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Arbeit statt Schlaf Der neue Takt der Maschinen

Mit Beginn der Industrialisierung schlief es sich zunehmend schlechter. Plötzlich nahm elektrisches Licht der Nacht ihren Schrecken - und ihre Ruhe. Die Arbeit gab den Takt an. Ökonomisch ein Fortschritt, für die Chronobiologie des Menschen ein Rückschritt.

Stand: 24.06.2020 | Archiv

1927: Autos werden bei Ford am Fließband zusammengesetzt | Bild: colourbox.com

Mit der Industrialisierung im frühen 19. Jahrhundert schossen Manufakturen und Fabriken wie Pilze aus dem Boden. Der Mensch wurde am Potential seiner Arbeitsleistung gemessen. Es zählte ausschließlich Leistung: Es gab eine Allgemeine Arbeitspflicht, ebenso eine Schulpflicht für Kinder und Jugendliche. Um 1840 hatte die Arbeitswoche in Deutschland 83 Stunden. Viel Zeit zum Schlafen blieb da nicht. Außerdem galt derjenige, der viel schlief als faul.

Schlaf hat ein Imageproblem

Schichtdienste widersprechen dem Biorhythmus und verschlechtern den Schlaf.

Mittlerweile hat sich unsere Arbeitswoche auf 38 Stunden runtergependelt. Doch der Schlaf hat nach wie vor ein Imageproblem. Unsere Leistungsgesellschaft ackert in Schichtdiensten zu jeder Tages- und Nachtzeit. Auf den Biorhythmus wird gepfiffen, gegen Müdigkeit nimmt man Wachmacher. So sind 20-Stunden-Bereitschaftsdienste bei Krankenhaus-Ärzten keine Seltenheit.

Das ist nicht nur für den Patienten auf dem OP-Tisch gefährlich, sondern auch der Arzt geht auf Dauer ein Gesundheitsrisiko ein: Magen-Darm-Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Störungen, Übergewicht, Diabetes oder gar Depressionen drohen. Aber auch unser Freizeitverhalten läuft nicht mit unserem chronobiologischen Rhythmus synchron. Mit Aufputschern versuchen wir die Nacht zum Tag zu machen, feiern, bis wir buchstäblich umfallen.

Mittagsschläfchen sexy verpackt

"Power Napping" heißt das Zauberwort, das uns in 20 Minuten unsere Energie zurückbringen soll. In anderen Ländern gehört das Schläfchen zwischendurch seit jeher zum guten Ton: In Japan beispielsweise ist der "Inemuri" als Anwesenheitsschlaf Ausdruck von Fleiß und verdienter Müdigkeit. In China liest man, sei "xiuxi" - das Mittagsschläfchen - sogar in der Verfassung verankert. In Indien trennt man nicht strikt zwischen Schlaf- und Wachzeiten. Die Siesta bringt die Menschen in den Mittelmeerländern und Lateinamerika über ihr Mittagstief. In den USA macht "Power napping" müde Arbeiter wieder munter. Der neueste Trend dort: mietbare Ruhezonen für "powernapping at work", oft auch "energy pods" genannt.

Tipps für ein erholsames Mittagsschläfchen

  • Ein Mittagsschlaf hierzulande findet idealerweise zwischen 13.00 und 15.00 Uhr statt.
  • Schlafen Sie nicht länger als 30 Minuten, sonst leitet der Körper die REM-Tiefschlafphase ein.
  • Wenn Sie keinen Wecker stellen, trinken Sie vor dem Mittagsschlaf einen Espresso. Dieser beginnt nämlich erst nach 30 Minuten zu wirken.
  • Albert Einstein hat sich mit folgendem Trick beholfen: Er nahm einen Schlüsselbund in die Hand. Beginnt der Körper in die Tiefschlafphase zu fallen, lockern sich die Muskeln und die Schlüssel gleiten aus der Hand.
  • Notfalls können Sie Ihren Mittagsschlaf auch in einem bequemen Sessel halten.
  • Und: Ein Mittagsschlaf steigert unsere Leistung und Konzentration, ist gesund und macht gute Laune.

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