Biohacking So hackt ihr euer Leben

Von: Franziska Konitzer, Tanja Fieber

Stand: 20.04.2022

Biohacking klingt schon besser als die schnöde Selbstoptimierung - oder? Biohackerinnen und Biohacker wollen maximal leistungsfähig, maximal zufrieden, maximal gesund sein. Dafür kontrollieren sie ihr Verhalten und ihren Körper so gut wie möglich, oft mithilfe von Gadgets. Erkennt ihr euch wieder? Manche Biohacks basieren auf jahrhundertealten Methoden, manche auf Hausmitteln, manche sind eher High-Tech, alle wollen wissenschaftlich fundiert sein. Was steckt hinter diesem Lifestyle?

Symbolbild: Biohacking ist eine Methode der Selbstoptimierung.  | Bild: colourbox.com

Guten Morgen! Ein Tag im Leben eines Biohackers

Symbolbild für Biohacking und Selbstoptimierung: Bulletproof Coffee | Bild: picture alliance / Zoonar | Galina Tolochko

Wohl bekommt's: Beim Biohacking kann der morgendliche Kaffee mit Fett angereichert werden.

24 Stunden: Der Tag wird optimiert


  • 6.30 Uhr: Ihr könntet natürlich mit dem Sonnenaufgang aufwachen. Vielleicht kann euch auch ein Lichtwecker sanft aus dem Schlaf locken. Jegliche Schlummerfunktionen sind tabu: Sie verzögern das Aufwachen, ermöglichen aber auch keinen erholsamen Schlaf mehr.
  • 6.45 Uhr: Zum Frühstück gibt es einen sogenannten "Bulletproof Coffee". Das ist mit Öl und Butter angereicherter Kaffee. Er soll dafür sorgen, dass ihr lange mit Energie versorgt seid. Wenn ihr Intervallfasten praktiziert, gibt es allerdings erst einmal: nichts.
  • 7.00 Uhr: Geduscht wird kalt. Das soll für einen Energieschub sorgen, den Stoffwechsel anregen. Wenn euch eine komplett kalte Dusche zu grausam vorkommt, könnt ihr erst mal am Ende eurer Dusche die Temperatur reduzieren. Immer weiter.
  • 7.30 Uhr: Wie wäre es mit ein wenig Meditation, um in den Tag zu starten? Ihr könnt dabei auch eure Gehirnwellen aufzeichnen: Mit EEG-Stirnband und einer App erhaltet ihr so live Feedback, wie entspannt ihr gerade wirklich seid.
  • 8.00 Uhr: Eure Schlaf-App verrät euch, wie ihr in der letzten Nacht geschlafen habt. Ein Allround-Tracker misst nicht nur die Herzratenvariabilität, sondern auch eure Bewegungen, und kann euch so noch genauere Daten über eure Schlafqualität liefern.
  • 9.00 Uhr: Auch Bewegung ist ein Biohack. Deshalb seid ihr zur Arbeit mit dem Fahrrad gefahren oder zu Fuß gegangen. Habt ihr einen Bürojob, achtet ihr auch während der Arbeit darauf, euch regelmäßig zu bewegen, aufzustehen, Dehnübungen zu machen.


  • 12.00 Uhr: Mahlzeit! Das Mittagessen ist beim Biohacking oft low-carb oder gar ketogen. Vielleicht nehmt ihr zusätzlich auch Nahrungsergänzungsmittel. Ein Spaziergang wäre angesagt: Sonnenlicht ist wichtig, um die Vitamin-D-Speicher aufzufüllen.
  • 18.00 Uhr: Zeit für Ausdauer- oder Kraftsport? Ein Fitnesstracker kann euch verraten, wie erfolgreich ihr dabei seid. Vielleicht unterbindet ihr auch teilweise den Blutfluss in den Armen oder Beinen: Indem ihr den Blutstrom teilweise abschnürt, soll der Muskelaufbau gefördert werden.
  • 19.00 Uhr: Ab in die Infrarotkabine! Das fühlt sich nicht nur gut an, sondern soll auch die Regeneration fördern und "entgiften".
  • 20.00 Uhr: Digital Detox: Ihr schaltet sämtliche Bildschirme aus. Oder aber ihr setzt eine speziell getönte Brille auf. Die Blaulichtfilterbrille soll dafür sorgen, dass eurer Melatoninproduktion nichts im Wege steht. So fördert ihr euren natürlichen Schlaf-/Wachzyklus.
  • 22.00 Uhr: Euren Tracker tragt ihr natürlich auch beim Schlafen. Euer Schlafzimmer ist kühl und dunkel. So steht einer geruhsamen Nacht nichts mehr im Wege. Gute Nacht!


... und übrigens: Nicht bei allen Tagespunkten handelt es sich um ärztlich oder medizinisch sinnvolle Ratschläge.

Biogehackt: Wer hackt da was?

Biohacking soll ein gesundes, langes Leben ermöglichen. Biohackerinnen und Biohacker wollen so leistungsfähig sein wie möglich.  | Bild: picture alliance / Zoonar | Kheng Ho Toh

Beim Biohacking versucht ihr, euch selbst zu optimieren.

Biohacking bedeutet, dass Menschen versuchen, das Optimum aus Körper und Geist herauszuholen. Mit Wearables, Geräten und Implantaten überprüfen sie ihre Körper- und Schlaf-Daten und versuchen so, ihren eigenen Körper genau zu verstehen und zu optimieren. Die Ideen dafür wurden oft aus dem Leistungssport übernommen. Sport, Anti-Aging-Maßnahmen, Nahrungsergänzungsmittel, Hormone und Lichttherapien sind ein großes Thema. Natürlich spielt auch die Ernährung eine wichtige Rolle: Bevorzugt werden fleisch- und fettreiche Diäten, die wenig Kohlenhydrate enthalten. Früher hießen sie Atkins- oder Steinzeit-Diät, heute Paleo, ketogene oder carnivore Diät. Sie werden oft mit Intervallfasten ergänzt.

Letztlich ist Biohacking ein Lifestyle und keine wissenschaftliche Methode. Jede Biohackerin und jeder Biohacker führt im Alleingang Selbstversuche durch, experimentiert, was funktioniert und was nicht. Obwohl sich das Biohacking oft auf wissenschaftliche Erkenntnisse beruft, sind bei Weitem nicht alle Trends und Methoden des Biohackings wissenschaftlich fundiert.

Selbstversuch: Biohacking für Nase und Gehirn?

Gesundes Leben: Selbstoptimierung à la Silicon Valley

Biohacker Jack Dorsey mit Oura Ring, einem Aktivitäts-Tracker. | Bild: picture alliance / abaca | Lafargue Raphael/ABACA

Der ehemalige Twitter-Chef Jack Dorsey gilt als großer Fan von Biohacking - und trägt einen Schlaf- und Gesundheitstracker als Ring.

Dave Asprey (*1973) und Jack Dorsey (*1976) sind bekannt für ihre extremen Selbstoptimierungsmaßnahmen. Beide sind Gewächse der Startup-Szene im Silicon Valley und Unternehmer. Während Asprey sich mit seinem Biohacking-Universum "Bulletproof" 2013 selbstständig machte, ist Jack Dorsey der ehemalige Chef des Kurznachrichtendiensts Twitter.

Dorsey strebt danach, zwei Stunden am Tag zu meditieren, nimmt jeden Morgen ein Eis-Bad und geht rund acht Kilometer zur Arbeit. Er isst unter der Woche nur einmal am Tag und zwar abends. Am Wochenende isst er gar nichts. Für sein extremes Intervallfasten wird Dorsey kritisiert, weil es nach Essstörungen klingt oder andere dazu bringen könnte, ein gestörtes Essverhalten zu entwickeln.

Dave Asprey bezeichnet sich als "Vater des Biohackings" und gilt als Erfinder des "Bulletproof" Kaffees, der eine Abwandlung des tibetischen Butterkaffees ist. Er probierte und probiert die verschiedensten Geräte und Testverfahren an sich selbst aus: EEG, Schlafphasen-Messring, Ernährungsumstellung, kalte Duschen, Implantate, (Rot-)Lichttherapien, Fettabsaugungen, Hormontherapien, Nahrungsergänzungsmittel sowie Blut- und Stammzellen-Injektionen. Das Blut von anderen, jüngeren Menschen und seine eigenen Stammzellen hat sich Asprey 2019 auch in Gehirn und Penis spritzen lassen. Nach eigenen Angaben hat Asprey über eine Million US-Dollar in seinen biogehackten Körper investiert und würde gerne 180 Jahre alt werden.

Optimiert: Der Körper ist kein Schicksal mehr

Körper als Labor: Freiheit durch Selbstoptimierung?

Biohacking für Fortgeschrittene: Sich selbst optimieren

Biohacking: Selbstoptimierung durch Eisbad | Bild: picture alliance / Zoonar | Jaroslav Sugarek

Wenn ihr keinen gefrorenen See zur Verfügung hat, könnt ihr euch das Eisbad zur Regeneration in der heimischen Badewanne nachbauen.

Während ein Aktivitätentracker für den Schlaf fast schon als Standard für das Biohacking gilt, sind der Fantasie und der Technik keine Grenzen gesetzt: Beim Biohacking treffen sich so manche wissenschaftliche sowie pseudowissenschaftliche Gadgets, Wearables und Methoden. Es gibt Magnetfeldtherapien, Kleidung, die vor "Elektrosmog" schützen soll, Kompressionsstiefel, die beim Biohacker das Hormon Oxytocin freisetzen sollen, spezielle Fitnesstrainings, spezielle Klänge während der Mediation zur Entspannung, Infrarotkabinen, Eisbäder.

Der geneigte Biohacker kann auch einen Schritt weiter gehen und sich Chips einpflanzen lassen: Wie wäre es mit einem Implantant für die Hand, sodass man den Haustürschlüssel wirklich immer bei sich hat und damit auch bezahlen kann? So wird der Biohacker zum "Bodyhacker", wobei die menschliche Leistungsfähigkeit durch Chips und Implantante nicht mehr nur gefördert, sondern weiter ausgebaut wird.

Gadgets und Wearables: Was braucht ihr fürs Biohacking?

Symbolbild für Gadgets und Wearables, die beim Biohacking zum Einsatz kommen können.  | Bild: colourbox.com

Wie viele Gadgets braucht man für die Selbstoptimierung?

Die Smart Watch, den Fitnesstracker, den Schrittezähler, die Atemmaske, das EEG-Band, die Schlafmaske, die getönte Brille, die Taglampe, die heimische Infrarotkabine, die Nahrungsergängzungsmittel, die Vitamine, die Hormone ... Braucht man das alles wirklich für eine erfolgreiche Selbstoptimierung? Könnte manches vielleicht sogar kontraproduktiv oder gar schädlich sein?

Fakt ist: Einige Biohacks sind komplett gratis und funktionieren garantiert. Früher zu Bett gehen kostet gar nichts. Ein Spaziergang im Freien ist eine ziemlich günstige Angelegenheit. Und auch eine Ernährung, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, muss nicht teuer sein. Genug Schlaf, mehr Bewegung, eine ausgewogene Ernährung: Das klingt zwar zunächst gar nicht mal so aufregend. Aber es handelt sich dabei um waschechte Biohacks, deren positive Auswirkungen auf eure Gesundheit, euer mentales Wohlbefinden und euer Leben wissenschaftlich belegt sind.

Mehr wissen: Sendungen zu Biohacking und Selbstoptimierung