Städtebau der Zukunft Hilft die Schwammstadt gegen Hochwasser?

Von: Constanze Alvarez

Stand: 11.11.2021

Städte, die temporär Wasser speichern, um es in Hitzeperioden wieder abzugeben: Das Konzept der Schwammstadt soll urbane Gebiete vor Starkregen und Dürre schützen. Doch wirkt es auch im Fall einer Flutkatastrophe?

Die bepflanzte Aussenwand des Pavillons von Israel an der Expo Mailand, am 9. Juni 2015. | Bild: picture-alliance/dpa / KEYSTONE | CHRISTIAN BEUTLER

Für Regen gibt es in unseren weitgehend versiegelten Städten häufig nur einen Platz: die Kanalisation. Kommt es zu Starkregen, wird das System überlastet. Zusammen mit Abwasser quillt der Regen wieder aus den Gullys heraus und es droht eine Überschwemmung. Welche Schäden das anrichten kann, haben wir diesen Sommer gesehen.

In Deutschland arbeiten Städte wie Hamburg, Berlin, Wuppertal oder Leipzig seit einigen Jahren daran, sich dem Klimawandel anzupassen. Dabei orientieren sie sich am Konzept der Schwammstadt. Ähnlich wie ein Schwamm speichert diese Stadt Wasser, wenn es im Überfluss da ist und setzt es ein, wenn es nötig ist, zum Beispiel zum Bewässern von Pflanzen während der heißen Sommermonate oder zum Kühlen von Innenräumen. Doch wie funktioniert das im Detail?

Das Konzept: Weg von Grau zu mehr Grün

Die Schwammstadt ist so gebaut, dass sie - ähnliche wie ein Schwamm - das Regenwasser dort aufnimmt und speichert, wo es fällt. Wichtige Elemente dabei sind bepflanzte Dächer und Fassaden. Gründächer können Wasser speichern, dabei schützen sie die Innenräume vor extremen Außentemperaturen. Bei großer Hitze wirken sie kühlend, im Winter schützen sie vor Kälte. Durch Verdunstung tragen Gründächer und Fassaden zu einem angenehmeren Mikroklima bei.

Ein weiteres Element der Schwammstadt sind Versickerungsmulden und Rigolen. Diese funktionieren ebenfalls als lokale Wasserspeicher. Eine Baumrigole ist eine Art künstliche Badewanne, die sich unterhalb des Wurzelballens eines Baumes befindet. Was sich dort an Wasser ansammelt, kann bei Bedarf zur Bewässerung von Grünflächen verwendet werden.

Insgesamt gilt für die Schwammstadt: Weg von Beton und Asphalt zu mehr Grün. Das heißt: Weniger Parkgaragen unter Innenhöfe bauen, mehr Parks, Grünflächen und Feuchtgebiete anlegen, die zur Not als Überflutungsflächen dienen. Sogenannte Hitzeinseln vermeiden.

In Neubaugebieten lassen sich die Ideen zu einem klimaverträglicheren Wassermanagement von Anfang an mitdenken und umsetzen. Das ist einfacher, als bestehende Innenstädte umzumodeln. Doch auch das sei möglich, so Landschaftsarchitekt Carlo Becker, beispielsweise durch die Umwandlung von Straßen und Parkplätzen in Grünflächen. Das bedutet, dass der Verkehr anders organisiert werden müsste.

Anschauen: Die Schwammstadt

Wirksamkeit: Hilft die Schwammstadt bei einer Flutkatastophe?

Zerstoerte Nepomuk-Bruecke über den Fluss Ahr, Flutkatastrophe 2021, Rheinland-Pfalz. | Bild: picture alliance / Zoonar | Stefan Ziese

Die Folgen extremen Starkregens: In Rheinland-Pfalz zerstörte eine Flutwelle die Nepomuk-Brücke über den Fluss Ahr.

Eine Hochwasserkatastrophe wie im Sommer im Westen Deutschlands sei mit den Elementen einer Schwammstadt nicht zu verhindern, erklärte Prof. Roland Müller vom Helmhotz-Zentrum für Umweltforschung vor Kurzem in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Dazu wären ganz andere städtebauliche Maßnahmen erforderlich. Trotzdem: Schwammstädte könnten viele Folgen des Klimawandels, wie beispielsweise extreme Hitze in der Stadt, abmildern und damit zur Gesundheit der Bevölkerung beitragen.

Umsetzung: Wert trägt die Kosten?

Gemüsegarten auf einem Hochhaus in der Innenstadt von Rotterdam, Niederlande. Eine der größten Dachbepflanzung Europas. | Bild: picture alliance / Zoonar | Hilda Weges

Rotterdam gehört zu den Städten, die schon länger mit dem Konzept der Schwammstadt experimentieren. Hier eines der größten Gründächer Europas.

Städte müssen auf Starkregen und Überhitzung reagieren, da sind sich nicht nur Klimaforscher sondern auch Architekten einig. "Anstelle von Hitzeinseln in Asphalt- und Betonwüsten müssen wir Entsiegelung vorantreiben," erklärte Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, der Deutschen Presse-Agentur im August 2021. Aktuell fördert der Bund deutschlandweit Bauprojekte in elf Modellregionen. Doch das reiche nicht, betonte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags im August. Die Folgen des Klimawandels zu erforschen und die Erkenntnisse in den Städtebau einfließen zu lassen, koste viel Geld.

Hinzu kommt, dass jede Stadt eine eigene Strategie braucht. Denn nicht jeder Boden ist gleich beschaffen. So steht Leipzig beispielsweise weitgehend auf lehmigem, eher wasserundurchlässigem Grund. Im Neubaugebiet Areal 416, das sich an den Prinzipien der Schwammstadt orientiert, könnte das bedeuten, dass der Boden ausgetauscht werden muss. Das ist kostspielig. Architekten und Bauherren fordern daher einen gesetzlichen Rahmen, der sicherstellt, dass die Kommunen auf Dauer nicht von den Kosten erdrückt werden.

Schwammstadt: Jede Stadt muss ihren eigenen Weg gehen

"Die eine Strategie für Klimaanpassung gibt es nicht. Jede Stadt ist auf eigene Weise verwundbar und braucht eine umfassende Strategie."

Carlo Becker, Landschaftsarchitekt in einer Publikation vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.