Gehirn Wie lernt das Gehirn?
Unser Gehirn verändert sich ständig. Die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu strukturieren, begleitet uns ein Leben lang. Was passiert aber im Gehirn, wenn wir lernen?
Das Gehirn ist ein komplexes Organ und die Schaltzentrale für unser Gedächtnis. 100 Milliarden Nervenzellen kommunizieren miteinander. Beim Lernen setzt man neue Reize. Das neuronale Netz verändert sich, es bilden sich neue Verbindungen unter den Nervenzellen, es wird dichter und größer.
"Wenn jemand anfängt, intensiv ein Instrument zu spielen, Geige lernt zum Beispiel, dann sieht man Veränderungen in Hirnbereichen, die zuständig sind für die motorische Steuerung von Fingern, weil man beim Geigespielen eben sehr viel Feinmotorik und sehr genaue Kontrolle und sehr genaues Timing der Finger braucht."
Nicolas Schuck, Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe NeuroCode - Neuronale Grundlagen des Lernens und Entscheidens, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin
Neue Verknüpfungen im Gehirn
Nicolas Schuck, Psychologe und Neurowissenschaftler am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin, erforscht mit seinem Team, wie das Gehirn Informationen verarbeitet. Gerade beim Geigelernen über Wochen und Monate hinweg, wird die Struktur des Gehirns verändert. Bestimmte Verbindungen zwischen den Nervenzellen und Hirnarealen werden aktiver, besonders diejenigen, die für das Geigespielen notwendig sind. Diese Prozesse werden als Neuroplastizität bezeichnet.
"Wir verstehen vor allen Dingen darunter die wechselseitige Beziehung von Struktur und Funktion. Also, wie ändert sich das Gehirn, wenn ich es benutze und wie verändert das veränderte Gehirn wiederum mein Handeln? Und diese Schleife, dieser Feedback-Mechanismus, den nennt man Plastizität."
Gerd Kempermann, Professor für Neurowissenschaften an der TU Dresden
Das neuronale Netz im Gehirn ist unendlich
Die Fähigkeit des Gehirns, sich immer wieder neu zu strukturieren, hilft aber auch, dass wir uns in unbekannten Umgebungen orientieren können und mit neuen Situationen zurechtkommen. Diese Anpassungsleistung hilft uns Menschen bei komplexen Zusammenhängen den Durchblick zu bewahren. Wir können schnell reagieren, abwägen, was neu und wichtig ist und mit bereits gespeicherten Informationen verbinden. Wenn Nervenzellen sich neu bilden, dann sprechen Forscher von einer Neurogenese.
"Die Funktion, von der wir vermuten, dass sie durch die neuen Zellen gebracht wird, die liegt darin, dass unser Denken flexibler ist, dass wir in der Lage sind, Informationen besser in Kontexte zu integrieren, vor allen Dingen neue Informationen in vorbestehende Kontexte."
Gerd Kempermann, Professor für Neurowissenschaften an der TU Dresden
Nervenzellen im Gehirn erneuern sich
Diese Neubildung der Nervenzellen findet hauptsächlich im Hippocampus statt. Dieser Bereich im Gehirn ist für das Gedächtnis und Lernen zuständig. Ein Hirnareal, das aber auch zur räumlichen Orientierung notwendig ist. Bis ins hohe Alter können sich im Hippocampus Nervenzellen erneuern. Das ist für Menschen von Bedeutung, die aufgrund eines Schlaganfalls viele Dinge neu lernen müssen. Das Gehirn spielt auch bei Routinen eine Rolle. "Sind wir einmal an eine Verhaltensweise gewöhnt, schalten wir gewissermaßen auf Autopilot", sagt Lars Schwabe, Professor für Psychologie an der Universität Hamburg. Das menschliche Gehirn spare damit Arbeit. Das zeigt sich auch bei der Ernährung: Essen wir Lebensmittel mit sehr viel Zucker und Fett, gewöhnt sich unser Gehirn daran und verlangt nach mehr. Wissenschaftler fanden heraus, dass Bereiche im Gehirn an Signale des Magens gekoppelt sind, die vermutlich das menschliche Hunger- und Sättigungsgefühl beeinflussen. Die Effekte von Zucker und Fett auf das Gehirn sind sogar auf MRT-Bildern zu sehen. Zu der Frage, wie lange es dauert, neue, gesunde Gewohnheiten aufzunehmen, gibt es unterschiedliche Positionen: Die Dauer variiert je nach Studie und Routine zwischen 18 und 245 Tagen.
Der Blick ins Gehirn und Gedächtnis
Mit Hilfe der Neurowissenschaften können die Fähigkeiten unseres Gehirns immer genauer erklärt werden. Ein Blick ins Gehirn ist mit bildgebenden Verfahren, wie der Magnetresonanztomographie (MRT) möglich. Damit kann man Veränderungen von Hirnarealen untersuchen und das neuronale Netz in seiner Dichte erfassen. Es bietet Möglichkeiten immer besser zu verstehen, wie unser Gehirn tatsächlich lernt. Aber die neuronalen Aktivitäten im Detail zu erkennen, dafür reicht das MRT-Verfahren nicht aus. Das neuronale Netz genauer zu verstehen, bleibt für die Hirnforschung eine große Herausforderung.
Sendungen über das Gehirn und wie das neuronale Netz im Gehirn funktioniert:
- "Vergessen - Eine elementare Strategie des Gehirns": Nah dran, Bayern 2, 19.04.2024, 9:05 Uhr
- "Erinnern und Vergessen - So funktioniert unser Gedächtnis": Planet Wissen, ARD alpha, 05.02.2024, 14.00 Uhr
- "Das Gehirn": TELEKOLLEG Biologie, ARD alpha, 26.01.2024, 06.30 Uhr
- "Lebenslanges Lernen: Gut für’s Gehirn": Notizbuch, Bayern 2, 10.01.2024, 10.05 Uhr
- "Unser phänomenales Gehirn": Planet Wissen, ARD alpha, 24.08.2023, 04.30 Uhr
- "Unser phänomenales Gehirn": Planet Wissen, ARD alpha, 23.08.2023, 13.30 Uhr
- "Prof. Dr. Gregor Eichele: Gehirnströme - wie 'Denken' funktioniert": CampusTalks, 30.06.2023, 12.00 Uhr
- "Erinnerungslücken: Warum wir auch mal was vergessen müssen": Notizbuch, Bayern 2, 20.06.2023, 10.05 Uhr
- "Gehirn": Sehen statt Hören, ARD alpha, 22.05.2023, 09.30 Uhr
- "Wie geht unser Gehirn mit Gewohnheiten um?": Campus Talks, ARD alpha, 18.03.2023, 12.00 Uhr
- "Unser phänomenales Gehirn": Planet Wissen, SWR, 06.12.2022
- "Tatort Gehirn: Wie funktioniert Erinnern und Vergessen?": Gut zu Wissen Doku, ARD alpha 01.07.2022, 18.15 Uhr
- "Wie kann man sich Dinge besser merken?": 1000 Antworten, SWR, 10.05.2022
- "Manipulierte Erinnerung?": aktiv und gesund, BR Fernsehen, 22.04.2022, 14.10 Uhr
- "Unser Gehirn - Faszination und Rätsel": Quarks, WDR, 07.04.2022
- "Wie mechanische Kräfte unser Gehirn falten": Campus Talks, ARD alpha, 29.01.2022, 12.00 Uhr
- "Was das Gehirn über uns verrät": Campus Talks, ARD alpha, 18.09.2021, 12.00 Uhr
- "Vergessen und Erinnern": radioWissen, Bayern 2, 21.07.2021, 15.05 Uhr
- "Gehirn-Tuning - Kann das unsere Leistung verbessern?": Planet Wissen, ARD alpha, 30.05.2021, 14.00 Uhr
- "Gehirn - Wie es tickt und was es auf Trab bringt": Xenius, BR Fernsehen, 02.12.2020, 15.05 Uhr
- "Wie manipulierbar ist unsere Erinnerung?": W wie Wissen, Das Erste, 07.12.2019, 16.00 Uhr
- "Das Gehirn: Die Verknüpfungen im Gehirn": telekolleg-biologie, ARD alpha, 12.03.2019, 06.30 Uhr
- "Das Gehirn: Verschiedene Felder - verschiedene Funktionen": telekolleg-biologie, ARD alpha, 12.03.2019, 06.30 Uhr
- "Ein Upgrade für dein Gehirn": Homo Digitalis, BR Fernsehen, 01.02.2018, 23.45 Uhr