Ernährungstrends Wie gesund sind Low Carb, Kokosöl & Co.?
In der Ernährung scheint ein Hype den nächsten zu jagen. Doch was stimmt denn nun von all den Ernährungstipps, die im Umlauf sind? Ernährungswissenschaftler klären auf.
Superfood Kokosöl?
Frage
Mal wird Kokosöl als total ungesund abgewertet und dann wieder als Superfood hochgelobt. Was stimmt denn nun?
Antworten
- Prof. Stefan Lorkowski, Ernährungswissenschaftler, Universität Jena sagt: "Das Kokosöl ist in den letzten Jahren sehr gehyped worden. Teilweise als Superfood angepriesen worden, aber wenn man sich das Ganze nüchtern ansieht, muss man sagen, dass Kokosöl uns weder etwas nützt noch bringt."
- Silke Restemeyer, Ökotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn sagt: "Kokosöl enthält, wie auch Palmfett und tierische Schmalze, große Mengen an gesättigten Fettsäuren. Die gesättigten Fettsäuren haben eine ungünstige Wirkung auf die Blutfettwerte."
Fazit
Professor Stefan Lorkowski, Ernährungswissenschaftler an der Universität Jena:
"Das Problem ist, dass die Studien, die zur Vermarktung gedient haben, dass Kokosöl gesund ist, die sind gar nicht mit Kokosöl gemacht worden, sondern mit ganz ausgesuchten Bestandteilen des Kokosöls. Das gilt auch nur für ganz bestimmte Erkrankungsformen, die sehr selten sind, dass man dann diese Fette verzehren muss. Aber der gesunde Mensch braucht Kokosöl nicht und es hat auch keinen Mehrwert."
Low Carb - Kohlenhydrate reduzieren?
Es gibt viele Kohlenhydrate
- Prof. Stefan Lorkowski, Ernährungswissenschaftler, Universität Jena: "Es gibt ja nicht 'die' Kohlenhydrate. Wenn wir von Kohlenhydraten sprechen, dann reden wir ja von einer Nährstoffgruppe die sehr kompliziert ist, weil es so viele verschiedene Arten von Kohlenhydraten gibt."
- Silke Restemeyer, Ökotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn sagt: "Kohlenhydrate sind neben Fett die wichtigste Energiequelle für den Menschen. Vor allen Dingen Getreideprodukte aus Vollkorn sättigen gut und haben auch aufgrund der enthaltenen Ballaststoffe einen hohen gesundheitlichen Nutzen. Wir empfehlen als Deutsche Gesellschaft für Ernährung beispielsweise mindestens 30 Gramm Ballaststoffe aus Vollkornprodukten, Gemüse, Hülsenfrüchten und Obst täglich aufzunehmen."
Chips, Pommes, Süßigkeiten
Der Körper braucht Kohlenhydrate als Energiequelle. Sie bestehen aus Zuckermolekülen, schmecken aber nicht alle süß. Etwa die Hälfte unserer täglichen Nahrung sollte aus diesen Energielieferanten bestehen, sagen Forscher. Chips, Süßigkeiten und Pommes gehören allerdings nicht dazu. Sie enthalten vor allem sogenannte einfache Kohlenhydrate. Einfache Kohlenhydrate werden, im Gegensatz zu komplexen Kohlenhydraten, vom Körper sofort verarbeitet, gelangen ins Blut und liefern so schnell verfügbare Energie. Der Nachteil: Einfache Kohlenhydrate machen weder dauerhaft satt noch geben sie langanhaltend Energie. So schnell wie der Blutzucker in die Höhe schießt, so schnell fällt er auch wieder ab. Ihr Verbrauch sollte deshalb reduziert werden. Bei Kohlenhydraten gilt, was für alle Lebensmittel gilt: Die Qualität ist entscheidend!
Fazit
Silke Restemeyer, Ökotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn sagt:
"Die DGE empfiehlt nach wie vor, dass in einer vollwertigen Mischkost mindestens 50 Prozent des Energiebedarfs aus Kohlenhydraten stammen sollten. Das ist im Hinblick auf die Prävention von ernährungsbedingten Erkrankungen vorteilhaft. Aber es ist eben wichtig, dass die Zusammenstellung beziehungsweise die Qualität stimmt. [...] Was wir in den 10 Regeln für eine vollwertige Ernährung empfehlen, das ist vielleicht vielen Menschen schon zu brav und zu bekannt, das ist nichts wirklich Drastisches oder eine massive Änderung der Ernährung, die man vornehmen muss, sondern das ist eben eine ausgewogene Mischkost."
Zucker und alternative Süßstoffe
Frage
Macht Zucker krank und sind alternative Süßstoffe wie brauner Zucker, Honig, Stevia, Melasse oder Agavendicksaft besser?
Antwort
Silke Restemeyer, Ökotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn sagt:
"Auch andere Süßungsmittel wie beispielsweise Honig, Agavendicksaft oder brauner Zucker, die enthalten vielleicht noch Spuren an Mineralstoffen, aber die sind nicht wirklich besser zu werten als der normale Haushaltszucker. Sie erzeugen auch Karies und gesüßte Lebensmittel bringen viel Energie mit und oftmals wenig Nährstoffe."
Fazit
Statt auf alternative Süßstoffe auszuweichen, ist es gesünder, ganz auf Süßes zu verzichten. Der Körper braucht keinen extra Zucker, da er ihn aus den Kohlenhydraten gewinnt. Doch gerade am Beispiel Zucker sei erkennbar, wie industrienahe Forschung die Meinung in der Öffentlichkeit mitbestimmt, sagt der Ernährungswissenschaftler Professor Helmut Heseker. Schon das Studiendesign kann nämlich das Ergebnis einer Untersuchung mitentscheiden:
Professor Helmut Heseker, Ernährungswissenschaftler an der Universität Paderborn:
"Wenn wir Versuchspersonen nehmen, die am Rande der Überernährung sind, und wir geben denen zusätzlich ein oder zwei Liter eines zuckerreichen Erfrischungsgetränkes, dann wird sich bei vielen dieser Probanden nach einiger Zeit eine stärkere Leberfettbildung einstellen, das ist eine Sache, die die Zuckerindustrie gar nicht gerne hört. Deshalb werden in den USA Studien gemacht, die dann ein etwas anderes Studiendesign haben, indem man zum Beispiel Versuchspersonen nimmt, die leicht unterernährt sind. In so einer Situation ist es ganz egal, ob ich mehr Zucker, mehr Fett zu mir nehme, ohne dass das einen Effekt hat. Das heißt, die Studien kann man auch so anlegen, dass nichts rauskommt."
Ernährung - heute und früher
Frage
Hat sich unsere Ernährung verändert? Wie sieht es mit den Essgewohnheiten und beim Kochen aus?
Antwort
Prof. Gerd Glaeske, Gesundheitswissenschaftler an der Universität Bremen:
"Das eine ist, dass oftmals mehr als 80 Prozent unserer Ernährung Fertignahrung ist, industriell vorgefertigt. Dass es nicht mehr das ist, was Sie auf dem Markt kaufen oder auf dem Bauernhof, und dann selbst kochen. Das heißt, ich bin mir unsicher, was da alles drin ist. Und das zweite ist, dass wir unsere Ernährung dem Zeitdruck und dem Leistungsdruck in der Gesellschaft angepasst haben. Es wird im Laufen gegessen, es wird im Stehen gegessen, es wird nebenher gegessen, es wird immer weniger gekocht, aber auch weniger zusammen gegessen."
Fazit
Nur noch 35 Prozent der Familien kochen täglich. Vor zehn Jahren waren es noch 45 Prozent. Dieser Trend und das Zwischendurchessen sowie die Zubereitung von Fertigprodukten führen dazu, dass das Wissen über Lebensmittel und deren Verarbeitung schwindet. Wann wachsen welche Gemüse- und Obstsorten? Welche Nährstoffe enthalten sie? Die Folge: Wir sind unsicher und suchen nach einer anderen Art von Ernährung. Nach guten, naturbelassenen und gesunden Nahrungsmitteln.
Ernährung und Gesundheit
Frage
Welche Rolle spielt die Ernährung für unsere Gesundheit? Warum finden radikale Ernährungstheorien so viele Anhänger?
Antwort
- Prof. Helmut Heseker, Ernährungswissenschaftler an der Universität Paderborn: "Es ist offenbar so, dass sich Ernährungsfehler bei der heute weit verbreiteten Überernährung, verbunden mit körperlicher Inaktivität, viel früher und stärker bemerkbar machen. Früher haben die Menschen noch körperlich hart gearbeitet, da hat wahrscheinlich der Körper so manche Fehler eher verziehen. Denn für eine körperlich hart arbeitende Person, mit entsprechend hohem Energiebedarf und normalem Körpergewicht, ist es wahrscheinlich egal, wie hoch seine Fett- oder Kohlenhydrat-Zufuhr ist.
- Prof. Stefan Lorkowski, Ernährungswissenschaftler an der Universität Jena: "20 Prozent der Todesfälle weltweit sind durch eine falsche Ernährung bedingt. Das heißt, es ist unser größter und häufigster Risikofaktor. Das kommt auch nach und nach in das Bewusstsein der Menschen. Und deswegen interessieren sie sich auch mehr und mehr dafür. Aber es ist unheimlich schwer geworden, valide Daten zu bekommen, weil es so viele Experten gibt, die irgendetwas im Internet oder in Fachmedien veröffentlichen. Für den Verbraucher ist es schwer herauszufinden, was denn jetzt richtig ist."
Fazit
Prof. Stefan Lorkowski, Ernährungswissenschaftler an der Universität Jena:
"Es ist halt einfach für den Verbraucher, zu hören: 'Mensch, das ist toll für deine Gesundheit, iss es jeden Tag und dann ist alles prima!'"