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Antibiotika-Forschung Neue Mittel gegen resistente Keime

Die medizinische Forschung sucht Alternativen zu Antibiotika. Sie könnten resistente Keime bekämpfen und gleichzeit dafür sorgen, dass weniger entstehen.

Stand: 21.04.2021

Viele Forschungsansätze im Kampf gegen die multiresistenten Keime kursieren derzeit in den Medien: Von der Therapie mit Bakteriophagen bis zur Antivirulenztherapie – vieles davon klingt erfolgversprechend. Doch wie weit ist die Antibiotikaforschung wirklich? Im Bild: Antibiotikaforschung in China. | Bild: picture-alliance/dpa

Viele Forschungsansätze im Kampf gegen die multiresistenten Keime kursieren derzeit in den Medien: Von der Therapie mit Bakteriophagen bis zur Antivirulenztherapie – vieles davon klingt erfolgversprechend.

Doch Dr. Tim Eckmanns, Antibiotika-Experte des Robert Koch-Instituts (RKI), sieht bei der Antibiotikaforschung derzeit noch "nichts Bahnbrechendes in der Pipeline". Die Bakteriophagen zum Beispiel, jene Killer-Viren, die als Wundermittel im Kampf gegen multiresistente Keime derzeit wiederentdeckt werden, seien – unabhängig vom schwierigen Zulassungsverfahren als Arzneimittel – kein vollwertiger Ersatz für Antibiotika.  Sie würden nur bei langwierigen Infektionen helfen, sagt Dr. Eckmanns vom RKI.

Neue Therapien im Kampf gegen Resistenzen

Antivirulenz-Therapie

Bei dieser Therapie werden die Bakterien "entwaffnet". Das heißt: Die Keime werden nicht wie bei einem Antibiotikum abgetötet, sondern es werden nur diejenigen Eigenschaften der Erreger ausgeschaltet, die zu einer Infektion führen. So werden zum Beispiel Haftmoleküle oder die Kommunikationsschnittstellen der Bakterien blockiert. Die Erreger bleiben am Leben, sind dann aber unschädlich. Der Vorteil: Die Keime bilden keine Resistenzen, weil es eben zu keinem Überlebenskampf kommt. Und: Um die Erreger so auszuschalten, reichen pflanzliche Mittel, Zuckerlösungen und Cranberry-Extrakte. Die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums in Braunschweig, die an dieser Therapie seit Jahren forschen, rechnen innerhalb der nächsten zehn Jahre mit einer breiten Anwendung der alternativen Antibiotika-Therapie.

Arzneimittel-Mischungen

Im Kampf gegen resistente Bakterien könnten vielleicht bald "aufgepeppte" Medikamente helfen. Das haben zumindest Forscher vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (Embl) in Heidelberg belegt und das Ergebnis im Juli 2018 im Fachblatt "nature" veröffentlicht.

Besonders vielversprechend ist wohl die Kombination des Antibiotikums Spectinomycin mit Vanillin. Der Aromastoff sorge dafür, dass Spectinomycin leichter in die Bakterienzelle kommt und dort das Wachstum stoppt, so die Erkenntnis des internationalen Teams um Ana Rita Brochado. Das Antibiotikum sei Anfang der 60er-Jahre entwickelt worden, um gegen die Geschlechtskrankheit Tripper vorzugehen. Heutzutage sei das Mittel aber kaum noch im Einsatz, weil Bakterien resistent geworden seien. In Kombination mit Vanillin könnte Spectinomycin aber nach Meinung der Wissenschaftlerr ein Comeback erleben.

Bei anderen Antibiotika hat der Aromastoff hingegen nicht diese positive Wirkung. Er führt laut der Studie sogar zu mehr Resistenzen. Bis die Effekte der Medikamentenmischungen auf den Menschen untersucht seien, müssten aber noch viele weitere Tests und Studien erfolgen, so die Forscher.

Dabei gibt der Experte Tim Eckmanns zu bedenken:

"Weltweit sterben immer noch mehr Menschen, weil sie keinen Zugang zu Antibiotika haben, als an Antibiotika-Resistenzen."

Tim Eckmanns. Antibiotika-Experte im Robert Koch-Institut, Berlin

Antibiotika richtig einsetzen statt ersetzen

Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass Erreger zu 99 Prozent "gut" seien, also keine Gefahr für den Menschen darstellen. Momentan liege der Fokus der Wissenschaft eher darauf, Antibiotika richtig einzusetzen, als einen Ersatz dafür zu finden, resümiert Eckmanns.

Sendungen mit Infos rund um Antibiotika:


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