Weltraumtourismus Den höchsten Preis bezahlt die Umwelt

Author: Heike Westram

Published at: 24-11-2022

7.000 Menschen boten mit, als Jeff Bezos vor seinem Weltraumflug einen Platz in seiner Raumkapsel versteigerte. Wird der 10-Minuten-Trip ins All der neue heiße Scheiß unter Bestverdienern? Und wie teuer wird das für uns alle?

Virgin Galactic mit Richard Branson an Board  | Bild: picture-alliance / Xinhua News Agency / Virgin Galactic

Jeff Bezoz mit Blue Origin, Sir Richard Branson mit Virgin Galactic und Elon Musk mit SpaceX feierten sich 2021 als große Pioniere der privaten Raumfahrt. Wer mit ihren neuen Kapseln und Raketen ins All reisen will, muss einen hohen Preis zahlen. Doch was kostet so ein Kurz-Trip ins All uns alle? Wie umweltschädlich ist der Weltraumtourismus?

CO2-Bilanz: Sauber oder nur Greenwashing?

Die Rakete, mit der William Shatner alias Captain Kirk im Oktober und der Amazon-Gründer Jeff Bezos im Juli 2021 ins All flogen, stieß gar kein Kohlendioxid (CO2) aus, ließ das private Raumfahrtunternehmen Blue Origin vernehmen. Nur Wasserstoff und Sauerstoff - Flüssigtreibstoff - sei aus dem "Auspuff" der New Shepard geblasen worden. Wie hübsch, mag man da im ersten Moment denken: Da kommt ja nur Wasserdampf bei raus. Ganz so einfach ist es leider nicht.

Tatsächlich entwickeln private Raumfahrtunternehmen auch neue Technologien und testen neue Treibstoffgemische. Und der Flüssigtreibstoff ist umweltfreundlicher als herkömmliche Raketenantriebe aus Kerosin. Aber auch Flüssigtreibstoff hat eine CO2-Bilanz: Die Herstellung von flüssigem Wasserstoff oder Wasserstoff als Gas braucht viel Energie und dabei wird jede Menge CO2 frei.

Illustration von Wasserstoff (H2). Gasförmiger oder flüssiger Wasserstoff, bestehend aus zwei Wasserstoffmolekülen kommt in der freien Natur kaum vor, sondern muss für Wasserstoffantriebe aus Wasser (H2O) gewonnen werden.  | Bild: picture-alliance / Zoonar / Alexander Limbach

Wasserstoff kommt in der freien Natur kaum vor, sondern muss aus Wasser (H2O) unter Einsatz von viel Energie gewonnen werden.

Was zum CO2-Fußabdruck der Raketen noch hinzuzählt, sind die Herstellung der Rakete selbst, der Anteil des Fluges am Bau des Startzentrums, die Produktion der beim Raketenstart eingesetzten Geräte, der Transport von Material und Menschen zum Weltraumbahnhof, die Erzeugung der Weltraumanzüge und vieles mehr. All das ließe sich in den CO2-Fußabdruck eines Raketenstarts umrechnen – hat aber leider noch niemand gemacht.

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Ozonschicht: Von Raketenstarts geschädigt

Der Aufbau der Erdatmosphäre mit ihren verschiedenen Schichten. Weltraum-Raketen erreichen die oberen Atmosphärenschichten, wo die ausgestoßenen Schadstroffe durch den Raketenantrieb jahrelang verbleiben. Auch die Ozonschicht wird von Raketenantrieben geschädigt. | Bild: picture-alliance / dpa-infografik / Quelle: DWD

Aufbau der Erdatmosphäre

Ob mit CO2 oder ohne: Raketentreibstoffe schädigen die Ozonschicht – und damit die dünne Schicht, die die Erde vor zu viel UV-Strahlung schützt. Selbst bei Wasserstoffantrieb der Raketen: Auch der entstehende Wasserdampf zerstört das Ozon. Und bildet nebenbei noch Wolken, die wiederum eine aktive Rolle im Klimawandel spielen, weil sie Wärmestrahlung auf der Erde zurückhalten.

Ioannis William Kokkinakis und Dimitris Drikakis von der Universität Nikosia in Zypern untersuchten mit Hilfe von Simulationen die Auswirkungen einer Abgasfahne während des Starts einer Falcon 9-Trägerrakete von SpaceX entlang der typischen Flugbahn in bis zu 67 Kilometer Höhe. Die Forscher stellten fest, dass in einer Höhe von zehn Kilometern und darunter thermische Stickoxide in der Atmosphäre zurückbleiben. Hinzu kommen erhebliche Mengen an CO2, die sich in über 50 Kilometer Höhe ansammeln und klimaschädliche Auswirkungen haben können.

Stickstoffhaltige Treibstoffe wie bei Bransons VSS Unity schädigen die Ozonschicht noch stärker. Bei der Verbrennung entstehen Stickoxide, die hier unten auf der Erde zur Luftverschmutzung beitragen. In den oberen Atmosphärenschichten, wohin zwei Drittel der Raketentreibstoffe gelangen, richten sie jedoch weitaus größere Schäden an, so die Geophysikerin Eloise Marais, die am University College London ein Forschungsprojekt zur Atmosphärenzusammensetzung und Luftverschmutzung leitet. Und dort halten sich die Schadstoffe mehrere Jahre lang.

Kerosin: Schlimmer geht's immer

Sowohl bei Bransons Rakete als auch bei der Falcon 9 von Elon Musks Raumfahrtunternehmen Space X sind auch kerosinhaltige Raketentreibstoffe im Spiel. Die blasen das Treibhausgas CO2 direkt in die obere Atmosphäre, wo es bis zu 120 Jahre bleibt. Und wirkt. Dazu kommt noch eine erhebliche Menge an Ruß. Simulationen ergaben, dass Rußpartikel aus dem verbrannten Treibstoff in der Stratosphäre die Erde etwa 500 mal so effektiv erwärmen wie nahe dem Erdboden. Obwohl Raketen bisher nur 0,02 Prozent zum weltweiten Rußausstoß beitragen, machen sie schon sechs Prozent der Erderwärmung durch Ruß aus. Der deutsche Astronaut Matthias Maurer reiste übrigens ebenfalls mit einer Falcon 9 der Firma Space X zur ISS.

Aus Sicht von Umwelt- und Klimaschutz ist also jeder einzelne Raketenstart unerfreulich. Auch wenn manche davon den Klimaschutz als langfristiges Ziel haben, wie die Erdüberwachungssatelliten Sentinel.

Weltraumtouristen Sehr hohe CO2-Bilanz

Weltraumtourismus: Der CO2-Ausstoß pro Person im Vergleich von einem Weltallflug zu einem Langstreckenflug. | Bild: BR

Der CO2-Ausstoß pro Fahrgast ist bei einem Weltraumflug viel größer als bei einem Langstreckenflug, da weniger Passagiere an Bord sind.

Für jeden einzelnen der Hobby-Astronauten im Weltraumtourismus ist der CO2-Fußabdruck durch einen Weltraumflug enorm. Der direkte CO2-Ausstoß einer kerosinbetriebenen Rakete wie etwa der Falcon 9 von Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX liegt bei 200 bis 300 Tonnen Kohlendioxid. Diese Menge sei vergleichbar mit einem Langstreckenflug eines Flugzeugs, so die Atmosphären-Forscherin Marais. Allerdings teilen sich sämtliche Passagiere den CO2-Ausstoß für die eigene Bilanz.

Da in einer Weltraum-Kapsel wie bei Musk oder Bezos gerade einmal vier Weltraumtouristen sitzen, ist für jeden einzelnen von ihnen die Kohlendioxid-Emission des Trips ins All rund hundertfünfzigmal größer als bei einem Langstreckenflug: 75 Tonnen CO2, rein rechnerisch. Zum Vergleich: Die jährliche Pro-Kopf-CO2-Emission liegt in Deutschland bei etwa 10 Tonnen. Wenn also ein Weltraumtourist für diese knapp zehn Minuten Schwerelosigkeit auf alle weiteren Fernreisen in seinem Leben verzichtet – ok.

Der Anteil: Raketenstarts in der weltweiten CO2-Bilanz

Noch machen Raketenstarts – private wie staatliche – einen geringen Anteil des gesamten globalen CO2-Ausstoßes aus. Im Vergleich mit den internationalen Flugverkehr – der seinerseits etwa 2,8 Prozent des weltweiten Kohlendioxidausstoßes verursacht – ist der Raketenverkehr verschwindend gering. Jährlich gibt es derzeit etwa hundert Raketenstarts, 2020 waren es 114. Dagegen starten täglich etwa 100.000 Flugzeuge. Insgesamt verantworten Flüge weltweit etwa 900 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, Raketenstarts dagegen derzeit nur 22.000 Tonnen CO2 jährlich. Noch ist ihr Einfluss auf den Klimawandel zu vernachlässigen.

Raketenstarts ins All pro Jahr: Von nur 3 Raketenstarts im Jahr 1957 wuchs die Zahl der jährlich startenden Raketen auf 114 im Jahr 2020. Private Raumfahrtunternehmen planen aber in naher Zukunft ein Vielfaches. | Bild: BR

Bransons Raumfahrtunternehmen Virgin Galactic plant künftig 400 Raketenstarts im Jahr. SpaceX und Blue Origin haben noch keine Zahlen genannt.

Doch die Zahl der Raketenstarts wird sich vervielfachen, denn die Branche boomt: Allein Bransons Raumfahrtunternehmen plant 400 Raketenstarts jährlich, Musk und Bezos haben noch keine genauen Planungen vorgelegt. Zu lukrativem Weltraumtourismus kommt noch die privat betriebene kommerzielle Raumfahrt wie das Satellitenprojekt Starlink von Elon Musk, das Hunderte Satelliten ins All jagen will. Die CO2-Emissionen durch die Raumfahrt steigen jährlich bereits um 5,6 Prozent, so Marais. Besonders bedenklich ist nach Ansicht der Forscherin, dass es bislang überhaupt keine internationalen Regulierungen gibt.

O-Ton der Expertin: Zeit zu handeln

"Wir haben derzeit keinerlei Regulierungen im Bezug auf Raketen-Emissionen. Jetzt ist die Zeit zu handeln – während die Milliardäre noch dabei sind, ihre Tickets zu kaufen."

Eloise Marais, Forschungsprojekt zu Atmosphären-Zusammensetzung und Luftverschmutzung, University College London

Positiv-Seite der Bilanz: Wiederverwendbare Raketen

SpaceX erreicht am 9. April 2016 erneut einen Meilenstein in der Raumfahrtgeschichte: Erstmals landete eine Rakete wieder sicher auf einer schwimmenden, unbemannten Plattform im Atlantik. Elon Musk hat die private Raumfahrtfirma SpaceX gegründet und die Raumkapsel Dragon entwickelt. Das Raumschiff übernimmt als Ersatz für die Space Shuttles der NASA die Transportflüge zur Internationalen Raumstation. | Bild: picture-alliance/dpa/SpaceX

2016 landete eine Falcon 9-Rakete der Firma SpaceX erstmals nach einem Flug erfolgreich wieder auf einer Landeplattform.

Ein Verdienst privater Raumfahrt ist jedoch, dass die CO2-Bilanz einzelner Raketenstarts besser wird. Nicht nur, weil die Raumfahrtunternehmen eher Flüssigtreibstoffe nutzen oder ganz auf Kerosin verzichten. Sie entwickeln vor allem auch wiederverwendbare Raketen: Nicht nur die Kapsel mit Bezos und seinen drei Weltraum-Begleitern landete nach dem Weltraumflug wieder heil auf der Erde, auch die dazugehörige Rakete New Shepard stand danach wieder aufrecht da – bereit für einen nächsten Start. Ebenso ist die Falcon 9-Rakete von SpaceX zumindest in Teilen wiederverwendbar. Mit dieser Entwicklung schlägt die Produktion der Raketen selbst im CO2-Abdruck eines Fluges weniger stark zu Buche. Und die Menge an Weltraumschrott wächst nicht weiter an. Den Zuwachs an Raumfahrt insgesamt wird das aber nicht ausgleichen - so grün ist auch grüne Raumfahrt noch lange nicht.

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