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Jahreswechsel Wie Neujahrsvorsätze gelingen

Neues Jahr, neues Glück: Startet ihr auch mit guten Vorsätzen ins Jahr? Mehr Sport treiben, weniger essen, gesünder leben: Mit Routinen zu brechen, ist schwer. Wie gelingt es, dass wir unsere Vorsätze auch wirklich umsetzen?

Stand: 27.12.2022 15:54 Uhr

Bälle, Federballschläger, Sportsachen. | Bild: colourbox.com

Wieso schaffen andere das und ich nicht? Immer wieder nehmen wir uns Dinge vor, wollen Vernachlässigtes anpacken und immer wieder scheitern wir. Woran liegt das? Ganz einfach: Beim Auflisten der Vorhaben haben wir die Rechnung ohne unseren inneren Schweinehund gemacht!

Familiengelage zu Weihnachten, Silvesterpartys oder Reisen ins Ausland: Für viele von uns ist es besonders in der winterlichen Jahreszeit schwer, alte Gewohnheitsmuster zu durchbrechen. Die Feiertage und Silvester können aber auch Anlass sein, in sich zu gehen und sich zu fragen, was man im nächsten Jahr anders machen möchte.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier

Aber warum fällt es uns so schwer, gute Vorsätze umzusetzen? Ein Grund ist, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist. "Unser Gehirn ist auf Gewohnheitsbildung trainiert", sagt der Berliner Psychoanalytiker Hans-Werner Rückert. Wer den Alltagstrott durchbrechen will, muss sich anstrengen. Und das auch wirklich selbst wollen, und nicht nur, weil es die Familie oder der Partner fordert. Meist wird "am Ende des Jahres Resümee gezogen und man fühlt sich verpflichtet, einen Vorsatz zu fassen. Wenn man nicht wirklich dahintersteht, scheitert man", bestätigt Psychologe Frank Wieber von der Universität Konstanz.

"Entscheidend dabei ist, dass man sich kleine Dinge vornimmt. Dass man also kleine Impulse setzt, in welche Richtung man sein Leben verändern will."

Michaela Brohm-Badry, Glücksforscherin, Professorin an der Uni Trier

Eine kleine Änderung wird zum neuen Ritual

Gute Neujahrsvorsätze können dem Leben eine positive Wendung geben, davon ist die Glücksforscherin Michaela Brohm-Badry überzeugt. Aber bisherige Sportschwänzer sollten sich besser nicht vornehmen "Nächtes Jahr will ich dreimal die Woche eine Stunde Joggen gehen", sondern sich besser an eine zehnminütige Laufeinheit herantasten. Lernmuffel werden mit dem Vorsatz "Ich lerne jeden Tag eine Stunde Vokabeln" auch nicht weit kommen. Auch hier empfiehlt Michaela Brohm-Badry besser eine zehnminütige Einheit.

"Einige Menschen scheitern an ihren Vorsätzen, weil sie sich zu große Dinge vornehmen."

Michaela Brohm-Badry, Glücksforscherin, Professorin an der Uni Trier

Solche kleinen Änderungen lassen sich ihrer Meinung nach gut in den Alltag integrieren. Am besten sei es, eine neue Tätigkeit an eine andere, bereits bestehende anzuhängen: Wenn die Laufsachen also morgens schon neben dem Bett bereitliegen, kann es nach dem Aufwachen direkt losgehen. Das Vokabellernen könnte immer abends nach dem Zähneputzen stattfinden. "Dadurch initiiert man Verhaltensänderungen", erklärt Michaela Brohm-Badry.

Gute Vorsätze - konkrete Ziele positiv formulieren

Wie wichtig es ist, konkrete Ziele positiv zu formulieren, haben gerade wieder schwedische Forscher festgestellt in einer im Fachmagazin "Plos One" veröffentlichten Studie. Wer abnehmen möchte, habe bessere Erfolgschancen mit dem Vorsatz "Ich esse künftig mehr Obst" als mit "Ich esse keine Süßigkeiten mehr".

Für die Untersuchung wurden 1066 Probanden in drei Gruppen geteilt, die alle Ende 2017 Neujahrsvorsätze fassten. Die meisten Vorsätze kreisten um das Thema Gesundheit, Gewichtsabnahme und bessere Essgewohnheiten. Die erste Gruppe bekam während der Studie gar keine Hilfe, die zweite ein wenig und die dritte viel - etwa in Form von regelmäßigen Kontaktaufnahmen und E-Mails mit nützlichen Tipps.

"Es zeigte sich, dass die Unterstützung, die die Teilnehmer erhielten, keinen großen Unterschied machte, wenn es darum ging, wie gut sie ihre Vorsätze während des Jahres einhielten. Was uns überraschte, waren die Ergebnisse zur Formulierung des Vorsatzes."

Per Calbright, Universität Stockholm

Probanden, die versucht haben, etwas Neues in den eigenen Alltag einzuführen, waren am erfolgreichsten. Diejenigen, die versucht haben, etwas zu vermeiden oder damit aufzuhören, haben schneller aufgegeben. Die Forscher schließen daraus, dass schon die Formulierung von Neujahrsvorsätzen ausschlaggebend für deren Erfolg oder Misserfolg sein könnte. Wer seinen Vorsatz von "Ich werde aufhören/vermeiden..." zu "Ich werde damit anfangen..." umformuliere, habe größere Chancen, das Ziel zu erreichen.

In ungewissen Zeiten ist mehr Flexibilität gefragt

Die Erkenntnis, dass positive Formulierungen häufiger zum Erfolg führen, sei nicht neu, so die Psychologin Sonia Lippke von der Jakobs University Bremen. Das habe auch das Vokabular, das wir in der Pandemie verwendet haben, verdeutlicht. So waren "Kontaktbeschränkungen" ein Vermeidungsziel. "Und derartige Ziele funktionieren schlechter", so Lippke. Es sei schließlich nicht darum gegangen, soziale Kontakte einzuschränken, sondern physisch Abstand zu halten. Förderlicher für unsere sozialen Beziehungen und für das Gemeinschaftsgefühl sei es gewesen, die Maßnahmen in andere Worte zu kleiden, zum Beispiel: "Ich bleibe zu Hause" oder "Ich rufe jeden Tag einen meiner Freunde an". Überhaupt sollte man sich nicht allzu rigide an Vorsätze halten - in derart ungewissen Zeiten sei vielmehr Flexibilität angebracht.

"Wir befinden uns in einer Zeit, andere Ziele zu bilden, die mehr mit der Verortung des Ichs in der Gemeinschaft zu tun haben, anstatt sich etwa darin zu erschöpfen, mehr Sport treiben zu wollen."

Sonia Lippke, Jakobs University Bremen

Eigenlob hilft an den Vorsätzen dranzubleiben

Dennoch: Wer einen kleinen Schritt erreicht habe, solle sich loben, empfiehlt Brohm-Badry. Wenn man bewusst wahrnimmt und schätzt, was man bereits erreicht hat, stärke man sich selbst für die Zukunft. Eine Möglichkeit sei es, sich das einfach mal zu sagen - zum Beispiel mit: "Ich bin auf einem guten Weg!"

Vorsätze umsetzen mit der "Wenn ..., dann ..."-Methode

Psychologe Frank Wieber empfiehlt eine Methode, die in der Wissenschaft mentales Kontrastieren mit Wenn-dann-Plänen oder kurz "WOOP" (Wish/Wunsch, Outcome/Ergebnis, Obstacle/Hindernis, Plan) heißt: Man nimmt sich erstens ein Ziel für einen konkreten Zeitraum vor und stellt sich zweitens die schönsten Ergebnisse vor, sollte sich das erfüllen. In einem dritten Schritt überlegt man, was einen davon abhalten könnte. Danach legt man viertens fest, wie man auf diese Hindernisse reagiert. Also zum Beispiel:

  1. "Ich möchte mich beruflich neu orientierten und bis Anfang März zehn Bewerbungen verschicken.
  2. Wenn das klappt, habe ich schon bald einen neuen Beruf, der mich mehr erfüllt als der jetzige.
  3. Noch sind allerdings meine Bewerbungsunterlagen nicht auf Vordermann gebracht und ich habe etwas Angst vor diesem Schritt.
  4. Meine Bewerbungsunterlagen werde ich bis Anfang Februar aktualisieren - und dann einfach mal schauen, was passiert. Hinterher wird es mir besser gehen."

Vorsätze aufschreiben - mit Stift und Papier

Welche Vorsätze man wie erreichen will, das schreibt man sich laut Psychoanalytiker Hans-Werner Rückert am besten ganz altmodisch mit einem Stift auf ein Blatt Papier. "Es ist neurologisch erwiesen, dass das Gehirn mehr Areale aktiviert, wenn man mit der Hand schreibt, als wenn man tippt", erklärt Rückert. "Dadurch entsteht ein komplexeres Konstrukt.

Und auch, wenn der Plan noch so gut formuliert und in sauberster Handschrift niedergepinselt ist: Wichtig ist es auch, flexibel zu bleiben: Wenn es zum Beispiel zu stark schneit oder regnet, um joggen zu gehen, ist eben der Heimtrainer oder das Schwimmbad dran. "Sonst macht der innere Schweinehund sofort einen Strich durch die Rechnung", sagt Sonia Lippke von der Bremer Jacobs University, die seit vielen Jahren Verhaltensveränderungen erforscht. Denn wenn der innere Schweinehund einmal den Weg von der Ausrede zur Couch gefunden hat, wird's bekanntlich schwierig.

Anschauen: Gute Vorsätze - so kann es gelingen

Keine Entschuldigung, aber ein kleiner Trost

Das ist zwar auch keine Entschuldigung, aber gute Vorsätze nicht durchzuhalten, ist menschlich. "Menschen nehmen sich seit jeher etwas vor und scheitern daran", sagt die Gesundheitspsychologin Sonia Lippke. Davon habe schon Aristoteles vor mehr als 2.000 Jahren berichtet. "Studien zeigen, dass nur 30 Prozent der Vorsätze eine realistische Chance haben, sich zu verstetigen." Nach drei Wochen geben die ersten ihre Pläne schon wieder auf, nach einem halben Jahr ist nur noch die Hälfte dabei.


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