Zeitumstellung Das macht der Mini-Jetlag mit eurer Gesundheit
In der Nacht zum 26. März werden die Uhren wieder eine Stunde vorgestellt. Das heißt, eine Stunde wird uns "genommen". Wie gewöhnt ihr euch am besten an den neuen Rhythmus? Hat die Umstellung gesundheitliche Folgen? Und warum wird überhaupt an der Uhr gedreht?

Termin: Wann ist Zeitumstellung 2023?
Am letzten Sonntag im März beginnt die Sommerzeit - diesmal am 26. März, am letzten Sonntag im Oktober die Winterzeit. Dabei sollte nach einem Beschluss des EU-Parlaments bereits 2021 Schluss mit der Zeit- oder besser Uhrumstellung sein. Denn bei einer europaweiten Online-Befragung 2018 hat ein Großteil der Befragten dafür gestimmt, die Zeitumstellung abzuschaffen. Warum geht es dann nicht damit vorwärts und was macht das Drehen an der Uhr mit uns und unserer Gesundheit?
Vor oder zurück? Wie wird an der Uhr gedreht?
Jedes Mal die gleiche Frage: Wie wird die Uhr umgestellt - vor oder zurück? Dieses Mal wird die Uhr eine Stunde vorgestellt - also von zwei auf drei Uhr. Mit dem Satz "Im Sommer stellt man die Gartenmöbel 'vor' die Tür, im Winter stellt man sie 'zurück' in den Schuppen", können sich auch notorisch Vergessliche die Richtung der Uhrumstellung merken.
Wer sich lieber auf die Technik verlassen will, geht mit einer Funkuhr auf Nummer sicher. Die Atomuhr an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig wird am 26. März um zwei Uhr morgens auf Sommerzeit umgestellt. Der Langwellensender sendet dann die neue Zeit an alle Funkuhren, die infolgedessen auf drei Uhr vorspringen.
Was fällt schwerer: Umstellung auf Sommer- oder auf Winterzeit?
Vielen Menschen fällt die Umstellung auf die Sommerzeit, bei der uns eine Stunde "genommen wird", schwerer als die Umstellung im Herbst auf die Winterzeit - unserer normalen Mitteleuropäischen Zeit (MEZ). Denn das Problem ist, dass Arbeit und Schule in der Sommerzeit so tatsächlich eine Stunde früher beginnen als in der Winterzeit. Das ist uns aber häufig nicht bewusst, da wir die Uhren vorgestellt haben.
Zitat: Schlafforscherin Eva Winnebeck

"Bei dem Wechsel auf Sommerzeit 'verlieren' wir eine Stunde. Dies bringt unsere biologischen Rhythmen aus dem Takt, und da wir abends anfangs zur alten Zeit erst schlafen (können), aber plötzlich eine ganze Stunde früher aufstehen müssen, sind die meisten Menschen nach der Umstellung unausgeschlafen bis sich der Körper zumindest teilweise an die neue Uhrzeit angepasst hat. Beim Wechsel auf die Winterzeit 'gewinnen' wir die eine Stunde zurück und dürfen eine Stunde später aufstehen und zur Arbeit/Schule gehen. Daher ist für uns als schlafdeprivierte Gesellschaft klar: Die Umstellung auf Sommerzeit ist die schwerere, die auf Winterzeit die leichtere."
Eva Winnebeck, Schlafforscherin, Technische Universität München und Helmholtz Zentrum München, im Interview mit ardalpha.de.
Zeitumstellung: Gibt es gesundheitliche Probleme?
Viele Studien haben gezeigt, dass in den Tagen nach der Umstellung auf Sommerzeit Verkehrsunfälle und Herz-Kreislauf-Probleme wie Herzinfarkte ansteigen, während man dasselbe bei der Umstellung auf Winterzeit meist nicht findet, so Eva Winnebeck. Eine Zunahme der Herzinfarkte belegt zum Beispiel auch eine Statistik der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) über einen Zeitraum von zehn Jahren: Danach häufte sich die Zahl der Herzinfarkte bei den Versicherten nach dem Wechsel auf die Sommerzeit innerhalb der ersten drei Tage um 20 Prozent.
Die DAK hatte 2021 auch eine repräsentative Bevölkerungsumfrage gestartet und gefragt, ob und unter welchen Symptomen Menschen nach einer Zeitumstellung leiden. Dabei gab gut ein Viertel der 1.002 Befragten an, nach der Zeitumstellung schon einmal gesundheitliche Probleme gehabt zu haben.
2021 lagen Müdigkeit und Abgeschlagenheit als Symptome mit 85 Prozent auf dem ersten Platz, gefolgt von Einschlafproblemen mit 70 Prozent. Darunter litten Frauen besonders häufig: 75 Prozent der weiblichen Befragten gaben das an, im Vergleich zu 59 Prozent der Männer. Fast die Hälfte (48 Prozent) konnten sich nach der Zeitumstellung schlechter konzentrieren. Zwölf Prozent hatten sogar depressive Verstimmungen.
Grafik: Symptome nach der Zeitumstellung

Nachteile: Wer leidet besonders unter der Sommerzeit?

Besonders Menschen mit einem sehr frühen und starren Arbeitsbeginn sind von der Sommerzeit betroffen. Denn sie müssen jeden Tag vor dem eigentlichen Ende ihrer Nacht aufstehen. In der Sommerzeit ist das dann noch einmal eine Stunde früher, meint Winnebeck. Das gelte auch für Schüler und Schülerinnen, da sie in der Sommerzeit dann nicht mehr um 8 Uhr, sondern sozusagen bereits um 7 Uhr Schulbeginn haben.
Zitat: Darum trifft es Jugendliche hart
"Besonders Jugendliche haben einen sehr späten biologischen Tag-Nacht-Rhythmus, viel später als jüngere Kinder und ältere Erwachsene. Jugendlichen fällt also frühes Einschlafen und frühes Aufwachen besonders schwer. Schon ein Schulbeginn um 8 Uhr raubt ihnen täglich den so wichtigen Schlaf, obwohl sie eigentlich als Heranwachsende noch viel mehr Schlaf bräuchten als Erwachsene - zum Lernen und Gesund- und Sicherbleiben."
Eva Winnebeck
Tipps: Wie kann man sich auf die Umstellung vorbereiten?
- Wenn es möglich ist, solltet ihr spätestens am Wochenende vor der Sommerzeit-Umstellung schrittweise vorgehen und schon am Samstag den Lebensrhythmus inklusive der Essenszeiten um eine halbe Stunde verschieben.
- Am Sonntag könnt ihr den Tagesablauf dann um eine ganze Stunde nach vorne verlagern. So könnt ihr den ersten Montagmorgen in der Sommerzeit leichter verkraften.
- Wenn ihr es schafft, könnt ihr auch schon einige Tage vorher anfangen, euren Rhythmus täglich um zehn bis fünfzehn Minuten zu verschieben. Das gilt vor allem für diejenigen, die einen starren Schlaf-Wach-Rhythmus haben.
Zitat: Licht als Hilfe bei der Umstellung
"Licht ist das beste Mittel, um seinen Körper an neue Uhrzeiten anzupassen. Licht am Abend verspätet den inneren biologischen Rhythmus, Licht am Morgen stellt ihn vor. Wenn man also möglichst gut in der Sommerzeit ankommen möchte, heißt das, man muss besonders das Abendlicht meiden (Lampen und Bildschirme dimmen), dafür aber morgens und am Vormittag für besonders viel Licht sorgen (Lampen an, viel Tageslicht z.B. auf dem Arbeitsweg) etc. Letzteres wird gerade im Frühjahr erschwert, da man durch die früheren Arbeitszeiten in der Sommerzeit oft wieder vor Sonnenaufgang aufstehen muss. Also: morgens gleich Licht an zuhause - auch wenn es schwer fällt."
Eva Winnebeck, Schlafforscherin am Helmholtz Zentrum in München
Zeitumstellung: Die innere Uhr tickt anders
Gesundheit: Umstellung auf Winterzeit
Die Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit fällt vielen Menschen leichter. Bei der Umstellung im Herbst wachen viele Menschen zudem am Morgen früher auf - dafür sind sie abends auch früher müde. Meist pendelt sich diese Verschiebung aber nach ein paar Tagen wieder ein.
Tipp: Wer in der Umstellungsphase auf den Mittagsschlaf verzichtet, kann nachts besser ein- und durchschlafen. Auf die Einnahme von Schlafmitteln sollte man nach Möglichkeit verzichten. Pflanzliche Mittel wie Baldrian, Melisse oder Hopfen dagegen, zum Beispiel in Form von Tees, sind unproblematisch.
Zeitumstellung: Was das Drehen an der Uhr mit eurer Gesundheit macht
Keine Einigung: Wann ist Schluss mit der Zeitumstellung?
2018 hatte die EU-Kommission eine europaweite Online-Befragung zur Zeitumstellung gestartet. 4,6 Millionen Menschen nahmen teil, davon kamen allein rund drei Millionen aus Deutschland. Das Ergebnis: 84 Prozent der Teilnehmer forderten die Abschaffung der Zeitumstellung.
Eigentlich sollte 2021 Schluss sein mit der Zeitumstellerei, doch ein rasches Ende ist nicht in Sicht. Die EU-Mitgliedstaaten konnten sich bisher noch nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. "Der Ball liegt (...) im Feld der Mitgliedsstaaten", so ein Sprecher der EU-Kommission zur Umstellung auf die Winterzeit im Herbst 2021. Für immer Sommerzeit, für immer Winterzeit? Diese Entscheidung ist wichtig, denn sonst gäbe es einen Flickenteppich verschiedener Zeitzonen innerhalb der EU-Staaten. Bis dato ist ein Ende der halbjährlichen Umstellung allerdings noch nicht absehbar, denn weder die Bürger, noch die Parlamente sind sich bei diesem Thema einig.
Laut einer Befragung der DAK von 2021 glauben 63 Prozent der Befragten nicht, dass der regelmäßige Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit tatsächlich in absehbarer Zeit abgeschafft wird. Dabei sind auch hier gut 72 Prozent der Überzeugung, dass die Zeitumstellung abgeschafft werden sollte.
Deutschland: Dauerhaft Winter- oder Sommerzeit?
Und was möchte Deutschland? Dauerhafte Winter- oder Sommerzeit? Die Winterzeit ist die in Deutschland geltende normale Mitteleuropäische Zeit (MEZ). Mehr als die Hälfte, die an der Online-Petition teilgenommen hatten, votierten damals für eine dauerhafte Sommerzeit. Aber je nach Umfrage liegt mal die Sommerzeit und mal die Winterzeit vorne. Die Antworten hängen stark davon ab, wie und wen man fragt, so Eva Winnebeck. Die meisten könnten ja auf Anhieb nicht einmal sagen, in welche Richtungen die Uhren gedreht würden.
Zitat: Immer Sommerzeit oder immer Winterzeit?
"Prinzipiell klingt der 'Sommer' in 'Sommerzeit' anscheinend für viele verlockend, denn 'Sommer' klingt nach Sonne, warmen Temperaturen, langen Tagen - all das haben wir zum Glück nicht wegen der Sommerzeit, sondern wegen der Jahreszeit Sommer. Wenn man aber Personen befragt, ob sie ab jetzt alle morgens eine Stunde früher aufstehen würden, dann ist die Tendenz klar dagegen, also gegen die Sommerzeit und für die Winterzeit."
Eva Winnebeck
Pro & Contra: Soll die Zeitumstellung abgeschafft werden?
Was spricht für die Sommerzeit?
1. Viele genießen, dass es abends länger hell ist und so mehr unternommen werden kann - zum Beispiel sportliche Aktivitäten.
2. Die Laune scheint besser zu sein, wenn man an lauen Sommerabenden länger Sonne tanken kann. Für viele eine Frage des positiven Lebensgefühls.
3. Man ist unternehmenslustiger, geht abends auch nochmal bummeln, ins Café oder in den Biergarten. Davon profitiert der Handel und die Gastronomie.
Was spricht für die Winterzeit?
1. Das Argument, die Sommerzeit spare Energie, ist widerlegt.
2. Wer früh aus dem Bett muss - wie zum Beispiel Schüler und Schülerinnen - muss einige Wochen länger im Dunkeln aus dem Haus und bei Licht schlafen gehen.
3. Unsere innere Uhr, also unser naturgegebener chronobiologischer Rhythmus, wird gestört, wenn dauerhaft auf Sommerzeit umgestellt wird. Gesundheitliche Folgen bleiben nicht aus.
Dauerhafte Sommerzeit: Wissenschaftler warnen
Wissenschaftler warnen vor den gesundheitlichen Folgen einer dauerhaften Umstellung auf die Sommerzeit. Zeitzonenstudien legen nahe, dass ein Leben entgegen der natürlichen Tageszeit, wie es auch während der Sommerzeit der Fall ist, langfristig zu einem schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand führen und sogar das Krebsrisiko erhöhen kann, meint Eva Winnebeck.
Zitat: Entscheidung für eine Zeitzone hat weitreichende Konsequenzen
"Sommerzeit oder Winterzeit ist mehr als eine individuelle Lifestyle-Entscheidung, sie hat weitreichende Konsequenzen für die Gesundheit und das Wohlbefinden der ganzen Gesellschaft. Daher sollte solch eine Entscheidung meiner Meinung nach auf gründlichen Abwägungen unter Einbeziehung von jeweiligen Fachexperten getroffen werden und nicht aufgrund von unrepräsentativen Umfragen. Aus Sicht der Schlafforschung ist die Winterzeit klar zu bevorzugen, denn eine dauerhafte Sommerzeit würde den enormen Schlafmangel und sozialen Jetlag in unserer Gesellschaft nur noch mehr verstärken - mit weitreichenden Konsequenzen für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von uns allen."
Eva Winnebeck
Ursprung: Warum wurde die Zeitumstellung eingeführt?
Seit 2002 ist die Zeitumstellung EU-weit einheitlich geregelt. Die Uhren werden immer am letzten Sonntag im März vor und am letzten Sonntag im Oktober wieder zurückgestellt. Dadurch sollten Probleme durch unterschiedliche Uhrzeiten im Gütertransport oder bei Flug- oder Bahnverbindungen vermieden werden.
Als 1980 in Deutschland die Sommerzeit eingeführt wurde, geschah dies mit den besten Absichten: Nach der Ölkrise 1973 wollte man im Sommer Strom sparen und das Tageslicht besser nutzen. Die Idee: Wenn das Tageslicht besser genutzt wird, kann man Energie sparen. Aber Untersuchungen wiesen darauf hin, dass die Effekte marginal sind: Die Einsparung an Strom für Beleuchtung, insbesondere effizienter Beleuchtungssysteme, wird durch den Mehrverbrauch an Heizenergie und durch die Vorverlegung der Hauptheizzeit überkompensiert. (Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP zur Zeitumstellung im Jahr 2005.)
Das einzige Energielevel, das also sicher sinkt, ist das der Menschen, die sich nach der Umstellung aus dem Bett und durch den Tag quälen.