Einschulung Wie ihr eurem Kind den Schulanfang erleichtert

Von: Simone Peer

Stand: 06.06.2024

Ist euer Kind aufgeregt, weil es bald in die Grundschule kommt? Bereitet euch die Einschulung Sorgen? Der Schulanfang fällt leichter, wenn ihr euer Kind frühzeitig, spielerisch und liebevoll darauf vorbereitet. Wir verraten euch die besten Experten-Tipps.

Ein Junge trägt zur Einschulung eine blaue Schultüte. Was ist wichtig für einen erfolgreichen Schulanfang? Tipps, die eurem Kind den Start in der Grundschule erleichtern. | Bild: picture alliance/Kirchner-Media/Christopher Neundorf

Einschulung: Diese Fähigkeiten braucht euer Kind zum Schulanfang

Jedes Kind bringt seine eigenen Stärken mit in die Schulzeit. Manche Fähigkeiten muss es erst noch entwickeln. So könnt ihr euren Nachwuchs bei der Einschulung unterstützen: Nehmt euer Kind insgesamt wahr und konzentriert euch spielerisch auf individuelle Schwerpunkte, die es für einen erfolgreichen Schulanfang braucht. Nicht vergessen: Die schulischen Grundlagen, zum Beispiel Lesen und Schreiben, lernt es erst in der Grundschule. Die folgenden Bereiche werden bei der Schuleingangsuntersuchung eingeschätzt und vom Kinderarzt bei den regelmäßigen Untersuchungen beobachtet:

Motorik: Die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten könnt ihr unterstützen, wenn ihr eurem Kind unterschiedliche Bewegungserfahrungen bietet wie: Trampolin springen, klettern, balancieren, laufen auf verschiedenen Untergründen, auf Spielplätzen spielen, mit Wasser planschen, Fahrrad oder Roller fahren und Ball spielen.

Feinmotorische Fähigkeiten: Sie werden gestärkt, wenn ein Kind mit Knete spielt, Dinge ausschneidet, backt und mit Lego baut. Auch das selbstständige An- und Ausziehen, Schleife Binden, mit Besteck Essen, Basteln und Malen gehören dazu. Beim Malen kann das Kind zum Beispiel die richtige Stifthaltung erlernen.

Kognitive Fähigkeiten: Wahrnehmung, Konzentration, Erinnerungsvermögen und logisches Denken könnt ihr zum Beispiel beim Spielen von Gesellschaftsspielen oder Puzzles trainieren. Auch das Bauen mit Bausteinen, Malen, Basteln, Kneten, Vorlesen und Hören von Geschichten schult die kognitiven Fähigkeiten.

Sprache: Singt mit euren Kindern Kinderlieder, lest ihnen regelmäßig vor, denkt euch lustige Reime aus, klatscht Silben und lauscht spannenden Hörspielen. Sprecht auch im Alltag viel miteinander. So kann euer Kind einen größeren Wortschatz, ein gutes Sprachverständnis und bessere kommunikative Fähigkeiten entwickeln. Das wiederum wirkt sich später aufs Lesen, Schreiben und Rechnen aus. Laut dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist die Sprache, deshalb eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Schulstart und für die Integration eures Kindes in der Klasse.

Durch Basteln, Spielen und Toben erlernen Kinder wichtige Kompetenzen für die Schule, bestätigt die Online-Plattform "Das Kita-Handbuch". In Alltagssituationen könnt ihr solche Fähigkeiten ungezwungen schon lange vor dem Schulstart mit eurem Kind üben. Habt ihr das Gefühl, dass es weitere Hilfe braucht, wendet euch an die Erzieher im Kindergarten und den Kinderarzt. Durch eine rechtzeitige Förderung, wie zum Beispiel einer Ergotherapie oder Logopädie, können noch fehlende Kompetenzen nachgeholt werden. Weitere Informationen zur Schuleingangsuntersuchung könnt ihr bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nachlesen.

Kinder auf die Schule vorbereiten: Pädagogin Saskia Niechzial gibt Tipps zum Schulanfang

Interview zur Einschulung: So erleichtert ihr eurem Kind den Schulbeginn (Das Campusmagazin, BR24)

Nachgefragt: Wie wichtig ist die Unterstützung der Eltern beim Schulanfang?

Portrait Saskia Niechzial, Grundschulpädagogin, Autorin und dreifache Mutter. Bald ist Einschulung! Was ist wichtig für einen erfolgreichen Schulanfang? Hier erfahrt ihr, wie ihr eurem Kind den Start in die Grundschule erleichtern könnt.  | Bild: Saskia Niechzial/Susann Koskowski

"Eltern sind Leuchttürme für die Kinder. In der Schule ist ja alles neu: Klassenkameraden, Lehrkräfte, die Räume, Abläufe, Inhalte und der Schulweg - alles neu. Die Kinder brauchen ihre Eltern, die sie da hindurchmanövrieren in den ersten Wochen."

Saskia Niechzial, Grundschulpädagogin, Buchautorin und dreifache Mutter

Schulanfang erleichtern: So könnt ihr euer Kind emotional auf die Grundschule vorbereiten

Laut dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wirken sich emotionale und soziale Kompetenzen auf das Lernen in der Schule aus. Doch nicht nur für den Schulerfolg, auch für das gesamte Leben eures Kindes sind diese emotionalen Fähigkeiten wichtig: psychische Stabilität, Selbstständigkeit, Resilienz, Neugierde, Lernfreude, Leistungsmotivation und Frustrationstoleranz.
Sie bestimmen, ob ein Kind ein positives Selbstbild hat, ob es sich etwas zutraut und selbstständig arbeiten kann, wie es mit Misserfolgen umgeht, ob es offen ist für neue Aufgaben und Lernerfahrungen und ob es Hilfe braucht und das auch äußern kann. Ist das Kind nicht bereit sich auch mal anzustrengen oder hat eine niedrige Frustrationstoleranz, erschwert das das Lernen. Die sozialen und emotionalen Kompetenzen spielen auch eine große Rolle dabei, ob das Kind in der Klasse integriert ist, sich wohlfühlt und gerne lernt. Ihr könnt diese Fähigkeiten unterstützen:

Urvertrauen: Mit einem stabilen Urvertrauen kann euer Kind neuen Situationen offen begegnen. Ihr stärkt es, wenn ihr zuverlässig seine Grundbedürfnisse erfüllt, es bedingungslos annehmt, euch liebevoll zuwendet, Routinen und Rituale bietet, Grenzen aufzeigt, zuhört und seine Gefühle ernst nehmt.

Emotionen wahrnehmen und ausdrücken: Mit dieser Fähigkeit kann euer Kind auf eigene Bedürfnisse hinweisen und sie vermitteln. Ihr unterstützt euer Kind dabei, indem ihr eure eigenen Gefühle ausdrückt, authentisch seid und ihm die Möglichkeit gebt viele unterschiedliche Gefühlserfahrungen zu machen. Ihr könnt auch die Gefühle eures Kindes spiegeln und zum Beispiel sagen: "Du freust dich sehr auf deinen Kindergeburtstag und bist schon aufgeregt, oder?"

Feedback annehmen: Kinder bekommen in der Schule häufig Rückmeldungen. Damit euer Kind lernt Feedback anzunehmen, könnt ihr selbst Feedback geben und dabei auf seine Gefühle eingehen. Ihr könnt sagen: "Das hat sehr gut funktioniert. Was hat dir dabei geholfen, wie ging es dir dabei?". Seht Fehler als Entwicklungschancen und findet gemeinsam heraus, was beim nächsten Mal anders gemacht werden könnte.

Differenzierte Sicht: Durch die Fähigkeit, Dinge differenziert zu betrachten, kann euer Kind zum Beispiel verstehen, dass Lehrer oder Mitschüler manchmal wütend sind oder schlechte Laune haben, aber trotzdem liebenswerte Menschen sein können. Erfahrungen mit unterschiedlichen Umgebungen, wie dem Kindergarten oder Sportverein, und verschiedenen Bezugspersonen stärken diese Kompetenz. Ihr selbst könnt zum Beispiel erklären, warum ihr mit eurem Kind geschimpft habt. Vielleicht, weil ihr müde seid und euch ausruhen müsst.

Resilienz: Die Fähigkeit mit herausfordernden Momenten gut umgehen zu können, unterstützt ihr, indem ihr eine Balance aus Fürsorge und Selbstständigkeit findet und eurem Kind eigene entwicklunsgerechte Erfahrungen zutraut.

Lernmotivation: Ihr vermittelt Motivation und Lernfreude, wenn ihr eurem Kind beibringt, dass es bei Misserfolgen weiterüben und eine andere Lösung finden kann. So versteht es, dass es sich durch Anstrengung und Üben weiterentwickeln kann. Es lernt mit Rückschlägen umzugehen.

Frustrationstoleranz: Ihr unterstützt euer Kind dabei Misserfolge auszuhalten, indem ihr abwartet, bis es euch von sich aus zeigt, dass es Hilfe braucht. Wichtig ist, dass euer Kind regelmäßig merkt, dass es etwas aus eigener Kraft geschafft hat.

Indem ihr auf Augenhöhe mit eurem Kind sprecht, seine Bedürfnisse beachtet und liebevoll Grenzen aufzeigt, könnt ihr die emotionale und soziale Entwicklung positiv beeinflussen. Dafür müsst ihr keine besonderen Situationen schaffen. Die Beziehung zu euch, zu Geschwistern, Freunden, Großeltern und die Umgebung im Kindergarten, bei Kindergeburtstagen und auch das freie Spiel, bieten viele Übungsmöglichkeiten für diese Fähigkeiten.

Ihr wollt noch mehr darüber erfahren, wie Kinder soziale Kompetenzen erlernen? In diesem Artikel haben wir das Wichtigste für euch zusammengefasst.

Quellen:
Niechzial, Saskia: Hallo Schulanfang! Beltz Verlag, Weinheim Basel, 2023
Hummel, Inke: "Miteinander durch die Schulzeit", Humboldt Verlag, Hannover, 2023

Auch das erleichtert den Schulanfang: Wenn Eltern Frieden mit ihren eigenen Schulerfahrungen schließen

"Mein ganz wichtiger Tipp ist: Bevor das Kind in die Schule kommt, zu gucken, wie betrachte ich eigentlich die Schule und was hab ich in der Schule erlebt? (…) Ich habe viele Eltern, die kommen und sagen: 'Wenn ich daran denke, dass mein Kind jetzt in dieses System rein muss, dann wird mir ganz anders.' Und das ist okay, selbst so zu fühlen. Aber unsere Kinder haben ja sehr gute Antennen und sind selbst schon ein bisschen nervös, weil da etwas sehr großes Neues auf sie zukommt. Sie spüren genau, wie die eigenen Eltern diesem Ort gegenüberstehen. Wenn wir, vielleicht auch unbewusst, immer wieder transportieren: 'Hm, mal gucken, was das jetzt wird', dann wird es unserem Kind auch entsprechend schwerer fallen, zuversichtlich in die Schule zu gehen."

Saskia Niechzial, Grundschulpädagogin, Buchautorin und dreifache Mutter

Tipps für eine erfolgreiche Einschulung: Weniger Angst und mehr Freude vor dem Schulanfang

Mit diesen ganz konkreten Tipps können Eltern eine positive Haltung bei ihren Kindern vor dem Schulanfang fördern. So könnt ihr eurem Kind beim Start in der Grundschule helfen:

  • Redet nicht schlecht über die Schule oder den Lehrer. Sätze wie: "Das kannst du dir in der Schule nicht mehr erlauben", oder: "In der Schule kannst du nicht so herumzappeln, dann bekommst du Ärger mit deiner Lehrerin", oder: "Bald beginnt der Ernst des Lebens", solltet ihr vermeiden. Solche Aussagen können Ängste und Unsicherheiten auslösen.
  • Übertragt eure eigenen Sorgen und Ängste, die ihr vor dem Schulanfang habt, nicht auf euer Kind. Setzt es zum Beispiel nicht mit Vorschulheften unter Druck, wenn es sie nicht durcharbeiten will.
  • Erzählt von neuen Projekten, Ausflügen, Lernerfahrungen und Freunden, die in der Grundschule warten. Es kann sein, dass euer Kind sich mal streiten wird oder die Hausaufgaben schwer und viel sein werden. Aber es hilft nicht, diese Warnungen schon vorab auszusprechen.
  • Lest gemeinsam Bücher, die den Schulanfang positiv darstellen. So merkt euer Kind, es ist mit seiner Unsicherheit nicht alleine.
  • Geht gemeinsam den Schulweg ab. So kann sich euer Kind schon einen Eindruck von seinem zukünftigen Schulalltag machen. Gleichzeitig sorgt ihr dafür, dass euer Kind sicher in der Schule ankommt.
  • Versucht das Schulgelände schon vor der Einschulung gemeinsam kennenzulernen. Gibt es einen Schnuppertag an der Grundschule oder ein Sommerfest, zu dem auch die zukünftigen Erstklässler eingeladen werden oder Schulfeiern älterer Geschwister? Nutzt diese Gelegenheiten, um eurem künftigen Schulkind die Grundschule zu zeigen.
  • Knüpft schon im Kindergarten Kontakte zu möglichen Klassenkameraden. Meistens ist es erlaubt, bei der Schulanmeldung ein Wunschkind anzugeben, mit dem euer Kind gemeinsam die Klasse besucht. Freunde erleichtern den Schulanfang.
  • Plant gemeinsam die Einschulungsfeier. Hier kann euer Kind selbst mitgestalten, so wird der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule greifbarer.
  • Kauft gemeinsam den Schulranzen und das Schulmaterial für die Grundschule. Die meisten Vorschulkinder macht das stolz. Ihr könnt den Schulranzen zum Beispiel gemeinsam in einem Fachgeschäft aussuchen. Hier kann euer Kind unterschiedliche Modelle ausprobieren und bei der Lieblingsfarbe und dem Aussehen mitbestimmen. Auch das sind wichtige Erfahrungen, die einen positiven Bezug zum Schulbeginn herstellen können.
  • Besorgt eurem Kind einen Mut-Stein, ein Sorgenfresserchen oder ein Krafttier als Geschenk für die Schultüte, diese Dinge können ihm beim Schulanfang helfen.

Eingeschult und im Gefühlschaos: Wie lange dauert das erste Ankommen in der Grundschule?

"Als grobe Orientierung gilt das erste Schuljahr. Es passiert ein Jahr lang alles in der Schule zum ersten Mal. Die Kinder haben zum Beispiel das erste Mal Herbstferien oder eine Adventszeit in der Schule sowie bestimmte Ausflüge und Projekte. Im zweiten Schuljahr kennen sie diese Dinge dann schon. Das heißt, es wird innerhalb dieses Jahres immer wieder Situationen geben, die doch wieder neu sind und eine kurze Gewöhnungsphase brauchen. Meistens merkt man nach einem Jahr, wenn man zu den Sommerferien sein Kind aus der Schule holt - jetzt ist es ein richtiges Schulkind. In kleineren Etappen gedacht, sind der erste Schritt des Ankommens immer die Herbstferien. Bis dahin sage ich den Eltern: durchhalten! Meistens geht es danach schon deutlich stabiler weiter."

Saskia Niechzial, Grundschulpädagogin, Bestsellerautorin und dreifache Mutter

Nach der Einschulung: Wie könnt ihr euer Kind bei den Hausaufgaben unterstützen?

Vater hilft Sohn bei den Hausaufgaben. Was ist wichtig für einen erfolgreichen Schulanfang? Tipps, die eurem Kind den Start in der Grundschule erleichtern. | Bild: picture alliance / Shotshop | Monkey Business 2

Wie begleitet ihr euer Kind am besten bei den Hausaufgaben? Beachtet vor allem seine individuellen Lernbedürfnisse.

Wenn euer Kind eingeschult ist, muss es schon bald die ersten Hausaufgaben erledigen. Dafür braucht es nicht unbedingt einen festen Ort. Manchen Kindern gibt ein fester Hausaufgabenplatz jedoch Sicherheit. Das kann ein Kinderschreibtisch sein, der Küchentisch, der Boden oder sogar das Sofa mit einer Schreibunterlage. Gestaltet die Hausaufgabensituation für euch so angenehm wie möglich. "Ich würde unbedingt gucken, was das eigene Kind für einen Charakter hat und was es braucht. Jeder Ort ist am Ende okay. Es gibt kein Gesetzbuch indem steht: Nur Hausaufgaben, die an einem Schreibtisch erledigt wurden, sind auch gute Hausaufgaben", sagt Expertin Saskia Niechzial.

Welcher Kinderschreibtisch ist der beste?

Lernt euer Kind am liebsten an einem eigenen Schreibtisch, solltet ihr auf Folgendes achten: Der Kinderschreibtisch sollte funktional, ergonomisch, schadstofffrei und langlebig sein. Das gilt auch für den Schreibtischstuhl. Das GS-Zeichen steht für geprüfte Sicherheit. Praktisch ist ein Schreibtisch, der höhenverstellbar ist. Je nachdem, wie schnell euer Kind wächst, könnt ihr den Tisch erhöhen. Ein bisschen Stauraum braucht es auch: In einer Schublade unter der Tischkante können zum Beispiel Stifte, Schulhefte und Bücher untergebracht werden oder ihr stellt dafür Ablagefächer und eine Stiftebox auf die Tischplatte.

Solltet ihr in der Nähe sein, wenn euer Kind seine Hausaufgaben erledigt?

Es gibt Kinder, die sich am wohlsten fühlen, wenn die Eltern beim Erledigen der Hausaufgaben in der Nähe sind. Dabei geht es um eine Art Rückversicherung. In diesem Fall könnt ihr euch zum Beispiel mit einer eigenen Aufgabe dazu setzen. Ist euer Kind autonomer und will alleine seine Hausaufgaben erledigen, ist das auch in Ordnung. Was euer Kind bevorzugt, zeigt sich meistens schon in anderen Situationen in den Jahren vor der Schule.

Nachgefragt: Sollten Eltern Hausaufgaben kontrollieren?

"Auch hier ist es wichtig, auf das Kind selbst zu schauen. Wenn ein Kind sagt: 'Ich bin jetzt fertig und das ist so in Ordnung', dann kann man vielleicht schauen, ob es wirklich fertig ist. Wenn wir unser Kind dann fragen: 'Okay, du würdest das so morgen zeigen?', und es sagt: 'Ja', dann dürfen wir darauf vertrauen, dass es damit klarkommt, sollte da etwas falsch sein.
Es gibt aber auch Kinder, die wollen unbedingt, dass Mama oder Papa noch mal drüber gucken. Die brauchen diese Rückversicherung. Dann würde ich als Eltern auch sagen, ob etwas richtig ist oder nicht und verbessern. Auch wenn die Lehrkraft sagt: 'Bitte greifen Sie nicht ein, damit ich sehe, ob das Kind das kann oder nicht.' Wenn das Kind das braucht, würde ich diesem Wunsch trotzdem nachkommen. Wenn ich dabei merke, dass mein Kind in einem bestimmten Bereich viele Fehler macht, würde ich das der Lehrkraft mitteilen. Dann braucht die Lehrkraft eine Info darüber. Das wäre ein guter Kompromiss."

Saskia Niechzial, Grundschulpädagogin, Bestsellerautorin und dreifache Mutter

Interview: Wie könnt ihr euren Kindern den Schulanfang erleichtern? Fragen und Antworten zum Thema

Ein gelber Heißluftballon ähnelt einem Ortsschild. Oben steht das Wort: Schule, unten steht durchgestrichen: Kindergarten. Was ist wichtig für einen erfolgreichen Schulanfang? Tipps, die eurem Kind den Start in der Grundschule erleichtern. | Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Robert Michael

Kindern den Schulanfang erleichtern: Was ist wichtig für den Schulbeginn?

Ihr wollt noch mehr darüber erfahren, wie ihr eurem Kind beim Schulstart helfen könnt? Wir haben mit Saskia Niechzial, Grundschulpädagogin, Bestsellerautorin und dreifacher Mutter gesprochen. Sie weiß Antworten auf die häufigsten Fragen rund um den Schulanfang.

ARD alpha: Wie können Eltern die Fähigkeiten ihres Kindes fördern, um ihm den Schulanfang zu erleichtern? 

Saskia Niechzial:
Je nach Kind wird der Schwerpunkt der Schulvorbereitung ein bisschen anders aussehen: Es gibt Kinder, die sind emotional stabil und sozial gut eingebunden, die haben vielleicht schon Interesse an Buchstaben und Zahlen. Da kann ich entsprechend in diese Richtung schon einige Dinge anbieten. Viel mit den Kindern lesen zum Beispiel oder das Gedächtnis trainieren, indem man ganz klassisch Gesellschaftsspiele wie Memory spielt. Das sind super Übungen, um Kindern die fachlichen Kompetenzen ein bisschen näher zu bringen. Lego bauen ist auch sehr gut geeignet. Es muss nicht immer das Vorschulheft sein.

ARD alpha: Wie können die Eltern noch bei der Schulvorbereitung unterstützen?

Saskia Niechzial:
Andere Komponenten der Schulvorbereitung - wie die Eingewöhnung, Transparenz, sich selbst als Elternteil und die eigene Schulerfahrung reflektieren sowie die sozialen Kompetenzen - standen bei der klassischen Schulvorbereitung lange Zeit ein wenig im Hintergrund. Dabei sind diese Dinge am Ende vielleicht sogar die entscheidenderen. Es ist schön, wenn Kinder schon ein bisschen was mitbringen, was sie in den Fächern brauchen. Das erleichtert die Sache. Aber letztendlich ist das unsere Aufgabe als Lehrkräfte. Aber wenn Kinder mit Eltern in die Schule kommen, die ihre eigene Schulzeit schon mal ein bisschen angesehen und bearbeitet haben, dann hilft das zum Beispiel in unserer Zusammenarbeit sehr viel.

ARD alpha: Inwiefern haben denn die Schulerfahrungen der Eltern einen Einfluss auf die des Kindes? 

Saskia Niechzial:
Wir sind nicht unbefleckt als Eltern. Wir waren alle mal in der Schule und bei sehr vielen Eltern ist die Erinnerung nicht unbedingt immer nur positiv. Wenn ich in die Schule gehe mit Erinnerungen an unfaire Lehrkräfte, an Ausgrenzungserfahrungen, vielleicht sogar an Mobbing, an Schulleistungen, die vielleicht nicht so waren, wie ich mir das vielleicht gewünscht hätte, dann bringe ich diese negativen Gefühle mit. In der Regel sind sie noch nicht verarbeitet, wenn die Kinder in die Schule gehen. Und wenn das meine Erinnerung an Schule ist, dann ist es wahrscheinlich für mich schwer, mit meinem Kind zuversichtlich in die Schule zu gehen.

ARD alpha: Ist es für das Kind wichtig, dass Eltern eine gute Beziehung zur Lehrerin oder zum Lehrer aufbauen?

Saskia Niechzial:
Es ist gerade für diese jungen Kinder unglaublich wichtig, dass Eltern es schaffen, der Lehrkraft unvoreingenommen gegenüber zu sein. Wenn Kinder merken, meine Eltern sind ein bisschen verhalten gegenüber der neuen Lehrkraft, aber ich mag die eigentlich ganz gerne und sie ist ja auch tagsüber für mich da und eine wichtige Person für mich, dann kommen sie vielleicht in ein moralisches Dilemma. Wenn es um die Klassenlehrkraft des Kindes geht, gibt es gerne auch mal Eltern, die sagen: "Oh, dann wünsche ich viel Spaß, das ist die Hausaufgabenkönigin, die Kinder haben bald keine Freizeit mehr." Auch da ist es wichtig zu gucken: Wie sehr habe ich mich denn schon vielleicht auf dem Spielplatz beeinflussen lassen? Hier ist es wichtig, sich abzugrenzen und sich zu sagen: Diese Lehrkraft hat ihre Chance verdient, egal was ich vorher gehört habe.

ARD alpha: Welche sozialen Kompetenzen erleichtern dem Kind den Schulanfang?

Saskia Niechzial:
Ein wichtiger Part der emotionalen Entwicklung ist die Frustrationstoleranz. Das ist ein bisschen das Schreckgespenst von Eltern, weil dann oft kommt: "Mein Kind flippt ja zu Hause schon aus, wenn der Kakaobecher die falsche Farbe hat - wie soll es aushalten, dass in der Schule so viele Dinge vorgegeben sind und man manche Dinge tun muss?" Da kann ich an dieser Stelle sehr beruhigen: Kinder wissen schon genau, wo was gefordert ist. Sie wissen, dass zu Hause anderes möglich ist als im Setting einer Gruppe. Wenn sie im Kindergarten waren, haben sie vielleicht schon ganz gut gelernt, dass man in der Gruppe nicht so frei reagieren kann, wie zu Hause. Weil man hier einfach viele Bedürfnisse zusammenbringen muss. Diese Gruppenerfahrungen sind eine Möglichkeit, ein Kind auf die Schule vorzubereiten. Diese Erfahrungen machen sie vielleicht auch, wenn sie Geschwister haben, oder im Sportverein, in Musikgruppen oder auf dem Spielplatz und mit Freunden.
Gesellschaftsspiele sind auch ein gutes Training, um Frustrationstoleranz spielerisch zu entwickeln. Denn dabei muss man ganz gut aushalten können, zu verlieren oder kurz im Rückstand zu sein. Es gibt zum Beispiel auch kooperative Spiele, bei denen man zusammen als Gruppe etwas schaffen kann. Oder das Kind baut mit Lego oder Bausteinen, nimmt sich etwas vor, folgt einer Anleitung und merkt in der Mitte: "Ach Mist, ich habe einen Schritt vergessen, jetzt muss ich das Ganze wieder auseinanderbauen." Das sind auch Frustmomente, die Kinder aushalten. Ich rate Eltern immer, auch wenn es nicht leicht fällt, diese Frustmomente, so weit es geht, zuzulassen.

ARD alpha: Warum ist das wichtig?

Saskia Niechzial:
Gerade heute, und da nehme ich mich selbst nicht aus, neigt man schnell dazu, seinem Kind ein bisschen zu viel aus dem Weg zu räumen. Gerade dann, wenn man auch noch Kinder hat, die ein Päckchen mitbringen, die vielleicht neurodivergent sind, dann neigt man noch viel mehr dazu das Kind entlasten zu wollen. Ich möchte dazu ermutigen, Kindern etwas zuzutrauen. Und so lange das im entwicklungsgerechten Rahmen ist, zu sagen, das ist jetzt ein Frustmoment, aber den schaffst du. Und wenn du mich brauchst, dann bin ich hier. Kinder haben die Fähigkeit mit Frust umzugehen. Es ist wichtig, genau dieser Entwicklung Raum zu geben. Das stärkt die emotionale Stabilität sehr.
Was auch Stabilität für Kinder bringt, ist zu wissen, dass zu Hause ein guter, sicherer Ort ist. Dass ich Eltern habe, die mich so annehmen, wie ich bin, bei denen ich Fehler machen darf und ich trotzdem noch geliebt werde. Das klingt so banal, aber das erlebe ich als Lehrkraft jeden Tag. Es ist so wichtig, dass ein Kind nach der Schule an solch einen Ort zurückkehren kann. An einen Ort, wo auch mal Schule Schule sein darf, wo man sich zurückziehen kann, Ruhe hat und auf seine Art und Weise lernen darf. Wo eine nicht so gute Leistung nicht bestraft wird.

ARD alpha: Wie kann ich mein Kind unterstützen, wenn es Angst vor dem Schulanfang hat?

Saskia Niechzial:
Wenn Ängste bestehen und das Kind teilt uns das mit, dann haben wir eine gute Beziehung zu unserem Kind. Das ist die gute Nachricht. Dann haben wir unser Kind so begleitet, dass es jetzt mit einem sicheren Netz in die Schule geht. Dass Kinder ein bisschen Angst und Sorge haben vor dem, was kommt, ist ein Stück absolut verständlich, weil sie so wenig wissen, was da kommt. In Deutschland ist der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule unglaublich abrupt und auch hart. Die Kinder kommen aus völlig anderen Einrichtungen an einen völlig anderen Ort. Das ist ein harter Cut an ganz vielen Stellen. Wenn ein Kind Ängste äußert, dann erst mal ernst nehmen und Verständnis für diese Angst zeigen. Und dann gibt es die Möglichkeit Transparenz zu schaffen und zu zeigen, was da wirklich wartet in der Schule. Es geht darum eine Brücke zu bauen.

ARD alpha: In welcher emotionalen Lage befinden sich Kinder vor der Schule?

Saskia Niechzial:
Die Zeit vor der Schule, da sind die Kinder in dieser ominösen Wackelzahnpubertät, sie wird auch 6-Jahres-Krise genannt. Es kann sein, dass, obwohl man sich so bemüht hat, ganz viele Kompetenzen gut aufzubauen und dem Kind viel Entwicklungsraum zu geben, in den Monaten vor der Schule alles ziemlich wackelt. Dass Kinder plötzlich wieder ängstlicher werden. Oder, dass sie sich wieder verhalten wie kleinere Kinder, die in diesen Wutphasen stecken. Einfach, weil in dieser Zeit im Gehirn viele Umbauprozesse passieren. Die Kinder können zum Beispiel mehr Empathie empfinden und leichter andere Perspektiven einnehmen. Gleichzeitig wissen Kinder auch, ich bin jetzt kein Kindergartenkind mehr, ich bin jetzt nicht mehr ganz klein, aber auch noch nicht ganz groß, da kommt was Neues auf mich zu, ich weiß aber noch nicht was. Das lässt sie erst mal wackeln. Und je nach Charakter sind die einen dann ängstlicher, die anderen wütender, die anderen stiller und ziehen sich zurück, die nächsten werden lauter. Da muss man dann die Ruhe bewahren. Das heißt trotzdem nicht, dass man in der Schulvorbereitung etwas falsch gemacht hat. Es ist einfach eine Phase, die da hingehört und die auch wieder vorbei geht. Und es heißt nicht, dass das Kind wichtige Kompetenzen nicht entwickeln kann. Es wäre natürlich schön, wenn das Kind vor der Schule besonders stabil dastehen würde, aber oft ist das Gegenteil der Fall.

ARD alpha: Ist das Kind eingeschult, muss es schon bald seine ersten Hausaufgaben erledigen. Dabei kann es ja auch mal zu Konflikten kommen. Wie kann man sie vermeiden?

Saskia Niechzial:
Letztendlich gilt als Leitsatz für diese Korrekturprozesse: "connection before correction". Also wenn mein Kind kommt, Verbindung sucht und sagt: "Mama, Papa könnt ihr hier noch mal drüber gucken, stimmt das? Hab ich das richtig gerechnet?" Dann kann ich mir das ansehen und sagen: "Ja der Weg hier stimmt. Ach, hier an der Stelle hat sich noch eine Zahl umgedreht, findest du sie?" Es ist ein Unterschied, ob ich, obwohl mein Kind gar nicht gefragt hat, quasi schon mit dem Radierer hinter ihm stehe und anfange im Heft zu radieren. Das würde ich zum Beispiel ungefragt nicht machen. Wenn ich das Gefühl habe, ich möchte einen Hinweis, zum Beispiel auf einen Rechtschreibfehler, geben und will nicht, dass mein Kind das so verinnerlicht, dann kann ich zum Beispiel sagen: "Wow, ich hab mir das durchgelesen, das ist ja wirklich ein ganz kreativer Text", oder "Mensch, du bist ja schon fast fertig mit der Seite, da hast du aber super gearbeitet. Mir ist nur eine Sache aufgefallen." Ich falle also nicht mit der "Radiergummi-Tür" ins Haus, sondern wertschätze erst mal behutsam und achtsam und gebe dann den Tipp. So wie man im Arbeitskontext auch selbst gerne Feedback haben möchte.

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