schützen. Eine gesunde Reaktion auf ungesunde Bedingungen: Dauerstress. Dieses Warnsignal, dass Durchhalten und Weitermachen gerade die falsche Strategie ist, solltet ihr dann besser ernst nehmen und zulassen, auch mal keine Energie zu haben.

Raus aus dem Tief! Was hilft, was schadet?

Davon gerne mehr:

  • Immer wieder Neues ausprobieren, die eigene Komfortzone verlassen und sich kleinen Dosen von Stress aussetzen. Dann lernt euer Gehirn, dass es mit kleinen Krisen umgehen kann und kommt auch mit großen Krisen besser klar. Stressimpfung nennen Psycholog:innen das.
  • Neubewertung. Eine Technik, Situationen, die ihr immer als belastend empfindet, bewusst anders zu betrachten. Dann wird aus diesem katastrophalerweise abgesagten Termin die Möglichkeit für eine tolle extra Pause.
  • Emotionsregulation üben. Belastenden Input gezielt beiseite schieben und den Fokus auf Positives richten.
  • Unterstützung suchen. Gibt es Personen, mit denen ihr über eine Krise reden könnt? Egal, ob sie eine Lösung wissen - allein das Gefühl, gesehen und verstanden zu werden, stärkt und schützt euch.
  • Etwas tun. Es muss gar nichts zur Problemlösung beitragen. Wenn ihr zum Beispiel anderen helft oder euch selbst etwas Gutes tut, merkt ihr, dass ihr Dinge sehr wohl verändern könnt. Dieses Erlebnis von "Selbstwirksamkeit" schützt euch.

Davon bitte weniger:

  • Evolutionsbedingt fokussiert der Mensch eher auf Gefahren als auf Belohnungen, um sein Überleben zu sichern. Aber katastrophisieren schadet euch. Wenn Energie und Motivation fehlen und ihr dann noch zu viel darüber nachdenkt, was alles schieflaufen könnte, droht eine mentale Negativspirale.
  • Verkriechen, niemanden mehr treffen, dauerhaft nichts tun, Herausforderungen und Stress vermeiden: Das tut zwar manchmal gut, es nimmt euch aber das Learning, dass ihr auch Belastungen übersteht - dem Gehirn fehlt dann die Stresssimpfung.
  • Gefährlicher als große Katastrophen sind oft Situationen mit chronischer, unkontrollierbarer Belastung, die ihr nicht ändern oder vermeiden könnt. Die schwächen eure psychischen Abwehrkräfte immer weiter. Im schlimmsten Fall bis zum Zusammenbruch.


Bei Erschöpfung hilft nur: erholen. Doch die Widerstandskraft gegen kommende Krisen, eure "Resilienz", lässt sich trainieren. Und ganz wichtig: Erschöpft sein ist ok. Zeitweise keine Energie oder depressive Gefühle zu haben, ist manchmal eine angemessene, notwendige Reaktion, mit der ihr euch vor Überlastung schützt. Eine anhaltende Depression dagegen muss dringend ärztlich behandelt werden. Um das zu unterscheiden, bietet etwa die Deutsche Depressionshilfe einen Test an.

ME/CFS: Motivation ist nicht das Problem!

"Es gibt tatsächlich Leute, die sagen, das sei ein Motivationsproblem. Und als Betroffener tut mir das sehr weh, weil, alter Schwede, bin ich motiviert! Ich bin so motiviert. Ich bin nicht depressiv, ich bin nicht überlastet. Ich will! Ich habe Hunger auf Leben und auf Dinge tun. Ich kann es nur nicht. Es ist wie eine steile Klippe, die mein Körper einfach nicht erklimmen kann. Ich habe nicht genug Blut an den Stellen, wo ich es brauche."

Marina Weisband, Psychologin und Publizistin - und eine von ca 300.000 Betroffenen in Deutschland, die an Myalgischer Enzephalomyelitis, dem Chronischen Fatigue-Syndrom, kurz ME/CFS, leiden.

Chronisches Fatigue-Syndrom: Wenn der Körper nicht mehr kann

Die Publizistin Marina Weisband ist am Chronischen Fatigue-Syndrom ME/CFS erkrankt. | Bild: BR/Roland Schenke

Die Psychologin und Publizistin Marina Weisband ist am Chronischen Fatigue-Syndrom ME/CFS erkrankt.

Allerdings gibt es auch eine Form dauerhafter Erschöpfung, die tiefgreifender ist und die auch durch Erholung nicht einfach so verschwindet: Myalgische Enzephalomyelitis oder Chronisches Fatigue-Syndrom, kurz ME/CFS. Betroffene haben massive kognitive Störungen, starke Schmerzen, Schlafstörungen oder ein extremes Schwächegefühl. Sie sind oft arbeitsunfähig, viele dauerhaft bettlägerig. Dabei handelt es sich beim Chronischen Fatigue-Syndrom nicht um eine psychosomatische Krankheit, auch wenn viele das glauben. Hier könnt ihr nachlesen, woran ihr ME/CFS erkennt und was ihr machen könnt, wenn ihr davon betroffen seid.