Depressionen Wie ihr aus dem seelischen Tief kommt

Stand: 07.09.2023

Freudlosigkeit, Antriebsmangel, Traurigkeit, Erschöpfung - das können Symptome einer Depression sein. Obwohl viele an der psychischen Erkrankung leiden, wird nur wenig darüber gesprochen. Hier findet ihr Infos und Anlaufstellen.

Depressionen gehören zu den häufigsten und am meisten unterschätzten Erkrankungen. Jeder fünfte Bürger erkrankt ein Mal im Leben an einer Depression. | Bild: picture alliance/Westend61/Francesco Buttitta

Depressionen können den Alltag unerträglich machen, Beziehungen ruinieren und sozial isolieren. Sie sind mittlerweile die Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit oder Frührente. Eine Depression ist eine ernstzunehmende Krankheit und die wichtigste Krankheitsursache überhaupt, wenn man den Verlust von gesunden Lebensjahren durch gesundheitliche Einschränkungen beschreibt (nach dem internationalen Indikator YLD - "years lost due to disability").

Depressionen: Nicht immer leicht zu diagnostizieren

Eine Depression zu diagnostizieren, ist nicht immer einfach, denn die Krankheit ist "ein Chamäleon unter den Erkrankungen", so das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Denn mitunter sind zum Beispiel die körperlichen Symptome so dominant, dass der Rückschluss auf eine Depression erschwert wird.

Zitat: Wann spricht man von einer Depression?

"Eine Depression ist eine häufige und schwere Erkrankung. Man spricht - rein formal - von einer Depression, wenn mehrere Krankheitszeichen für mindestens 14 Tage vorliegen."

Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung Depressionshilfe

Video: Wie sich eine Depression zeigt

Symptome: Welche Krankheitszeichen begleiten eine Depression?

  • gedrückte Stimmung
  • Interesse- und Freudlosigkeit
  • Antriebslosigkeit, bleierne Müdigkeit
  • Ängste, innere Unruhe
  • geringes Selbstwertgefühl, vermehrte Selbstkritik
  • Konzentrationsprobleme, Grübelneigung, Entschlussunfähigkeit
  • Schuldgefühle
  • Zukunftsangst
  • Schlafstörungen oder erhöhtes Schlafbedürfnis
  • Gefühl "alles wird zu viel"
  • "Gefühl der Gefühllosigkeit", innere Leere
  • Appetitlosigkeit
  • tiefe Verzweiflung, Todesgedanken
  • körperliche Symptome, für die es keine Erklärung gibt (Infos der Deutschen Depressionsliga)

Betroffene: Kurt Krömer und Torsten Sträter sprechen über Depressionen

Die Komiker Kurt Krömer und Torsten Sträter sprechen über ihre Erkrankung. Beide leiden an Depressionen. Torsten Sträter ist auch Schirmherr der Deutschen Depressionsliga.

Zitat: Torsten Sträter und die Depressionen

"Ich würde mich freuen, wenn mehr Menschen aufstehen und sagen 'ich auch', denn es macht dich ja nicht zum schlechteren Menschen." Torsten Sträter in "Hirschhausens Sprechstunde" in WDR 4 am 1. Februar 2021

Zitat: Depressionen - Stigmatisierung und Vorurteile

Mai Thi Nguyen-Kim und der Schriftzug "Depression". Freudlosigkeit, Antriebsmangel, Traurigkeit, Erschöpfung - das können Symptome einer Depression sein. Obwohl viele an der psychischen Erkrankung leiden, wird nur wenig darüber gesprochen. Hier findet ihr Infos und Anlaufstellen. | Bild: Funk

"Auch wenn immer häufiger über psychische Gesundheit gesprochen wird, leidet das Thema Depressionen immer noch unter viel Stigmatisierung oder falschen Vorurteilen. Depressionen werden häufig gar nicht als Krankheit ernst genommen." Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim in ihrem Video "Antidepressiva - ja oder nein?"

Selbsttest: Seid ihr von einer Depression betroffen?

Jeder ist mal "mies drauf" oder schlechter Stimmung. Gründe dafür gibt es genug: Ärger im Beruf, Streit mit dem Partner oder der Partnerin, Stress oder nur das schlechte Wetter. Auch wenn das nur normale und vorübergehende Stimmungstiefs sind, spricht man häufig davon, "deprimiert" zu sein. Mit einer Depression im medizinischen Sinn hat das aber nichts zu tun. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet zur ersten Einordnung einen Selbsttest an.

Video: Wann und wo ihr euch Hilfe suchen solltet

Zahlen: Wie viele Menschen sind von Depressionen betroffen?

Absolute Zahlenangaben zu den Betroffenen schwanken - je nach Quelle: Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO haben weltweit etwa 280 Millionen Menschen Depressionen (Stand: 2023). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung geht sogar von 350 Millionen Menschen weltweit aus, die an einer Depression leiden. Aber nur jeder vierte Betroffene würde adäquat behandelt. Die Gefahr, im Laufe des Lebens eine behandlungsbedürftige Depression zu entwickeln, liegt bei 16 bis 20 Prozent, meint die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer, ältere Menschen häufiger als junge.

Auswirkungen: Depressionen - typisch weiblich? Typisch männlich?

Männer sind hart im Nehmen, tapfer und willensstark, Frauen sanft und empfindsam - so die Stereotypen, die in der Gesellschaft zum Teil noch vorherrschen. Das könnte ein Grund dafür sein, dass Männer sich bei psychischen Problemen seltener Hilfe holen oder nicht darüber sprechen können. Untersuchungen zufolge erleben Männer Depressionen anders: Sie können gereizt sein, zu Aggressionen neigen, zu Alkohol oder Drogen greifen. Auch ist die Zahl der Suizide, Hauptrisikofaktor dafür sind Depressionen, bei ihnen höher als bei Frauen.

Video: Warum über Depressionen noch zu wenig gesprochen wird

Aktuelle Studie: Depressionen bei Beschäftigten

Bei jedem fünften Beschäftigten in Deutschland wurde schon einmal eine Depression diagnostiziert. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Untersuchung der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, bei der 5.283 Personen im September 2021 befragt wurden.

Grafik: Wer fühlt sich von Depressionen betroffen?

Illustration und Fakten zu Depression in Unternehmen: Deutschland Barometer Depression: Studie der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, gefördert von der deutschen Bahn Stiftung (5.283 befragte Personen). Freudlosigkeit, Antriebsmangel, Traurigkeit, Erschöpfung - das können Symptome einer Depression sein. Obwohl viele an der psychischen Erkrankung leiden, wird nur wenig darüber gesprochen.  | Bild: Deutschland Barometer Depression: Simple Line / stock.adobe.com

Hilfsangebote: Die Arbeitgebenden sind bei depressiven Erkrankungen gefragt

Für Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung Depressionshilfe, sind beim Thema "Depressionen und Job" die Arbeitgebenden gefragt: Ein offener Umgang mit der Erkrankung, Anlaufstellen im Betrieb, Schulungen für Personalverantwortliche und Informationen für alle Mitarbeitenden könnten dazu beitragen, dass Betroffene rasch professionelle Hilfe bekämen.

Fehleinschätzung: Die Rolle der Arbeit bei Depressionen

Die Rolle der Arbeit bei der Entstehung einer depressiven Erkrankung wird bei den Befragten überschätzt. Häufig werde Überforderung "als Ursache und nicht als Folge der Depression angesehen", erklärt der Experte Hegerl.

Grafik: Ursachen von Depressionen

Illustration und Fakten zu Depression in Unternehmen: Deutschland Barometer Depression: Studie der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, gefördert von der deutschen Bahn Stiftung (5.283 befragte Personen) | Bild: Deutschland Barometer Depression: Simple Line / stock.adobe.com

Ursachen: Wie kann es zu einer Depression kommen?

Experten haben verschiedene Theorien, wie eine Depression entstehen kann. Man vermutet, dass mehrere Faktoren zusammen eine Depression auslösen können. Zu den Faktoren zählen laut der Stiftung Gesundheitswissen:

  • erbliche (genetische) Veranlagungen
  • ein Mangel oder ein Ungleichgewicht bestimmter Botenstoffe wie Serotonin im Gehirn
  • hormonelle Einflüsse 
  • psychische Faktoren, z. B. anhaltender Stress, Einsamkeit oder Überforderung
  • belastende (traumatische) Erlebnisse, z. B. häusliche Gewalt oder Missbrauch
  • Persönlichkeitsfaktoren, z. B. mangelndes Selbstvertrauen 


Welche Rolle der Serotonin-Haushalt dabei spielt, wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2022 kam zum Schluss, dass die Konzentration des Botenstoffs Serotonin im Gehirn mit der Entstehung von Depressionen wenig zu tun hat.

Corona-Pandemie: Zahl der Depressionen stark gestiegen

Die Fälle von Depressionen und Panikattacken sind im ersten Jahr der Corona-Pandemie weltweit um mehr als ein Viertel angestiegen. Eine in der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlichte Studie vom August 2021 schätzt, dass im Jahr 2020 weltweit 52 Millionen Menschen mehr an einer schweren depressiven Störung litten als es ohne Pandemie der Fall gewesen wäre. Wäre die Pandemie nicht aufgetreten, hätten die Forscher weltweit mit 193 Millionen Fällen von Depression gerechnet. Tatsächlich wurden 246 Millionen Fälle beobachtet. Die WHO geht von einem Anstieg von 25 Prozent weltweit im ersten Jahr der Pandemie aus, wie es in einem Bericht von 2022 heißt. Eine Studie der Deutschen Depressionshilfe zeigte, dass es 44 Prozent der Patienten mit einer diagnostizierten Depression in Deutschland schlechter als vor der Pandemie ging. Laut RKI stieg der Anteil von Menschen in Deutschland mit depressiven Symptomen im Jahr 2022 auf 17 Prozent an.

Corona-Pandemie: Psyche von Kindern ist besonders betroffen

Als besondere Verlierer der Pandemie gelten vor allem Kinder und Jugendliche. Ihre Lebensqualität und psychische Gesundheit hat sich in Deutschland im Verlauf der Corona-Pandemie verschlechtert. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung wertete 22 Studien mit Daten vor und nach der Pandemie aus. Die Metastudie zeigte, dass sich während der Pandemie bei Kindern und Jugendlichen die Häufigkeit von Depressionssymptomen um 27 Prozent erhöhte. Während der Schulschließungen wiesen Kinder und Jugendliche sogar zu 75 Prozent häufiger Depressionssymptome auf.

Video: Welche Wege aus Depressionen gibt es?

Therapie: Depressionen lassen sich behandeln

Mit Depressionen muss man sich nicht abfinden. Die Krankheit hat gute Heilungschancen. Eine gezielte und individuelle Behandlung hilft den Betroffenen in sehr vielen Fällen. Wichtig zu wissen: Depressionen verschwinden nicht von alleine. Ihr solltet euch schnell Hilfe suchen und dann auch schnell mit einer Behandlung beginnen. Gegen Depressionen gibt es zwar kein Allheilmittel, doch kann man sie mit einer Therapie und/oder Medikamenten in den meisten Fällen gut in den Griff bekommen.

Laut der aktuellen ärztlichen Leitlinien sollen Antidepressiva aber nur bei schweren Depressionen eingesetzt werden. Bei leichten und mittelschweren Depressionen sind sie wenig oder kaum wirksam. Hier können Psychotherapie und Veränderungen in der Lebensführung, wie ein ausgeglichener Tag-Nacht-Rhythmus oder Sport helfen. Auch psychoaktive Substanzen werden inzwischen zur Therapie eingesetzt.

Angebote: Hilfe für Menschen mit Depressionen

  • Info-Telefon der Deutschen Depressionshilfe - Das bundesweite Info-Telefon Depression soll Betroffenen und Angehörigen den Weg zu Anlaufstellen im Versorgungssystem weisen: 0800 - 334 45 33 (Mo, Di, Do: 13 - 17 Uhr - Mi, Fr: 8.30 - 12.30 Uhr). Infos, wo ihr Hilfe bei Depressionen findet, ist hier zusammengefasst.
  • Telefon-Seelsorge in Deutschland: 0800 - 111 01 11 / 0800 - 111 02 22 (täglich rund um die Uhr). Weitere Infos findet ihr hier: telefonseelsorge.de
  • Die Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche: 116 111. Sie beraten euch anonym und kostenlos in ganz Deutschland von montags bis samstags von 14 Uhr bis 20 Uhr. Mehr Infos findet ihr hier.
  • ApK - Aktionsgemeinschaft der Angehörigen psychisch Kranker e.V.: 089 - 502 46 73 (Mo, Mi, Do: 8.30 - 12.30 Uhr | Di: 12.00 - 18.00 Uhr | Fr: 10.00 - 12.00 Uhr). Mehr Infos unter: apk-muenchen.de
  • Deutsche Depressionsliga: Eine umfassende Sammlung von Hilfsangeboten und Adressen gibt es auf der Seite der Deutschen Depressionsliga. Zudem bietet sie eine Mailberatung an.

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