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Ausgezeichnete Forscherinnen Wie Frau zu einem Nobelpreis kommt

Unter Nobelpreisträgern sind Frauen immer noch eine Ausnahmeerscheinungen - in der Männerdomäne Spitzenforschung. In den Lebensläufen der Preisträgerinnen zeigen sich einige Parallelen. Wir machen Sie mit den Forscherinnen bekannt.

Stand: 05.10.2022 | Archiv

Nobelpreisträgerinnen sind Randerscheinungen. Nur rund fünf Prozent der begehrten Preise gingen an Frauen. Und weniger als die Hälfte davon wurden für Forschungsarbeiten ausgezeichnet: Erst 25 Frauen erhielten einen naturwissenschaftlichen Nobelpreis: zwölfmal für Medizin, achtmal für Chemie, viermal für Physik und zweimal für Wirtschaft. Mitgerechnet? Ja: 26 Preise für 25 Wissenschaftlerinnen. Denn eine Frau errang sogar zwei Nobelpreise. Wir stellen sie Ihnen diese außergewöhnlichen Frauen vor.

Die wenigen ausgezeichneten Forscherinnen

In Schuppen und Kellern

Medizin-Nobelpreisträgerin Rita Levi-Montalcini

Viele Nobelpreisträgerinnen waren außergewöhnlich ehrgeizig. Sie ließen sich trotz widriger Umstände nicht vom Forschen abhalten ließen. Lise Meitner, der man als Frau den Zugang zu den Experimentierräumen verwehrte, arbeitete im Holzkeller des chemischen Instituts, Marie Curie in einem Schuppen und Rita Levi-Montalcini forschte nach ihrer Flucht heimlich im Schlafzimmer weiter.

Marie Curie - Vorbild für forschende Frauen

Jugend

Geboren wurde die Physikerin Marie Curie am 7. November 1867 in Warschau als Maria Salome Sklodowska. Sie war das fünfte und jüngste Kind der Familie. Schon früh wurde sie mit Tod und Armut konfrontiert. Im Alter von zehn Jahren verlor sie ihre Mutter, die an Tuberkulose erkrankt war. Eine ihrer Schwestern starb an Typhus.

Studienzeit

Marie Curie bei einer Vorlesung

Mit ihrer Schwester Bronia schloss Marie ein Abkommen: Beide Frauen wollten sich gegenseitig das Studium finanzieren. Marie arbeitete sechs Jahre lang als Erzieherin und bezahlte von ihrem Lohn das Medizinstudium der älteren Schwester. 1891 revanchierte sich Bronia: Marie begann als erste Frau das Studium der Mathematik und Physik an der Pariser Sorbonne. Sie schloss in Physik als Beste ab, erhielt aber nur eine Assistenten-Stelle.

Physikerin

1895 heiratete Marie den Physiker Pierre Curie. Sie begann ihre Doktorarbeit über die von Antoine Henri Becquerel entdeckte Strahlung. Das Ehepaar Curie entdeckte die Elemente Radium und Polonium, letzteres benannte sie zu Ehren ihres Heimatlandes. Zusammen mit ihrem Ehemann und Henri Becquerel wurde sie 1903 für ihre Arbeiten über die Radioaktivität mit dem Nobelpreis in Physik ausgezeichnet.

2 Töchter

Während der Forschungsjahre mit Pierre Curie bekam Marie zwei Töchter. 1897 wurde Irène geboren, die als Chemikerin mit ihrer Mutter zusammenarbeitete und Maries wissenschaftliches Werk fortsetzte. Sieben Jahre danach kam Ève, die später die Lebensgeschichte Marie Curies niederschrieb.

2. Nobelpreis

1906 starb Pierre Curie bei einem Verkehrsunfall und Marie vertiefte sich noch mehr in ihre Arbeit. Nach zwei Jahren übernahm sie den Lehrstuhl ihres Mannes an der Sorbonne. Im Dezember 1911 erhielt sie ihren zweiten Nobelpreis, dieses Mal für die Isolierung des Elements Radium. Sie ist damit bis heute die einzige Frau, die den Nobelpreis zwei Mal verliehen bekam - und das auf zwei unterschiedlichen Gebieten, in Physik und Chemie.

Röntgendienst

Während des Ersten Weltkriegs konzentrierte sich Marie auf die Erforschung der Röntgenstrahlung und konnte mit ihrer Tochter Irène die medizinischen Diagnoseverfahren entscheidend verbessern. Marie hielt sich oft in der Nähe der Front auf, wo sie einen mobilen Röntgendienst aufbaute. Mit diesen Geräten wurde etwa eine Million verwundeter Soldaten in Belgien und Frankreich untersucht.

Erbe

Die große Wissenschaftlerin starb 1934 an Leukämie, eine Folge ihrer Arbeit mit Radioaktivität. 1935, ein Jahr nach ihrem Tod, erhielt ihre Tochter Irène Joliot-Curie mit ihrem Mann Frédéric den Nobelpreis für Chemie. Auch Irène starb 1956 an den Folgen der langjährigen Kontakte mit radioaktiven Stoffen. Irènes Schwester Ève verfolgte als Biografin ihrer Mutter das Phänomen der Radioaktivität aus sicherer Entfernung. Sie starb 2007 - 102 Jahre alt.

Nur mit Unterstützung

In ihren Lebensläufen, besonders in denen der bereits verstorbenen Nobel-Frauen, finden sich einige Parallelen. Die meisten von ihnen - mit Ausnahme Marie Curies - kamen aus wohlhabenden und liberalen Familien und hatten viele Geschwister, unter denen sie sich durchsetzen mussten. Ihre Väter unterstützten die Ausbildung ihrer Töchter und glaubten an ihre Begabung. Die Mädchen waren oft "Papa-Kinder", die als Liebling des Vaters seine Erwartungen erfüllen wollten. Ihre Mütter erzogen ihre Töchter zur Selbstständigkeit, ließen früh die Zügel los, sei es, dass sie wie Marie Curies Mutter krank waren, wie Dorothy Hodgkins Mutter den Ehemann bei Auslandsaufenthalten begleiteten oder selbst sehr eingespannt waren, wie die Mutter Marie Curies oder Barbara McClintocks.

Karriere- oder Familienfrau?

Die Nobel-Frauen widerlegen das Klischee der alleinstehenden Karrierefrau: Fast alle Preisträgerinnen waren verheiratet und zogen Kinder groß.

Doch die Nobelpreisträgerin Nüsslein-Volhard, selbst kinderlos, schränkt ein: Hätte sie Kinder gehabt, hätte es ihrer Ansicht nach nicht für einen Nobelpreis gereicht. Sie erhielt 1995 den Nobelpreis für Medizin - und war die erste deutsche Frau mit Nobelpreis. Um talentierte Doktorandinnen mit Kindern zu unterstützen, hat die Nobelpreisträgerin die Nüsslein-Volhard-Stiftung gegründet, die den Forscherinnen beim Thema Kinderbetreuung finanziell unter die Arme greift.

Viel Erfolg - wenig Ruhm

Die Kernphysiker Otto Hahn und Lise Meitner - er bekam den Preis, sie ging leer aus.

Die Linie zwischen Laureaten und anderen Spitzenwissenschaftlern ist dünn. Viele Forscherinnen, die mit ihrer Arbeit entscheidend am Erfolg der Nobelpreisträger mitwirkten, blieben selbst ohne Würdigung. Prominente Beispiele sind Jocelyn Bell Burnell (Entdeckerin der Pulsare), Chien-Shiung Wu (bewies experimentell die Theorie der Paritätsverletzung), Lise Meitner (Entdeckerin der Energiefreigabe bei der Kernspaltung) und Mileva Einstein-Maríć (Mutter der Relativitätstheorie).

Sendungen zum Thema Nobelpreis und Nobelpreisträgerinnen


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