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Was unser Gehirn formt

Von: Ortrun Huber

Stand: 30.06.2021 15:20 Uhr

Er löst Probleme, erinnert sich an Vergangenes, plant sein Handeln und ordnet Neues bestehendem Wissen zu. Wenn der Mensch denkt, verändert sich sein Hirn. Die Formung des menschlichen Gehirns ist ein lebenslanger Prozess und endet niemals.

Das Hirn lernt nie aus

Ob Kind oder Erwachsener - unser Gehirn entwickelt sich ständig weiter. Damit Denkprozesse im Gehirn möglichst reibungslos funktionieren, verändern sich Synapsen, Nervenzellen und auch ganze Hirnareale anatomisch, aber auch im Hinblick auf ihre Aufgaben.

Um die Abläufe im Gehirn besser zu verstehen, untersuchen Forscher deshalb, wie Lernen und Erinnern ablaufen, inwiefern diese Vorgänge die Gestalt von Neuronen und Hirnarealen beeinflussen und wo sie im Hirn verorten werden könnten.

Was wird wo im Gehirn gedacht?

Neue Forschungen zeigen nun, dass es nicht egal ist, wo sich im Gehirn ein spezielles neuronales Netzwerk befindet. So, wie die Lage eines Landes auf dem Erdball einiges über das Klima, die Nachbarländer und mögliche Ressourcen aussagt, bestimmt der Ort eines neuronalen Netzwerkes mit über dessen Funktion und seine Nachbarn. Das geht aus einer Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig und des Forschungszentrums Jülich hervor.

Gehirn entlang zweier Achsen strukturiert

Zusammen mit einem internationalen Forscherteam haben die deutschen Neurowissenschaftler zwei Achsen identifiziert, entlang derer die evolutionäre Entwicklung unseres Gehirns verlief - nämlich einmal von "hinten" nach "vorn" und einmal von "oben" nach "unten".

Die Funktionen der angeordneten Hirnregionen sind dabei entlang beider Achsen hierarchisch organisiert: horizontal von grundlegenden Anlagen wie Sehen und Bewegung bis hin zu komplexen Fähigkeiten wie Informationsverarbeitung und Gedächtnis; vertikal von der Raum-Zeit-Verarbeitung bis hin zu Fähigkeiten wie Motivation oder Bedeutungszuschreibung.

Kompass fürs Gehirn

Das Wissen, warum bestimmte Hirnareale an einem bestimmten Ort und in konkreter Nachbarschaft zu anderen Netzwerken angeordnet sind, vergleichen die Forscher mit einem Kompass, mit dessen Hilfe sie sich besser im Gehirn zurecht finden können.

So hätten frühere Studien gezeigt, dass sich die Organisationsachsen von Personen mit Autismus-Spektrum-Störung von denen Gesunder unterscheiden.

"Wir können nun die Entwicklung und Funktion bestimmter Regionen besser verstehen und die Auswirkungen von Hirnstörungen besser beurteilen."

Sofie Valk, Forschungsgruppenleiterin am MPI CBS / Forschungszentrum Jülich 

Daten von Zwillingen als Grundlage der Studie

Grundlage für die Erkenntnisse der Wissenschaftler sind Daten von eineiigen und zweieiigen Zwillingen sowie nicht verwandten Personen. Anhand der Hirnstrukturen dieser Probanden erstellten die Forscher Modelle, die zeigten, inwieweit die Organisation des Gehirns genetisch bestimmt ist und wie verschiedene Hirnregionen strukturell und entwicklungsgeschichtlich miteinander in Beziehung zueinander stehen. 

Dabei zeigte sich, dass es vor allem genetische Faktoren sind, die die Lage der Hirnregionen beeinflussen. Zugleich scheint das Prinzip evolutionär sehr stabil zu sein. Denn der Vergleich mit den Gehirnen von Affen, konkret: Makaken, zeigte, dass diese ähnliche Achsen aufwiesen.

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