Marie Curie: Physikerin, Forscherin, Pionierin Die Frau mit den zwei Nobelpreisen

Von: Ortrun Huber

Stand: 18.10.2023

Marie Curie ist eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen der Geschichte: Sie entdeckte radioaktive Elemente, war die erste Professorin Europas und erhielt zweimal den Nobelpreis. Ihr eiserner Forscherwille wurde ihr jedoch letztlich zum Verhängnis.

Marie Curie in ihrem Labor in Paris im Jahr 1910. Sie ist eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen unserer Zeit, entdeckte radioaktive Elemente und erhielt zweimal den Nobelpreis.  | Bild: picture-alliance/dpa

Marie Curie: Von Warschau in die Welt der Wissenschaft

Marya Sklodowski (später Marie Sklodowsk-Curie, in der Mitte) mit ihren Geschwistern Zosia, Hela, Josef und Bronya (v.l.n.r.). Marie Curie ist eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen unserer Zeit, entdeckte radioaktive Elemente und erhielt zweimal den Nobelpreis.  | Bild: picture alliance / Heritage Images

Marya Sklodowski (später Marie Sklodowsk-Curie, in der Mitte) mit ihren Geschwistern Zosia, Hela, Josef und Bronya (v.l.n.r.), ca. 1870.

Marie Curie wird am 7. November 1867 in Warschau als Marya Salomea Skodowska geboren. Sie ist das fünfte Kind eines Lehrerehepaars, ihr Vater unterrichtet Physik und Mathematik, während ihre Mutter ein Mädchenpensionat leitet. Maryas Kindheit ist von finanziellen Schwierigkeiten geprägt, die auf die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen im damals zu Russland gehörenden Teil Polens zurückzuführen sind. Als ihre Mutter an Tuberkulose erkrankt und stirbt und ihr Vater aufgrund der Russifizierung Polens seine Anstellung verliert, stürzt sich Marya ins Lernen. Mit 15 Jahren besteht sie als Klassenbeste das Abitur. Gleichzeitig schließen sie und ihre ältere Schwester Bronya einen Pakt, sich gegenseitig finanziell beim Studium zu unterstützen. Da Frauen in Polen nicht studieren dürfen, schreibt sich Bronya in Paris für ein Medizinstudium ein. Marya arbeitet in den nächsten Jahren als Hauslehrerin, um die Familie und insbesondere Bronya zu unterstützen. In ihrer wenigen Freizeit liest sie Bücher über Physik, Soziologie, Anatomie und Physiologie, um sich auf ihr Studium vorzubereiten.

Mit 24 Jahren erfüllt sich Marya endlich ihren Traum und beginnt ein Studium der Mathematik und Physik an der Pariser Sorbonne. "Alles, was ich Neues sah und lernte begeisterte mich. Vor mir tat sich eine neue Welt auf, eine Welt des Wissens, zu der mir endlich der Zutritt gestattet war", schreibt Marie, wie sie sich nun nennt. Sie ist eine von nur rund 200 Frauen unter 9.000 Studierenden in der französischen Hauptstadt. Sie verfügt über geringere naturwissenschaftliche Vorkenntnisse als ihre französischen Kommilitonen und kämpft in den Vorlesungen mit der fremden Sprache. "Es scheint, dass das Leben für keinen von uns leicht ist", schreibt Marie ihrem Bruder Josef in dieser Zeit. "Doch was nützt das, man muss Ausdauer und insbesondere Selbstvertrauen haben. Man muss daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muss man erreichen, koste es, was es wolle." Marie stürzt sich in die Arbeit, zudem liegt ihr das konzentrierte Arbeiten in den physikalischen Laboratorien. Nach nur zwei Jahren legt sie als Jahrgangsbeste ihren Abschluss in Physik ab.

Bald darauf wird Marie Curie von ihren Professoren, darunter Antoine Henri Becquerel, mit wissenschaftlichen Versuchen betraut. Im Zuge ihrer wissenschaftlichen Arbeit lernt sie 1894 den acht Jahre älteren Physiker Pierre Curie kennen, der die Laboratorien einer angesehenen Ingenieurschule leitet und an Kristallen forscht. Anfangs arbeiten sie nur zusammen, doch bald werden sie auch privat ein Paar und heiraten im Juli 1895. Um ein eigenes Einkommen zu haben, legt Marie Curie eine Zulassungsprüfung ab, um an einer höheren Mädchenschule unterrichten zu dürfen. Gleichzeitig setzt sie ihre physikalischen Studien fort. In ihrer ersten wisenschaftlichen Veröffentlichung widmet sie sich der Magnetisierung von gehärtetem Stahl.

Doku zu Marie Curie: Das Geheimnis der Radioaktivität

Radioaktivität: Nobelpreis für eine bahnbrechende Entdeckung

Das Ehepaar Marie und Pierre Curie im Labor. Marie Curie ist eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen unserer Zeit, entdeckte radioaktive Elemente und erhielt zweimal den Nobelpreis.  | Bild: picture-alliance/dpa; akg

Das Ehepaar Marie und Pierre Curie arbeitet bei der Erforschung radioaktiver Stoffe im Labor eng zusammen.

Am 12. September 1897 bringt Marie Curie ihre erste Tochter zu Welt. Während Maries Schwiegervater sich um die kleine Irène kümmert, beginnt Marie mit ihrer Doktorarbeit. Sie interessiert sich für die Arbeit von Antoine Henri Becquerel, der bei der Analyse von Uransalzen eine eigentümliche Strahlung nachweisen konnte. Fortan widmet sich Marie mit großer Ausdauer dieser geheimnisvollen, unsichtbaren Kraft. Sie entdeckt, dass Pechblende, ein Uranerz, das in der Glasindustrie verwendet wird, eine deutlich höhere Strahlung aufweist, als reines Uran. Sie versucht daher zu ergründen, welche anderen Elemente in Pechblende enthalten sind. Das Problem: Für ihre Versuche benötigt sie riesige Mengen des Uranerzes, ein scheinbar unmögliches und teures Unterfangen.

Durch verschiedene Fürsprecher gelangt das Ehepaar Curie schließlich an mehrere Tonnen Pechblende-Abfälle aus böhmischen Bergwerken. Die langwierige und physisch anstrengende Forschungsarbeit führt das Forscherpaar in einem zugigen Holzschuppen mit Glasdach durch, der vorher als Sezierraum diente. Die Substanzen müssen mühsam in riesigen Bottichen mit Säure aufgelöst, gekocht und gefiltert werden. "Und doch waren die Jahre in dem elenden alten Hangar die besten, glücklichsten, einzig und allein der Arbeit gewidmeten Jahre unseres Lebens", beschreibt Marie Curie später diese Zeit. "Manchmal musste ich einen ganzen Tag lang eine siedende Masse mit einer Eisenstange umrühren, die fast ebenso groß war wie ich. Wenn uns kalt war, stärkten wir uns mit einer Tasse heißen Tees, die wir beim Ofen einnahmen. Wir lebten wie in einem Traum, von der einen, einzigen Sache erfüllt." Der deutsche Chemiker Wilhelm Ostwald, ein Zeitgenosse der Curies, beschreibt den Arbeitsplatz des Paares weit weniger euphorisch: "So war es eine Kreuzung zwischen Stall und Kartoffelkeller, und wenn ich nicht die chemischen Apparate auf dem Arbeitstisch gesehen hätte, hätte ich das Ganze für einen Witz gehalten."

1898 gelingt es dem Ehepaar Curie schließlich, Uranerz in seine chemischen Bestandteile zu zerlegen und zwei bislang unbekannte, strahlende Elemente zu isolieren. Die eine Substanz nennt Marie Radium, die andere - zu Ehren ihrer Heimat - Polonium.  Das Phänomen der Strahlung bezeichnet Marie als "Radioaktivität". 1903 promovierte Marie Curie mit Erfolg mit ihrer Arbeit "Recherches sur les substances radioactives" bei ihrem Physikprofessor Antoine Henri Becquerel.

Noch im gleichen Jahr erhält Marie Curie - gemeinsam mit ihrem Mann und Antoine Henri Becquerel - für die Entdeckung der Radioaktivität den Nobelpreis für Physik. Ursprünglich werden für die Auszeichnung, die der Industrielle Alfred Nobel gestiftet hat und die seit 1901 vergeben wird, nur Becquerel und Pierre Curie vorgeschlagen. Doch Maries Mann interveniert beim Nobelkomitee: Seiner Frau gebühre dieser Preis mindestens ebenso. Sollte sie übergangen werden, will auch Pierre Curie den Preis nicht annehmen. So werden das Engagement und die Hartnäckigkeit Marie Curies schließlich belohnt: Sie ist die erste Frau, die den Nobelpreis erhält.

Doku zu Marie Curie: Polonium, Polen und die Welt

Pariser Jahre: Leid und Triumph der Marie Curie

Marie Curie im Labor. Sie ist eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen unserer Zeit, entdeckte radioaktive Elemente und erhielt zweimal den Nobelpreis.  | Bild: BR/INTER/AKTION

Nach dem frühen Tod Pierre Curies übernimmt Marie Curie die Lehrverpflichtungen und das Laboratorium ihres Mannes.

Während die Sorbonne für den Nobelpreisträger Pierre Curie einen Lehrstuhl für Allgemeine Physik einrichtet, wird seiner Ehefrau Marie die Leitung des dazugehörenden Laboratoriums übertragen. Die Curies sehen zuversichtlich in die Zukunft: Die Familie ist ihre ewigen Geldsorgen los. 1904 kommt Tochter Eve zur Welt. Doch zwei Jahre später ereignet sich ein tragischer Unfall: Pierre Curie stirbt, als er an einer Straßenecke von einem Pferdefuhrwerk überrollt wird. "Erschüttert durch diesen Schlag war ich zunächst nicht in der Lage, an die Zukunft zu denken", schreibt Marie Curie. "Ich konnte jedoch nicht vergessen, was mein Mann so oft sagte: dass ich - selbst ohne ihn - das Werk nicht aufgeben dürfte."

Mit 38 Jahren ist Marie Curie anerkannte Physikerin, Nobelpreisträgerin und alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Töchtern. Die Wissenschaftlerin tut, was sie immer tat: Sie stürzt sich in die Arbeit. Die Sorbonne bietet ihr an, die Lehrverpflichtungen ihres Mannes und das Laboratorium zu übernehmen. Doch es dauert noch einmal zwei Jahre, bis sie formal zur ersten ordentlichen Professorin Frankreichs (und damit Europas) ernannt wird. Trotzdem muss Marie Curie immer wieder um Anerkennung im Wissenschaftsbetrieb kämpfen. 1910 bewirbt sie sich um einen Platz an der Akademie der Wissenschaften, wo eine Beteiligung von Frauen bis dahin nicht vorgesehen ist. Es entbrennt ein öffentlicher Streit: Marie Curie habe ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse niemals ohne die Unterstützung ihres Mannes erlangt, heißt es. Die Aufnahme der Physikerin wird am Ende mit zwei Stimmen Mehrheit abgelehnt.

Noch im gleichen Jahr veröffentlicht Marie Curie die Arbeit "Traité de Radioactivité" und diesmal, so scheint es, kommt niemand an ihr vorbei. 1911 soll sie für die Entdeckung des chemischen Elements Radium ihren zweiten Nobelpreis, diesmal im Fach Chemie, erhalten. Doch Marie Curie lebt zu diesem Zeitpunkt in einer Beziehung zu einem ehemaligen Schüler ihres Mannes. Paul Langevin ist jünger als Marie Curie, verheiratet und Vater von vier Kindern. Als die Affäre ans Licht kommt, reicht Langevins Frau die Scheidung ein und verklagt ihren Ehemann wegen "Verkehrs mit einer Konkubine". Ein Skandal! Die Presse schlachtet die "Langevin-Affäre" aus und man legt Marie Curie nahe, der Nobelpreisverleihung fernzubleiben, was die Physikerin ignoriert. Am 10. Dezember 1911 nimmt sie ihren zweiten Nobelpreis in Stockholm entgegen. Bis heute ist Marie Curie neben dem Chemiker Linus Pauling damit die einzige Person, die Nobelpreise in zwei unterschiedlichen Disziplinen erhalten hat.

Doku zu Marie Curie: Frau, Mutter, Forscherin

Marie Curie: Patriotin zwischen Forschung und Familie

Marie Curie in einem von ihr umgebauten Röntgenwagen. Sie ist eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen unserer Zeit, entdeckte radioaktive Elemente und erhielt zweimal den Nobelpreis.  | Bild: picture-alliance/dpa; WHA

Marie Curie fährt während des Ersten Weltkrieges auch selbst die von ihr entwickelten Röntgenwagen an die Front.

1914, wenige Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, übernimmt Marie Curie die Leitung des neu errichteten Radium-Instituts in Paris. Zugleich wendet sich die Forscherin der medizinischen Radiologie zu und beginnt in Krankenhäusern mit Röntgenapparaten zu arbeiten. Gemeinsam mit Tochter Irène, die ebenfalls Physikerin ist, entwickelt sie eine fahrbare Röntgenstation, damit verletzte Soldaten an der Front untersucht werden können, und bildete ab 1916 Frauen zu Röntgentechnikerinnen aus. Aufgrund des Personalmangels fährt Marie Curie auch selbst die Röntgenwagen an die Front, die vielen Soldaten das Leben retten.

Ihr Engagement wird Marie Curie nicht gedankt: Am Ende des Krieges ist die Physikerin, die ihr ganzes Vermögen in Kriegsanleihen investierte, finanziell ruiniert und gesundheitlich angeschlagen. Die jahrzehntelange Arbeit mit radioaktiven Substanzen zeigt Wirkung, die Wissenschaftlerin hat Seh- und Hörprobleme, auch die Finger sind zunehmend steif. Doch sie arbeitet mit Tochter Irène unermüdlich weiter am Radium-Institut und forscht und lehrt an der Sorbonne.

In den 1920er-Jahren begibt sich die international hoch angesehene Wissenschaftlerin immer wieder auf Reisen. Marie Curie besucht die Vereinigten Staaten, Brasilien und verschiedene europäische Länder, um Spenden für das Radium-Institut zu sammeln, das sie nach und nach zum Zentrum der Kernphysik ausbaut. Die Physikerin ist sich bewusst, dass sie eine Symbolfigur ist und die Macht hat, Dinge zu bewegen. "Sie müssen ihr Talent entdecken und benutzen", predigte sie ihren Studierenden. "Sie müssen herausfinden, wo Ihre Stärke liegt. Haben Sie den Mut, mit Ihrem Kopf zu denken. Das wird Ihr Selbstvertrauen und Ihre Kräfte verdoppeln." Am Radium-Institut fördert Marie Curie bewusst Frauen und aus dem Ausland stammende Studierende.

Die Auszeichnung ihrer Tochter Irène mit dem Nobelpreis für Chemie, den diese 1935 gemeinsam mit ihrem Ehemann Frédéric Joliot-Curie "in Anerkennung ihrer Synthese neuer radioaktiver Elemente" erhält, erlebte Marie Curie nicht mehr. Am 4. Juli 1934 stirbt sie im Alter von 66 Jahren in einem Schweizer Sanatorium an einer Leukämieerkrankung - vermutlich eine Folge ihrer ungeschützten Arbeit mit radioaktiven Substanzen.

Gesagt: Lob eines Nobelpreisträgers

Der Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein war ein Forscherkollege von Marie Curie. Marie Curie ist eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen unserer Zeit, entdeckte radioaktive Elemente und erhielt zweimal den Nobelpreis.  | Bild: picture alliance / Glasshouse Images | Circa Images

"Sie war von einer Stärke und Lauterkeit des Willens, von einer Härte gegen sich selbst, von einer Objektivität und Unbestechlichkeit des Urteils, die selten in einem Menschen vereinigt sind."

Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein über Marie Curie 

Doku zu Marie Curie: Im Einsatz für Frankreich

Bildergalerie: Marie Curie - ihr Leben in Bildern

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