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Kirsche, Gurke, Erbse Obst und Gemüse mit Migrationshintergrund

Freilich kommt der Radi aus Bayern, aber weit gefehlt: Ursprünglich stammt Rettich aus Vorderasien und wurde einst als Unkraut zu uns eingeschleppt. So ist es auch mit anderen Obst- und Gemüsesorten - viele Kulturpflanzen sind Migranten.

Author: Claudia Heissenberg

Published at: 28-5-2021

Kulturpflanzen wie Haselnuss, Tomate, Kartoffel, Birne oder Erdbeere kommen ursprünglich aus anderen Ländern | Bild: colourbox.com; Montage: BR

Ihre Heimat liegt in fernen Ländern, auch wenn sie schon lange unseren Speisezettel bereichern. Wann und wie sie zu uns gekommen sind, wissen wir oft nicht genau.

Alte Ägypter stärkten sich mit Rettich

Historische Quellen legen nahe, dass der Rettich zuerst in Vorderasien, vielleicht in Afghanistan oder Vorderindien, kultiviert wurde. Das scharfe Gemüse war auch im alten Ägypten sehr bekannt. Herodot berichtet nämlich, dass die Arbeiter an den Pyramiden Rettich mit Zwiebeln und Knoblauch in Wasser zu essen bekamen, bevor sie die riesigen Quadersteine stapelten. 

"Pflanzen haben ihren Ort gewechselt, weil Menschen das vorangetrieben haben. Auch der Wind kann Samen transportieren. Diese können auch an Tierfellen anhaften und so zu uns kommen. Damit sich fremde Pflanzen generell bei uns ansiedeln, benötigen sie ein bestimmtes Umfeld. Auch da hat der Mensch im Laufe der Jahrtausende ganz stark in die Natur eingegriffen."

Angela Kreuz, Archäobotanikerin im Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden

Eingebürgerte Exoten bereichern unseren Speiseplan

Obwohl Deutsche für ihre Krautgerichte bekannt sind, stammt der Kohl ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Der Spinat wurde wahrscheinlich zum ersten Mal in Persien kultiviert. Erbsen kommen wohl aus Syrien. Die Herkunft der Gurke wird in Indien vermutet, wo sie seit mehr als 4.000 Jahren an den Südhängen des Himalaja angebaut wird. Große saftige Erdbeeren stammen aus der Gegend um den Sankt-Lorenz-Strom in Kanada. In der Steinzeit gab es im heutigen Europa nur kleine Walderdbeeren.

Viele Kulturpflanzen kommen aus exotischen Ländern.

"Den Geschmack der Steinzeit-Bauern, also sozusagen von Wilma Feuerstein, den kennen wir natürlich nicht, können aber annehmen, dass er ganz anders war als heute. Die Menschen kannten ja keinen Zucker, es gab keinen Pfeffer oder Knoblauch - also ganz viele Dinge, die für uns heute selbstverständlich sind, fehlten."

Angela Kreuz, Archäobotanikerin im Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden

Die Römer führten viele Kulturpflanzen ein

Besonders viel archäologisches Quellenmaterial gibt es aus der Römerzeit. Als Caesar und seine Truppen ab Mitte des letzten Jahrhunderts vor Christus Gallien und Teile Germaniens eroberten, brachten sie aus ihrer südeuropäischen Heimat einen ganzen Schwung neuer Kulturpflanzen mit: Pflaume, Pfirsich, Feige, Apfel und Birne in süßen Kulturformen, Melone und auch Dill und Petersilie. Doch auch die Römer übernahmen Pflanzen aus anderen Regionen.

Die Römer verfeinerten den Weinanbau.

"Das ist bewundernswert: Die Römer haben überall innerhalb ihres großen Reichs geschaut, was ist praktisch und gut und haben das in ihre Kultur integriert. Bei den Kelten lernten sie Dinkel kennen und stellten fest: Das ist ein super Getreide, weil anspruchslos, wenig anfällig für Schädlinge und daraus kann man Brot backen - also wird es übernommen."

Angela Kreuz, Archäobotanikerin im Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden

Soldaten und Seefahrer sorgten für Austausch der Kulturpflanzen

Nach den Römern brachten Soldaten, Seefahrer, spanische Konquistadoren und Händler von den Kreuzzügen in den Orient und den Entdeckungsreisen in die Neue Welt fremde Pflanzen in die alte Heimat mit. Gleichzeitig exportierten sie aber auch heimische Gewächse in die Fremde.

Der Mais hat als Kulturpflanze eine lange Migrationsroute hinter sich.

"Schon Kolumbus hat den ersten Mais Ende des 15. Jahrhunderts mit nach Spanien gebracht. Das war erstmal eine Kuriosität, weil man nicht so recht wusste, was man damit anfangen sollte. Dann waren es die Türken, die den Mais landwirtschaftlich nutzten als Nahrungspflanze. Vom damaligen osmanischen Reich kam der Mais wieder zurück nach Mitteleuropa."

Thomas Miedaner, Landessaatzuchtanstalt an der Universität Stuttgart-Hohenheim

Kulturpflanzen sind also oft verschlungene Wege gegangen, bis sie sich in den Küchen weltweit integriert haben.

  • Obst und Gemüse - wie gut ist die Massenware?, 29.05.2021 um 13.00 Uhr, ARD-alpha
  • Pflanzen mit Migrationshintergrund, 15.11.2018 um 15.05 Uhr, radioWissen
  • Pflanzen mit Migrationshintergrund, 26.10.018 um 09.05 Uhr, radioWissen

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