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Das neuronale Netz Wie lernt das Gehirn?

Unser Gehirn verändert sich ständig. Die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu strukturieren, begleitet uns ein Leben lang. Was passiert aber im Gehirn, wenn wir lernen?

Stand: 05.12.2018

Das Gehirn ist ein komplexes Organ und die Schaltzentrale für unser Gedächtnis. 100 Milliarden Nervenzellen kommunizieren miteinander. Beim Lernen setzt man neue Reize. Das neuronale Netz verändert sich, es bilden sich neue Verbindungen unter den Nervenzellen, es wird dichter und größer.

"Wenn jemand anfängt, intensiv ein Instrument zu spielen, Geige lernt zum Beispiel, dann sieht man Veränderungen in Hirnbereichen, die zuständig sind für die motorische Steuerung von Fingern, weil man beim Geigespielen eben sehr viel Feinmotorik und sehr genaue Kontrolle und sehr genaues Timing der Finger braucht."

Nicolas Schuck, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin

Neue Verknüpfungen im Gehirn

Geige erlernen ist eine Herausforderung für das Gehirn.

Der Psychologe und Neurowissenschaftler Nicolas Schuck erforscht mit seinem Team, wie das Gehirn Informationen verarbeitet. Gerade beim Geige lernen über Wochen und Monate hinweg, wird die Struktur des Gehirns verändert. Bestimmte Verbindungen zwischen den Nervenzellen und Hirnarealen werden aktiver, besonders diejenigen, die für das Geigespielen notwendig sind. Diese Prozesse werden als Neuroplastizität bezeichnet.

"Wir verstehen vor allen Dingen darunter, die wechselseitige Beziehung von Struktur und Funktion. Also, wie ändert sich das Gehirn, wenn ich es benutze und wie verändert das veränderte Gehirn wiederum mein Handeln? Und diese Schleife, dieser Feedback-Mechanismus, den nennt man Plastizität."

Gerd Kempermann, Professor für Neurowissenschaften an der TU Dresden

Das neuronale Netz ist unendlich

Die Fähigkeit des Gehirns, sich immer wieder neu zu strukturieren, hilft aber auch, dass wir uns in unbekannten Umgebungen orientieren können und mit neuen Situationen zurechtkommen. Diese Anpassungsleistung hilft uns Menschen bei komplexen Zusammenhängen den Durchblick zu bewahren. Wir können schnell reagieren, abwägen, was neu und wichtig ist und mit bereits gespeicherten Informationen verbinden. Wenn Nervenzellen sich neu bilden, dann sprechen Forscher von einer Neurogenese.

"Die Funktion, von der wir vermuten, dass sie durch die neuen Zellen gebracht wird, die liegt darin, dass unser Denken flexibler ist, dass wir in der Lage sind, Informationen besser in Kontexte zu integrieren, vor allen Dingen neue Informationen in vorbestehende Kontexte."

Gerd Kempermann, Professor für Neurowissenschaften an der TU Dresden

Nervenzellen erneuern sich

Der Hippocampus, das Zentrum für Lernen und Gedächtnis.

Diese Neubildung der Nervenzellen findet hauptsächlich im Hippocampus statt. Dieser Bereich im Gehirn ist für das Gedächtnis und Lernen zuständig. Ein Hirnareal, das aber auch zur räumlichen Orientierung notwendig ist. Bis ins hohe Alter können sich im Hippocampus Nervenzellen erneuern. Wichtig ist dieses Wissen für Menschen, die aufgrund eines Schlaganfalls viele Dinge neu lernen müssen.

Der Blick ins Gehirn und Gedächtnis

Der Blick ins Gehirn mit bildgebenden Verfahren

Mit Hilfe der Neurowissenschaften können die Fähigkeiten unseres Gehirns immer genauer erklärt werden. Ein Blick ins Gehirn ist mit bildgebenden Verfahren, wie der Magnetresonanztomographie (MRT) möglich. Damit kann man Veränderungen von Hirnarealen untersuchen und das neuronale Netz in seiner Dichte erfassen. Es bietet Möglichkeiten immer mehr zu verstehen, wie unser Gehirn tatsächlich lernt. Aber die neuronalen Aktivitäten im Detail zu erkennen, dafür reicht das MRT-Verfahren nicht aus. Das neuronale Netz genauer zu verstehen, bleibt für die Hirnforschung eine große Herausforderung.

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