Obst Diese sieben Geheimnisse stecken in unseren Früchten

Von: Alexandra Klockau

Stand: 12.10.2021

Wir stürzen uns auf knackige Äpfel, süße Kirschen und saftige Birnen. Aber warum gibt es überhaupt Obst? Was können wir von den Früchten lernen? Und warum kann ein Apfel gar nicht wurmig sein? Wir lüften sieben Geheimnisse rund ums Obst.

Junger Mann sitzt vor PC und greift zum Obst. Früchte wie Äpfel und Bananen bergen viele Geheimnisse. Wir lüften einige. | Bild: colourbox.com

Warum haben Äpfel weiche Kerne, Kirschen aber harte Steine? Sind Obstkerne giftig? Warum werden Bananen so schnell braun? Und was soll das viele Weiß in der Pomelo? Wir blicken unter die Schale unserer Früchte, lüften ihre Geheimnisse - und verraten, was wir uns von ihnen abschauen können. Hier kommen sieben Häppchen Obst-Wissenschaft.

1. Fortpflanzung Früchte setzen auf Kurier-Dienste

Obstbäume sind darauf angewiesen, dass Tiere ihre Samen verbreiten. Hier fliegt eine Amsel mit Kirschen davon. | Bild: picture-alliance/dpa/Blickwinkel/R. Sturm

Der Deal: Fruchtfleisch gegen Samenverbreitung. Die Amsel frisst die Kirschen, scheidet die Kerne aus - und sät neue Bäume.

Warum gibt es überhaupt Obst? Früchte zu produzieren kostet einen Baum oder Strauch eine Menge Energie. Dieser Aufwand muss sich für die Pflanzen lohnen - und den nehmen sie natürlich nicht auf sich, damit wir unser frisches Obst bekommen. Die Früchte bergen die Samen, die den Fortbestand der Art sichern sollen.

Weil der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, ist das für den Mutterbaum eine Katastrophe: Neue Keimlinge würden direkt darunter aufgehen und Jung und Alt um Platz, Wasser, Nährstoffe und Licht konkurrieren, mit jeder Generation härter. Letztlich könnte kein Baum mehr sinnvoll gedeihen und sich die Art nicht weiter ausbreiten. Dieses Problem haben alle Obstsorten. Sie setzen deshalb auf Kurierdienste, die ihre Samen verbreiten. In der Natur übernehmen diese Aufgabe oft Wind oder Wasser. Viele Obstsorten engagieren Tiere als Dienstleister, die die künftigen Nachkommen fleißig verbreiten. Gekördert und belohnt werden sie mit den Früchten - und die extra deshalb so auffallend gefärbt sind und gut duften, damit sie leicht gefunden, zahlreich gefressen - und eben an anderer Stelle wieder ausgeschieden werden. "Und schon hat die Frucht eine Reise gemacht und der Keimling keimt an anderer Stelle, als die Mutterpflanze gewachsen ist", sagt der Biologe Thassilo Franke vom Naturkundemuseum BIOTOPIA in "Alles Natur - Geheimnisvolles Obst".

Das Signal: Nimm mich!

"Die Erdbeere mit ihrer roten Farbe signalisiert Vögeln: Hallo, hier bin ich, fresst mich, nehmt mich, tragt meine Samen durch die Gegend. Du bekommst eine ordentliche Belohnung. Sie sendet aber auch Signale an ein Säugetier aus, ein Reh zum Beispiel. Mit dem feinen Duft sagt sie: Riech mich, du kannst zwar kein Rot sehen wie die Vögel, aber du hast eine gute Nase."

Thassilo Franke, Biologe, Naturkundemuseum BIOTOPIA, München

2. Keimen: In der Kläranlage ist noch lange nicht Schluss

Essen wir Obst samt Kernen, landen die Samen in der Kanalisation. Aber selbst das kann manche Pflanzen nicht aufhalten: "Also es gibt durchaus Samen, die selbst diese verschiedenen Klärschritte in einer Kläranlage unbeschadet überstehen und dann zum Beispiel auf deponiertem Klärschlamm wunderbar keimen und sogar blühen und fruchten", weiß Thassilo Franke.

3. Kerne: Manche Samen sind Giftbomben

Die Pflanzen sind darauf angewiesen, dass der Samen nicht zerkaut und zerstört wird, sonst kann er nicht mehr keimen. Das Innerste einer Frucht ist deshalb oft sehr bitter, sehr hart - und oft sogar giftig. "Es gibt eine Art Giftbomben", weiß Thassilo Franke. "Das sind zum Beispiel die Samen von Kirschen, Aprikosen, Pfirsichen. Also gerade auch die Gattung Prunus. Die sind dafür bekannt, dass die einen recht perfiden Mechanismus besitzen - fast so etwas wie einen Zündmechanismus in den Samen."

Kirschkerne zerkauen ist keine gute Idee: Dabei wird Blausäure freigesetzt. Die Kirsche will so ihren Samen schützen. | Bild: colourbox.com

Kirschen können zur Giftbombe werden. Kern nicht zerbeißen - und auch Tiere davor bewahren!

Das Zellplasma in den einzelnen Zellen enthält einen Enzymcocktail. Darin befindet sich aber auch eine Art Speicherblase, die wiederum ein cyanogenes Glycosid enthält: Amygdalin, das eigentlich harmlos ist. Wird ein Samen zerkaut, fließt jedoch das Innere der Speicherblase mit dem Enzymcocktail zusammen. Dann wird Blausäure freigesetzt, ein gefährliches, sogar tödliches Gift. "Wenn man zu viele solche Samen zerkaut, kann es tatsächlich auch zum Tode führen. Also Pferde zum Beispiel, die unter Kirschbäumen grasen, haben schon eine schwere Zyanidvergiftung bekommen, weil die einfach diese Kirschen mitsamt Kern zerkauen und dann eben diesen Mechanismus in Gang bringen", erklärt Thassilo Franke. Dabei ging es der Kirsche doch nur um den unzerkauten Kern.

4. Aufprallschutz: Protektoren nach dem Pomelo-Prinzip

Schneidet man eine Pomelo auf, sieht man die dicke, weiße Schicht, das Mesokarp. Das fluffige Material dient der Frucht als Aufprallschutz. Das macht sich die Bionik zunutze - mittlerweile gibt es auch für Menschen Protektoren, die dem Pomelo-Schutz nachempfunden sind. | Bild: colourbox.com

Das Mesokarp, die dicke weiße Schicht in der Pomelo, ist Vorbild für Protektoren.

Viel Weiß, wenig Frucht: Haben Sie sich auch schon oft über die dicke weiße Schicht in der Pomelo geärgert? Das fluffige Material, das sogenannte Mesokarp, kann bis zu vier Zentimeter dick werden. Fällt die Zitrusfrucht vom Baum, bewahrt sie dieser Aufprallschutz vor dem Platzen. Er besitzt eine eigenartige Eigenschaft: Drückt man auf eine Pomelo, zieht sich das weiße Material zusammen und wird an dieser Stelle sogar dicker. Normalerweise weichen Materialien zur Seite aus und werden dünner - bei Knete oder Teig hat das jeder schon erlebt. Auch, wenn man an Knete oder Teig zieht, werden sie immer dünner. Zieht man am weißen Mesokarp, wird es in der Mitte dicker. Diese fantastischen Materialeigenschaften machen die Frucht zum Vorbild für eine Neuentwicklung aus der Bionik: Schutzkleidung nach dem Pomelo-Prinzip. Erste Firmen planen bereits, ihre Belegschaft mit Protektoren auszustatten, die darauf beruhen.

Clever. Frucht gegen Frucht

"Also eine Frucht kann einem durchaus mal auf den Kopf fallen. Aber ich kann aus einer Frucht einen Helm bauen, der dann verhindert, dass ich da eine Beule habe, wo mir die Frucht auf den Kopf fällt."

Thassilo Franke, Biologe, Naturkundemuseum BIOTOPIA, München

5. Musik: Einen Apfelbaum kann man hören

Der Bramley-Apfel ist als Kochapfel vor allem in England beliebt. Der Ur-Baum steht in Nottingham und wurde in einem Kunstwerk verewigt. | Bild: picture-alliance/dpa/Mary Evans Picture Library/David C. Dixon/ardea.com

Der Bramley-Apfel ist vor allem in England beliebt. Der rund 200 Jahre alte Ur-Baum steht in Nottingham - macht jetzt aber in Kentucky Musik.

In Nottingham steht der Ur-Apfelbaum der Sorte Bramley. Er ist mehr als 200 Jahre alt und liegt in seinen letzten Zügen. Der Künstler Wolfgang Buttress hat ihn deshalb in einem faszinierenden Kunstwerk verewigt: Der Apfelbaum wurde als 3D-Bild in eine Glaswürfel-Skulptur gelasert. Am echten Baum registrieren Vibrationsmessgeräte alle Bewegungen im Stamm: Wenn Wasser hindurchfließt, wenn er nachts und bei Kälte schrumpft und wieder dicker wird, sobald die Sonne drauf scheint. Musiker übersetzten diese Vibrationen in Töne, die jetzt der Glasbaum zum Besten gibt. Daneben hat der Künstler einen Ast vom echten Baum eingepflanzt, der jetzt zum neuen Apfelbaum heranwächst - und ebenfalls "Musik" macht. Das Kunstobjekt "Blossom" im Speed Art Museum in Kentucky soll zeigen, dass der Baum lebt, die Apfelsorte überdauert - und solange unsterblich ist, wie sich der Mensch daran erfreut.

6. Mythos: Da ist doch kein Wurm drin!

Schon wieder ein Wurm im Apfel? Nein. Durch Äpfel schlemmen sich gar keine Würmer, sondern Schmetterlingsraupen. "Der Apfelwickler ist einer unserer gefährlichsten Apfelschädlinge", sagt Biologe Thassilo Franke. Wissenschaftler haben erforscht, was der Apfelwickler eigentlich vom Apfel will: Nicht das Fruchtfleisch ist für die kleinen Raupen interessant, sie benutzen die Frucht als Pilzgarten. Frischgeschlüpft sammeln sie Hefen von der Apfeloberfläche ein, bohren sich damit in den Apfel und kultivieren sie dann im Inneren. "Diesen Hefen-Rasen weiden die Raupen regelmäßig ab und davon leben sie", berichtet Thassilo Franke.

Durch den Apfel bohrt sich kein Wurm, sondern eine Raupe: der Apfelwickler. | Bild: colourbox.com

Im Apfel ist gar kein Wurm, sondern eine Raupe! Der Apfelwickler benutzt die Frucht als Garten.

Der Apfelwickler setzt dem Baum so zu, weil er im Inneren der Äpfel sitzt und durch Chemie von außen nicht zu erreichen ist. Man muss ihn erwischen, bevor er sich im Apfel einnistet. "Da gibt es die Möglichkeit, dass ich zum Beispiel mit Pheromonen arbeite", erklärt Thassilo Franke. Ich kann die Paarung unterbinden und die Fortpflanzung des Schädlings stören, indem ich mit den Sexuallockstoffen die ganzen Männchen wegfange und verhindere, dass sich die verbliebenen Weibchen paaren und Eier legen." Zweite Möglichkeit: Wenn die Wickler-Larven schlüpfen, werden die Äpfel mit einem Virus besprüht, der nur dem Apfelwickler schadet. Wenn die Raupen die "verseuchte" Hefe aufnehmen, gehen sie an der Virusinfektion zugrunde.

7. Lagerung: Vorsicht vor dem Bananenkiller Ethylen!

Werden Bananen neben Äpfeln gelagert, werden sie schnell braun. Schuld daran ist das Hormon Ethylen, das vor allem Äpfel ausstoßen. | Bild: colourbox.com

Äpfel lassen mit ihrem Hormon Ethylen Bananen schneller braun werden. Besser separat lagern.

Legt man frisch gekaufte Früchte wie Äpfel, Birnen und Bananen dekorativ zusammen in die Obstschale, kann man dabei zusehen, wie sie von Tag zu Tag schlechter werden und verfaulen. Schuld daran ist das Hormon Ethylen, eine Art Reifungshormon, das besonders Äpfel in hohem Maß an die umgebende Luft abgeben. "Die meisten Hormone sind ja sehr große Moleküle, langkettige Moleküle, die eben nicht flüchtig sind und nicht in die Gasphase gehen", erklärt Thassilo Franke. "Aber dieses Apfelhormon Ethylen ist ein ganz kurzkettiger Kohlenwasserstoff, der sehr gut in die Gasphase übergeht. Und eigentlich ist das auch ein Kommunikationshormon, das alle Äpfel gleichzeitig abgeben - und das dann alle Früchte, die damit in Berührung kommen, angreift." Wer seine Bananen lange gelb statt braun haben will, sollte sie möglichst weit weg von Äpfeln aufbewahren.

Achtung: Bananen von Äpfeln fernhalten

"Wenn ich Bananen auf meine Äpfel lege, ist das das Schlimmste, was ich tun kann."

Thassilo Franke, Biologe, Naturkundemuseum BIOTOPIA, München

Audio: "Geheimnisvolles Obst" mit Thassilo Franke und Iska Schreglmann