Giraffensprache So funktioniert Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern

Von: Simone Peer

Stand: 20.10.2023

"Räum endlich das Chaos auf!" Kommt euch bekannt vor? Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern funktioniert jedoch anders. Für die sogenannte Giraffensprache sind laut dem Psychologen Marshall B. Rosenberg vier einfache Schritte nötig.

Vater und Sohn unterhalten sich, beide sitzen auf einer Holzbank. Was bedeutet Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern? Der Psychologe Marshall B. Rosenberg hat sie entwickelt. Wir erklären, warum Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern wichtig ist, wie ihr sie in vier Schritten erlernen könnt und was es mit der Giraffensprache auf sich hat.  | Bild: picture alliance/Westend61/Ekaterina Yakunina

Gewaltfrei kommunizieren: Was bedeutet Gewaltfreie Kommunikation?

Stellt euch folgende Situation vor: Ihr geht ins Kinderzimmer und ihr seht ein riesiges Chaos vor euch. Spielsachen liegen im Zimmer verteilt, zwischendrin entdeckt ihr noch ein paar Essensreste und die dreckigen Klamotten stapeln sich in der Ecke. Euer erster Impuls ist wahrscheinlich, eurem Kind wutentbrannt ungefähr sowas um die Ohren zu knallen: "Immer liegt bei dir alles durcheinander! Räum endlich das Chaos auf!" Halt, stoppt mal kurz und atmet tief durch: Denn ihr könnt an dieser Stelle auch anders reagieren, mithilfe der Gewaltfreien Kommunikation. Statt zu schimpfen, macht eurem Kind eure Sichtweise deutlich: Was genau stört euch daran - und warum? Wenn ihr gemeinsam über eure Gefühle und Bedürfnisse sprecht, wächst das gegenseitige Verständnis, eure Beziehung verbessert sich. Denn darum geht es unter anderem bei der Gewaltfreien Kommunikation. Ihr könntet zum Beispiel sagen:
"Hey Jakob, ich sehe, dass in deinem Zimmer viele Sachen verstreut liegen. Ich fühle mich unwohl, wenn die Sachen so durcheinander auf dem Boden liegen. Mir ist Ordnung wichtig. Kannst du bitte deine Spielsachen einsortieren, die Wäsche in den Korb legen und deine Essensreste wegwerfen?"

Was die Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg bewirken soll

Die Gewaltfreie Kommunikation, nach dem amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg, ist ein Kommunikationskonzept, bei dem eine wertschätzende Beziehung mit anderen im Vordergrund steht. Rosenberg ging es um die innere Haltung, mit der wir mit uns selbst und anderen Menschen umgehen wollen, um mehr Kooperation, Gemeinschaft und Freude im Zusammenleben. Ein wichtiges Prinzip dabei ist die Freiwilligkeit. Andere Menschen sollen nicht zu einem bestimmten Handeln gezwungen werden. Bei der Gewaltfreien Kommunikation stehen die Bedürfnisse und Gefühle im Mittelpunkt, die hinter Handlungen und Konflikten stehen.

Die Gewaltfreie Kommunikation solltet ihr deshalb weniger als eine Kommunikationstechnik betrachten. Marshall B. Rosenberg empfiehlt die Technik der vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation, damit wir uns so ausdrücken, dass wir verstanden werden und dabei die Beziehung zueinander stärken.

Video: Wie Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern im Alltag gelingt

Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern: Warum ist sie wichtig?

Eine Mutter redet mit einem kleinen Mädchen auf Augenhöhe. Was bedeutet Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern? Der Psychologe Marshall B. Rosenberg hat sie entwickelt. Wir erklären, warum Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern wichtig ist, wie ihr sie in vier Schritten erlernen könnt und was es mit der Giraffensprache auf sich hat.  | Bild: picture alliance/VisualEyz/ Juan Salvarredy

Ziel der Gewaltfreien Kommunikation mit Kindern ist es unter anderem, ihr Selbstbewusstsein zu stärken.

Das Ziel der Gewaltfreien Kommunikation mit Kindern ist es, eine wertschätzende Beziehung zu Kindern herzustellen, in der die Bedürfnisse der Kinder und Erwachsenen im Mittelpunkt stehen. Sie sollen betrachtet, benannt und teilweise auch erfüllt werden. Kinder sollen freiwillig kooperieren und Eltern nicht ihre eigene Machtposition stärken. Eltern und Kinder können gemeinsame Strategien und Kompromisse finden. Was sich daraus ergeben kann, ist eine langfristige stabile Beziehung, mehr Verständnis füreinander sowie mehr Miteinander statt Gegeneinander. Die Kinder sollen mithilfe der Gewaltfreien Kommunikation lernen, empathisch mit ihrem Gegenüber umzugehen, sich selbst wahrzunehmen, eigene Grenzen zu setzen, aber auch die Grenzen von anderen zu respektieren. Dadurch können sie Selbstbewusstsein sowie eine innere Stärke und Resilienz entwickeln. Gleichzeitig haben Kinder die Möglichkeit, so ihre sprachliche Kompetenz zu erweitern.

Die Unterschiede der Gewaltfreien Kommunikation mit Erwachsenen und Kindern

Die Gewaltfreie Kommunikation, so wie Marshall B. Rosenberg sie definiert hat, geht davon aus, dass alle Erwachsene über ähnliche sprachliche und kognitive Fähigkeiten verfügen und autonome Menschen sind, die wiederum autonome Entscheidungen treffen können. Kleinere Kinder verfügen jedoch (noch) nicht über die gleichen Kompetenzen wie Erwachsene. Das solltet ihr unter anderem in der Gewaltfreien Kommunikation mit Kindern berücksichtigen.

Eltern-Kind-Beziehung: Kinder brauchen Orientierung und Führung

Portraitbild von Frank Gaschler, Zertifizierter Trainer für Gewaltfreie Kommunikation (CNVC), Buchautor und Sozialpädagoge. Was bedeutet Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern? Der Psychologe Marshall B. Rosenberg hat sie entwickelt. Wir erklären, warum Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern wichtig ist, wie ihr sie in vier Schritten erlernen könnt und was es mit der Giraffensprache auf sich hat.  | Bild: Frank Gaschler

"In der Gewaltfreien Kommunikation mit Kindern kommunizieren wir nicht auf einer partnerschaftlichen Ebene miteinander. Ich möchte gar nicht der Partner meines zwei- oder dreijährigen Kindes sein. Kinder haben aus meiner Sicht Anspruch auf Eltern, die ihnen eine Orientierung und Führung geben. Das brauchen sie auch für ihre Entwicklung ganz stark. Das langfristige Ziel im Leben und in der Arbeit mit Kindern ist, dass wir irgendwann mal auf einer Augenhöhe und einer partnerschaftlichen Ebene landen."

Frank Gaschler, zertifizierter Trainer für Gewaltfreie Kommunikation (CNVC), Sozialpädagoge, Coach, Buchautor und Initiator des pädagogischen Projekts 'Giraffentraum'

Wertschätzend kommunizieren: Die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation

So funktioniert die wertschätzende Gewaltfreie Kommunikation in vier Schritten:

1. Beobachten, nicht urteilen.
2. Gefühle erspüren.
3. Das Bedürfnis benennen.
4. Eine Bitte formulieren.

1. Beobachten: Schildert wertfrei, was ihr seht oder hört.
Bei diesem ersten Schritt beschreibt ihr, ohne zu bewerten, Vorurteile zu haben oder zu vergleichen, was ihr in der Situation seht oder hört. Die Trennung zwischen Beobachten und Bewerten ist unter anderem wichtig, damit euer Gegenüber nicht abblockt, wenn er oder sie das Gefühl hat, kritisiert zu werden.
Ein Beispiel für Gewaltfreie Kommunikation beim Anziehen am Morgen:

Ihr könnt feststellen: "Du hast deine Schuhe noch nicht an." Statt zu bewerten: "Du hast ja immer noch nicht deine Schuhe an, ich hab‘s dir doch schon dreimal gesagt!"

2. Gefühl erspüren: Teilt mit, was ihr in der Situation fühlt.
Macht euch bewusst, was ihr fühlt. Welche Emotion löst die Situation bei euch aus? Versucht, das Gefühl so konkret es geht, auszudrücken. Vermeidet dabei vage und allgemeine Beschreibungen wie "Ich fühle mich gut oder schlecht." Übernehmt Verantwortung für eure eigenen Gefühle und gebt nicht dem anderen die Schuld dafür. Euer Gefühl zu beschreiben, ist nicht ganz einfach und erfordert Mut. Wenn wir anderen Menschen unsere Gefühle mitteilen, öffnen wir uns. Wir machen uns angreifbar und verletzlich.

Ihr drückt euer Gefühl aus: "Es stresst mich, wenn du dich nicht rechtzeitig anziehst. Ich habe Angst, dass ich dadurch zu spät zur Arbeit komme."

3. Bedürfnis benennen: Äußert euer Bedürfnis und begründet es.
Hinter jedem Gefühl steckt ein Bedürfnis. Es ist wichtig, das eigene Gefühl zu kennen, damit ihr es eurem Gegenüber auch vermitteln könnt. Formuliert es nicht als Bewertung, Interpretation oder Vorstellung. Wenn ihr euer Bedürfnis benennt, wird es wahrscheinlicher, dass es erfüllt wird. Versucht, bei euch zu bleiben: Redet ihr wirklich über das, was ihr braucht oder über das, was eurer Meinung nach mit eurem Gegenüber nicht stimmt?

Euer Bedürfnis könnt ihr zum Beispiel so ausdrücken: "Ich wünsche mir mehr Rücksicht/Unterstützung von dir."

4. Sprecht eine konkrete Bitte aus.
Richtet zum Schluss eine konkrete Bitte an den anderen. Vermeidet dabei abstrakte und vage Aussagen, formuliert eure Bitte positiv und nicht als Forderung. Es ist die Bitte um das, was ihr braucht, damit sich euer Bedürfnis erfüllt. Achtet darauf, dass euer Gegenüber auch wirklich versteht, worum ihr bittet. So vermeidet ihr Missverständnisse. Beachtet dabei, dass eine Bitte kein Zwang ist. Sie darf auch abgelehnt werden.

So könnt ihr euer Bedürfnis in einer Bitte ausdrücken: "Es ist jetzt höchste Zeit loszufahren. Hilfst du mir und ziehst jetzt bitte deine Schuhe an?"

Faustformel
Damit ihr euch diese vier Schritte noch besser einprägen könnt, hat Rosenberg sie zu einer Faustformel zusammengefasst:

Wenn ich a sehe (Beobachtung), dann fühle ich b (Gefühl), weil ich c brauche (Bedürfnis). Deshalb möchte ich jetzt gern d (Bitte).

Merken könnt ihr euch die vier Schritte auch mit folgender Eselsbrücke: se-fü-bra-bi. Beim nächsten Konflikt also einmal durchschnaufen - und dann: sehen, hlen, brauchen, bitten.

Gewaltfreie Kommunikation: Auch Kinder sollen ihre Gefühle und Bedürfnisse äußern

Portraitbild von Frank Gaschler, Zertifizierter Trainer für Gewaltfreie Kommunikation (CNVC), Buchautor und Sozialpädagoge. Was bedeutet Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern? Der Psychologe Marshall B. Rosenberg hat sie entwickelt. Wir erklären, warum Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern wichtig ist, wie ihr sie in vier Schritten erlernen könnt und was es mit der Giraffensprache auf sich hat.  | Bild: Frank Gaschler

"Das bedeutet, dass wir Gespräche führen und Kinder dabei unterstützen, ihre Gefühle und Bedürfnisse mitzuteilen. Es bedeutet nicht, dass die Kinder in vier Schritten reden sollen, sondern dass wir den Kindern die Haltung der Gewaltfreien Kommunikation vorleben. Das ist der große Unterschied."

Frank Gaschler, zertifizierter Trainer für Gewaltfreie Kommunikation (CNVC), Sozialpädagoge, Coach, Buchautor und Initiator des pädagogischen Projekts 'Giraffentraum'

Video: Wie Kinder Empathie und Mitgefühl lernen können

Begründer der Gewaltfreien Kommunikation: Wer war Marshall B. Rosenberg und warum entwickelte er die Gewaltfreie Kommunikation?

Der Psychologe Marshall B. Rosenberg spaziert im Jahr 2006 am Strand. Was bedeutet Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern? Der Psychologe Marshall B. Rosenberg hat sie entwickelt. Wir erklären, warum Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern wichtig ist, wie ihr sie in vier Schritten erlernen könnt und was es mit der Giraffensprache auf sich hat.  | Bild: picture alliance/ZUMAPRESS.com/Charlie Neuman

Marshall B. Rosenberg begann in den 1960er-Jahren das Modell der Gewaltfreien Kommunikation zu entwickeln.

Der amerikanische Psychologe, Mediator und Buchautor Marshall B. Rosenberg (1934 - 2015) wurde in seiner Jugend aufgrund seiner jüdischen Wurzeln oft ausgegrenzt. Er erlebte, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe und Kultur in rassistische Konflikte geraten konnten. Das prägte Rosenberg sehr. Er erforschte, inwiefern unsere Sprache zur Gewalt beiträgt. In den 1960er-Jahren begann er sein Modell der Gewaltfreien Kommunikation als eine Sprache der Verbindung zu entwickeln. Später gründete er die Non-Profit-Organisation "The Center of nonviolent Communication" (CNVC), um seine Ansätze jedem zugänglich zu machen. Er hatte zwei Mentoren, die ihn während seiner Forschungsarbeit begleiteten. Zum einen prägte ihn sein Lehrer Carl Rogers, und dessen Arbeiten zur klientenzentrierten Psychotherapie, zum anderen die Überlegungen zur "Gewaltfreiheit" von Mahatma Ghandi. Er integrierte ihre Thesen in seine Arbeit und entwickelte sie weiter. Sein Kommunikationsmodell nannte Rosenberg "Nonviolent Communication", auf Deutsch: Gewaltfreie Kommunikation.

Rosenberg bot Seminare zur Gewaltfreien Kommunikation weltweit über viele Jahre lang an. Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation wird inzwischen in Familien, Bildungseinrichtungen, in Unternehmen, Organisationen, in der Psychotherapie, in der Beratung sowie bei politischen und geschäftlichen Verhandlungen sowie zur Vermittlung zwischen Kriegsparteien auf der ganzen Welt angewandt.

Gewaltfrei kommunizieren: Für mehr Menschlichkeit

"Die Gewaltfreie Kommunikation gründet sich auf sprachliche und kommunikative Fähigkeiten, die unsere Möglichkeiten erweitern, selbst unter herausfordernden Umständen menschlich zu bleiben."

Marshall B. Rosenberg in: 'Gewaltfreie Kommunikation - Eine Sprache des Lebens.' Rosenberg, Marshall B: Junfermann Verlag, Paderborn, 2016. Seite, 18.

Video: Warum uns eine wertschätzende Kommunikation weiterbringt

Giraffensprache und Wolfssprache: Gewaltfreie Kommunikation verbildlicht

Das Giraffenjungtier "Niara" steht im Giraffenhaus des Leipziger Zoos. Was bedeutet Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern? Der Psychologe Marshall B. Rosenberg hat sie entwickelt. Wir erklären, warum Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern wichtig ist, wie ihr sie in vier Schritten erlernen könnt und was es mit der Giraffensprache auf sich hat.  | Bild: picture alliance/dpa/Jan Woitas

Die Giraffe ist das Symbol für Empathie und eine wertschätzende Sprache. Die Gewaltfreie Kommunikation wird auch Giraffensprache genannt.

Marshall B. Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, hat in seinen Seminaren viel mit Handpuppen gearbeitet. Um das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation für Kinder besser zu veranschaulichen, wählte Rosenberg zwei Symboltiere: Die Giraffe dient als Symbol für die Sprache der Gewaltfreien Kommunikation, auch Giraffensprache genannt. Der Wolf ist ihr Gegenspieler, er steht für eine gewaltvolle Kommunikation, sie wird auch als Wolfssprache bezeichnet.

Was versteht man unter der Giraffensprache?

Die Giraffe steht für eine mitfühlende, freundliche, trotzdem kraftvolle und klare Sprache sowie ein Verhalten, das die Verbindung spüren lässt. Die Giraffe ist das Landtier mit dem größten Herzen. Sie überblickt mit ihrem langen Hals und etwas Abstand die gesamte Situation. Sie beobachtet und fragt sich, welche Gefühle sie spürt, welches Bedürfnis und welche Bitte für sie daraus entstehen. Die Giraffe hört empathisch zu, spricht wertschätzend und sie zeigt ihrem Gegenüber, dass sie ihn nicht verletzen oder bestrafen will. Sie möchte gemeinsam zum Ziel kommen und äußert Verständnis für die Gefühle und Bedürfnisse des anderen.

Was ist die Wolfssprache?

Während die Giraffe aus dem Herzen spricht, äußert der Wolf Gewalt. Der Wolf ist kleiner als die Giraffe. Er überblickt die Situation nicht und ist auf der Suche nach einem Schuldigen. Der Wolf will im Mittelpunkt stehen, er kritisiert, beleidigt, bestraft, bedroht, bewertet und manipuliert. Er lässt den anderen als Verlierer dastehen.  

Unterschiede: Giraffensprache vs. Wolfssprache

Die Giraffensprache und Wolfssprache unterscheiden sich grundsätzlich in ihrer Haltung. Seid ihr euch dessen bewusst, könnt ihr euer Verhalten und eure Ausdrucksweise reflektieren und anpassen - für mehr Giraffe in eurem Leben:

  • Der Wolf stellt sich selbst in den Mittelpunkt. Die Giraffe will dagegen vermitteln: "Du bist mir wichtig."
  • Der Wolf will mit Druck seine Ziele erreichen. Die Giraffe sucht nach einer gemeinsamen Lösung.
  • Der Wolf macht Vorwürfe: Er löst damit oft Scham, Angst oder Schuldgefühle aus. Für die Giraffe ist gegenseitige Wertschätzung wichtig.
  • Der Wolf urteilt, er belohnt und bestraft. Die Giraffe hört empathisch zu und bewertet nicht.
  • Der Wolf sucht die Auseinandersetzung und den Machtkampf, am Ende gibt es einen Gewinner und einen Verlierer. Die Giraffe sucht die Kooperation.

Video: Wie Gewaltfreie Kommunikation wirkt

Tipps: Diese Punkte können euch bei der Gewaltfreien Kommunikation mit Kindern helfen

  • Erwartet nicht, dass euer Kind mithilfe der Gewaltfreien Kommunikation ab sofort immer das macht, was ihr von ihm wollt. Das ist nicht das Ziel der Gewaltfreien Kommunikation. Es geht darum, eine tiefe und ehrliche Verbindung mit eurem Kind aufbauen zu können.
  • Beachtet, dass ihr als Eltern Vorbilder für eure Kinder seid.
  • Kommuniziert liebevoll und wertschätzend mit eurem Kind. Verwendet die Technik der vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation.
  • Überlegt, welche Gefühle und Bedürfnisse hinter dem Verhalten des Kindes stecken oder fragt euer Kind, wenn es schon ein bisschen älter ist, direkt danach.  
  • Sprecht auch offen und ehrlich über eure Gefühle und Bedürfnisse, ohne euer Kind dafür verantwortlich zu machen.
  • Passt euch eurem Kind altersgemäß in der Sprache an. Benutzt Worte, die es verstehen kann.
  • Vermeidet Bewertungen, Verallgemeinerungen und Verurteilungen.  
  • Verwendet Ich-Botschaften in eurer Kommunikation.
  • Nehmt Rücksicht darauf, dass ihr ganz andere und mehr Kompetenzen zur Verfügung habt als euer Kind.
  • Hört eurem Kind empathisch zu.
  • Seid authentisch. Wenn ihr wütend oder frustriert seid, erklärt eurem Kind, warum und überspielt nichts. Es ist wichtig, dass eure Gestik, Mimik, Stimmlage und Körpersprache zu eurer Botschaft passen.
  • Seid ihr sehr wütend, hilft es, dreimal ruhig durchzuatmen oder auch in einen anderen Raum zu gehen, sich zu beruhigen und dann mit eurem Kind zu sprechen.
  • Begründet die Bitte, die ihr äußert.
  • Wenn euer Kind eurer Bitte nicht nachkommt, fragt nach: "Warum möchtest du das nicht machen? Was hält dich davon ab?" So kommt ihr gemeinsam in einen Dialog und in ein verbindendes Gespräch.
  • Verschiebt Konfliktgespräche, wenn euer Kind Hunger oder Schmerzen hat, müde ist oder auf die Toilette muss, auf später.
  • Wenn euer Partner oder eure Partnerin in der Situation entspannter ist als ihr selbst, überlasst ihm oder ihr die Gesprächsführung.
  • Wenn euch Gewaltfreie Kommunikation mit eurem Kind einmal nicht gelingt, sucht danach wieder den Kontakt zu ihm und zeigt euer Bedauern darüber, dass ihr in dieser Situation nicht anders handeln konntet.
  • Ihr könnt die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation auch in einer positiven Situation anwenden und zum Beispiel eure Dankbarkeit oder Freude über etwas ausdrücken.

In Kitas und Grundschulen: Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern in der Pädagogik

Drei Kindergartenkinder fassen sich an den Händen. Was bedeutet Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern? Der Psychologe Marshall B. Rosenberg hat sie entwickelt. Wir erklären, warum Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern wichtig ist, wie ihr sie in vier Schritten erlernen könnt und was es mit der Giraffensprache auf sich hat.  | Bild: picture alliance/Zoonar/Lev Dolgachov

Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation wird bereits in Kindertagesstätten und Grundschulen eingesetzt.

Bereits Kita- und Grundschulkinder können, mithilfe der Giraffensprache, das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation lernen. Die Gewaltfreie Kommunikation will Erzieher und Lehrer ermutigen, eine gute Verbindung mit den Kindern einzugehen, in der sich jeder gesehen und respektiert fühlt. Dazu gehört zum Beispiel, dass Erzieher und Lehrer die Einzigartigkeit jedes Kindes anerkennen, offen sind für das, was gerade in der Innen- und Außenwelt des Kindes geschieht und dass sie wertfrei jedes Verhalten der Kinder annehmen - was nicht bedeutet, dass sie es auch akzeptieren müssen. Gleichzeitig lernen auch Kinder, dass Erzieherinnen und Lehrer Gefühle und Bedürfnisse haben, die beachtet werden wollen. Wer von klein auf übt, auch in Konflikten Giraffensprache zu verwenden, dem fällt sie später auch im Erwachsenenalter leichter.

Interview: Fragen und Antworten zur Gewaltfreien Kommunikation mit Kindern

Ihr interessiert euch für die Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern, wollt das Modell vielleicht anwenden, habt aber noch einige Fragen dazu? Wir haben mit Frank Gaschler, zertifizierter Trainer für Gewaltfreie Kommunikation (CNVC), Sozialpädagoge, Coach, Buchautor und Initiator des pädagogischen Projekts "Giraffentraum", gesprochen. Er weiß Antworten auf die häufigsten Fragen zur Gewaltfreien Kommunikation mit Kindern.

ARD alpha: Herr Gaschler, müssen wir uns beim Sprechen eigentlich an die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation halten? Es klingt ein wenig unnatürlich und hölzern, so zu reden.

Gaschler:
Ja, das stimmt, vor allem am Anfang. Ich vergleiche es immer gern mit Skifahren lernen. Am Anfang fahren wir mit der Pizza- und Pommestechnik den Kinderhügel runter. Das ist auch nicht richtig Skifahren, ein bisschen hölzern und schaut nicht so richtig sportlich aus. Aber wir brauchen diesen Zugang dazu, um dann, im Laufe der Zeit, immer mehr in eine schlüssigere Form zu kommen. Wenn ich mich jahrelang mithilfe der Gewaltfreien Kommunikation mit jemandem unterhalten habe, dann brauche ich diese hölzerne Form nicht mehr. Gleichzeitig bin ich aber auch immer wieder froh, darauf zurückgreifen zu können.

ARD alpha: Sind die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation in einer akuten Situation nicht zu kompliziert?

Gaschler:
Ja, das ist so. Gewaltfreie Kommunikation in einer akuten Situation, in einem Moment, wo beide wirklich total wütend und stinksauer aufeinander sind, klappt nicht. Da funktioniert fast jede Situation des Umgangs mit Konflikten nicht. Gewaltfreie Kommunikation funktioniert aus meiner Sicht auch nicht bei Hunger, bei Schmerzen, wenn einem kalt ist oder ein dringendes Bedürfnis besteht, auf die Toilette zu gehen. Das heißt, wenn ich abends um 21:30 Uhr mit meinem Dreijährigen das Thema Zähneputzen diskutieren möchte, dann ist klar, dass da nicht viel bei rauskommt. Als Eltern, Pädagogen und als Kind brauchen wir ein paar Ressourcen und Stabilität dafür. Viele Konflikte kann ich am besten dann klären, wenn sie nicht heiß sind. Und dafür ist es zum Beispiel auch hilfreich, das Thema "Zimmer aufräumen" mit den Kindern nicht im unaufgeräumten Zimmer zu diskutieren. Ich rede auch nicht mit dem Kind über Hausaufgaben, wenn es gerade mit einer Fünf nach Hause gekommen und vollkommen überlastet von der Schule ist. Dann mache ich dieses Fass besser nicht auf, sondern suche eine Möglichkeit, dass wir beide runterkommen. Am allerbesten spreche ich über Zimmer aufräumen, Hausaufgaben und so weiter, wenn es uns gut geht. Sonntagnachmittag beim Eisessen.

ARD alpha: Was mache ich, wenn ich diese Zeit nicht habe? Wenn ich zum Beispiel in der Situation bin, dass ich morgens dringend die Wohnung verlassen muss, um zur Arbeit zu gehen, das Kind zur Kita oder in die Schule bringen muss, und es sich einfach nicht fertig anziehen will?

Gaschler:
Zum Einen ist es so, dass diese Situation sowieso jeden Tag wieder aufs Neue kommt. Wir haben immer wieder die Chance zu üben. Wir können uns davon verabschieden, dass es die eine Lösung gibt, die immer hundertprozentig funktioniert. Sondern das Ganze ist natürlich, wie das Leben mit Kindern überhaupt, ein dauerndes Versuchen, Entwickeln, Lernen, Dazulernen und Weiterentwickeln. Und wenn wir irgendwann zurückschauen, gibt es Situationen, wo wir verzweifelt vor dem Dreijährigen stehen, weil das Zähneputzen nicht funktioniert. Wenn ich dann fünf Jahre später zurückschaue, dann merke ich, so schlimm war das gar nicht. Jetzt habe ich die Hausaufgaben, das ist schlimm. Und weitere fünf Jahre später ist das auch vorbei.

In einer akuten Situation, mit dem Beispiel, ich möchte mein Kind in die Kita bringen, kann ich überlegen: Warum will ich eigentlich das Kind in die Kita bringen? Was ist mein Bedürfnis? Es geht mir vielleicht darum, verlässlich zu sein und zu arbeiten und dafür brauche ich auch die Kooperation und Unterstützung meines Kindes. Schauen wir uns das Kind an: Sein Bedürfnis ist, dass es vielleicht gerade spielen will, dass es loslassen muss von zu Hause oder sich mit Ruhe und Gelassenheit anzuziehen. Vielleicht ist sein Bedürfnis, selbst zu entscheiden und autonom zu sein. Was ich jetzt machen kann: Ich nehme die Bedürfnisse auf beiden Seiten wahr und als Erwachsener treffe ich jetzt eine Entscheidung. Ich entscheide mich, welches Bedürfnis ich im Moment priorisiere. Und das ist wahrscheinlich, in den Kindergarten gehen, weil ich danach zur Arbeit fahren möchte. Diese Entscheidung treffe ich, spreche sie aus und sehe dabei gleichzeitig auch die Bedürfnisse des Kindes, nehme sie wahr und verbalisiere sie. Ich kann zum Beispiel sagen: "Ich sehe, dass du jetzt total gern spielen möchtest. Es ist schade, dass das im Moment nicht klappt, weil es mir wichtig ist, dich in die Kita zu bringen. Damit wir verlässlich sind und auch, weil ich selber gern in die Arbeit gehen möchte. Deshalb treffe ich jetzt diese Entscheidung, wir gehen jetzt in den Kindergarten, dann kannst du dort weiterspielen oder eben heute Abend, wenn du wieder zurückkommst." Das wird das Kind nicht unbedingt glücklich annehmen, in dem Moment ist es wahrscheinlich für das Kind frustrierend, dass sein Bedürfnis nicht erfüllt wird. Es ist aber auch nicht das Ziel, dass Kinder immer glücklich sind.

ARD alpha: In der Gewaltfreien Kommunikation geht es auch um die Erfüllung unserer Bedürfnisse. Ist es für Kinder eine wichtige Erfahrung, dass ihre Bedürfnisse nicht immer erfüllt werden können?

Gaschler:
Angenommen ein Kind merkt, sein Bedürfnis wird nicht erfüllt, dann ist vielleicht eine Frustration da. Es gibt in der Pädagogik den Begriff "Frustrationstoleranz". Das heißt, es geht darum, dass Kinder, ab einem gewissen Alter, sagen wir von etwa drei Jahren, lernen, dass ihre Bedürfnisse wahrgenommen und ernst genommen werden - es aber nicht heißt, dass sie unbedingt sofort erfüllt werden müssen. Wenn Kinder das lernen, sind sie nicht mehr abhängig davon, dass alle ihre Bedürfnisse sofort erfüllt werden müssen. Sondern sie lernen, dass sie auch mal etwas parken können - was sie später dringend brauchen in der Schule, in der Arbeit und im ganzen Leben. Wenn wir uns immer davon leiten lassen würden, dass sich unsere Bedürfnisse sofort erfüllen müssen, dann sind wir abhängig von anderen. Damit Kinder diese Frustrationstoleranz lernen, und das ist etwas ganz Wichtiges für ihre Entwicklung, ist es wichtig, dass wir Erwachsenen den Kindern auch "nein" sagen. Das fällt uns manchmal schwer, weil wir vielleicht Angst haben, dass das irgendetwas mit unserer Beziehung macht und das Kind uns dann nicht mehr so gern mag. Dann sagen Eltern manchmal lieber "ja" statt "nein" und das ist überhaupt nicht hilfreich für die Kinder.  

ARD alpha: Ist es mit der Gewaltfreien Kommunikation vereinbar, dass wir "nein" sagen, Grenzen setzen und auch mal bei unserem Standpunkt bleiben?

Gaschler:
Auf jeden Fall. Gewaltfreie Kommunikation hat die Bedürfnisse aller im Blick. Wenn wir als Eltern die Idee haben, es geht nur um die Bedürfnisse der Kinder und unsere eigenen Bedürfnisse auf Dauer außer Acht lassen, hilft uns das überhaupt nicht. Eltern, die sich für ihre Kinder aufopfern, das kreiert diesen Gedanken von Schuld. Eltern, die sich für ihre Kinder aufopfern, geht es auf Dauer nicht gut. Sie leiden irgendwann darunter, dass sie selbst keine Bedürfniserfüllung erfahren. Und wenn es ihnen nicht gut geht, neigen Kinder gerne dazu, die Verantwortung dafür bei sich zu suchen. Das heißt, sie sehen, der Mama geht es nicht gut. Das Kind spürt das und entwickelt schnell die Idee, ich bin schuld daran. Dann haben wir dieses Schuldthema in der Familie und das Übernehmen von Verantwortung für die Gefühle des anderen. Das Kind geht in eine Schonhaltung den Eltern gegenüber und das ist kein wirklich konstruktiver, hilfreicher Zustand für eine Eltern-Kind-Beziehung.

ARD alpha: Kann die Gewaltfreie Kommunikation wirklich bei jedem Kind funktionieren? Oder ist das auch eine Typsache?

Gaschler:
Immer wieder erreicht mich die Frage, funktioniert die Gewaltfreie Kommunikation denn auch? Aber was bedeutet eigentlich funktionieren? Wenn funktionieren bedeutet, dann machen die Kinder, was ich möchte - da würde ich sagen: nein. Gewaltfreie Kommunikation hat nicht das Ziel, dass die Kinder machen, was wir wollen. Sondern Gewaltfreie Kommunikation hat im Wesentlichen den Fokus, langfristig die Beziehung zu stärken. Die Beziehung stärken können wir auf ganz unterschiedliche Weise zu jedem Typus von Kind oder Erwachsenen. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, bei dem ich sagen würde, da kann man mit Gewaltfreier Kommunikation gar nichts machen. Aber es ist nicht etwas, was von heute auf morgen passieren kann, gerade wenn Kinder aus Hintergründen kommen, wo sie jegliches Vertrauen in Erwachsene komplett verloren haben.

ARD alpha: Was können Sie Eltern mitgeben, die versuchen die Gewaltfreie Kommunikation anzuwenden, aber es in manchen Alltags-Situationen doch nicht schaffen, dabei zu bleiben?

Gaschler:
Gewaltfreie Kommunikation ist ein Ideal, wie wir Menschen miteinander umgehen können. Und wie jedes Ideal ist es etwas, was wir vielleicht anstreben können, aber nicht zwangsläufig erreichen. Sich allein auf diesen Weg zu machen, ist ein Riesenschritt. Und es geht auch gar nicht darum, dass wir immer die perfekten Eltern sind. Es geht vielmehr darum, zu sagen, ich habe bestimmte Muster, die bringe ich von zu Hause mit. So bin ich groß geworden. Davon hat einiges funktioniert und davon war einiges nicht so großartig. Und jetzt mache ich mich auf den Weg, allein oder mit meinem Partner oder Partnerin zusammen, und versuche, an einzelnen Stellen etwas zu verändern. Indem ich mich frage, worum geht es mir eigentlich? Indem ich anfange zuzuschauen und mich frage, was will mir das Kind eigentlich sagen? Indem ich feststelle, das Kind will mich nicht provozieren, sondern es hat vielleicht eine Not. Indem ich mich löse von Gedanken wie es gäbe es so etwas wie eine Trotzphase. Sondern einfach nur erkennen, das ist ein Entwicklungsstadium, in dem die Kinder Autonomie entdecken und frustriert sind, weil vieles nicht gelingt. Mit diesen ersten Schritten merken wir: Da ändert sich etwas. Wir sollten uns nicht selbst kasteien, wenn etwas nicht gelungen ist, sondern das feiern, was schon gelungen ist.

ARD alpha: Was sind die Grenzen der Gewaltfreien Kommunikation? Und gibt es Situationen, in denen sie nicht angebracht ist?

Gaschler:
Ein Teil der Gewaltfreien Kommunikation ist das Konzept der "schützenden Gewalt". Es gibt Situationen, wo ich als Erwachsener die Konsequenzen sehe, das Kind die Situation aber vielleicht nicht überblicken kann. Zum Beispiel das Rennen über eine rote Ampel. Ich als Erwachsener weiß, was passiert. In dem Moment werde ich alles tun, um das Leben des Kindes oder auch anderer zu schützen. Das tue ich, indem ich Gewalt anwende und die Autonomie des Kindes für diesen Moment zu hundert Prozent einschränke. Das heißt, ich mache einen Hechtsprung und halte das Kind davon ab, über die Straße zu laufen. Das Kind wird in dem Moment wahrscheinlich nicht "Danke, Papa!" sagen. Es wird wahrscheinlich erst mal ziemlich erschrocken und außer sich sein, weil ich seine Bedürfnisse eingeschränkt habe. Und jetzt kommt die Frage: Fange ich an, das Kind zu verurteilen, dafür, dass es über die Ampel gegangen ist, dann sind wir im Bereich der strafenden Gewalt. Oder denke ich in dem Moment, das war das Beste, was mir zur Verfügung gestanden ist, das Kind zu stoppen. Gleichzeitig bin ich fähig zu erkennen, dass das Kind jetzt tobt, liegt nicht daran, weil ich es festgehalten habe, sondern weil ich es einfach in seiner Autonomie eingeschränkt habe. Diese Art von einer "schützenden Gewalt" ist ein wichtiges Prinzip der Gewaltfreien Kommunikation mit Kindern.

Die Grenzen der Gewaltfreien Kommunikation liegen an vielen Stellen in mir selbst. Wenn ich zum Beispiel nicht vertraue oder aufgrund meiner eigenen Erziehung glaube, Kinder bräuchten Strafe, sonst funktionieren sie nicht. Wenn ich glaube, dass Kinder ohne Strafe dies oder das tun oder sich in eine Richtung entwickeln, die mir einfach Sorge bereitet. An der Stelle würde ich sagen, da verlasse ich die Sache, weil ich vielleicht selber nie die entsprechenden Erfahrungen gemacht habe. Und dann wende ich vielleicht bestimmte Maßnahmen an, die ich selber als Kind erlebt habe, die sehr schmerzhaft waren.
Wenn wir den methodischen Aspekt anschauen, liegt eine Grenze darin, dass ich vielleicht nicht mehr in Kontakt mit meinem Sprachzentrum bin. Wenn ich so getriggert bin, dass ich nur noch auf Angriff, Flucht oder "Kaninchenstarre" schalte, dann kann ich natürlich keine vier Schritte mehr formulieren. Dann bin ich erst mal komplett in der Not. Dann brauche ich erst mal wieder eine Stabilität für den Kontakt zu mir, um überhaupt wieder aktiv zu werden. Und deswegen ist es sehr wichtig, dass wir gerade als Eltern immer wieder auch schauen, wie schaffen wir es, unseren eigenen Tank aufzufüllen und wo kriegen wir etwas her? Das bekommen wir nicht zwangsläufig von unseren Kindern, sondern durch Ruhe und Erholung. Indem sich der Partner vielleicht um die Kinder kümmert. Oder ich gebe das Kind in die Kita und in der Zeit sorge ich mal für mich. Oder die Großeltern kümmern sich und ich mach mit meinem Partner mal ein entspanntes Wochenende, um mal wieder Partnerschaft zu tanken. Um diesen gefüllteren Tank dann auch wieder nutzen zu können.

Sendungen und Quellen: Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern, Giraffensprache und die vier Schritte nach Marshall B. Rosenberg