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Wenn ein Kind stirbt Was trauernden Eltern helfen kann

Wenn ein Kind stirbt, haben auch die Eltern das Gefühl ihr Leben sei vorbei. Nichts ist mehr, wie es einmal war und die Trauer schier unendlich. Und doch ist es möglich, wieder ins Leben zurück zu finden.

Author: Constanze Alvarez

Published at: 21-9-2023 | Archiv

Hände halten ein paar Kinderschühchen und drücken sie an den Oberkörper: Umgang mit der Trauer | Bild: colourbox.com

"Das bin nicht ich! Das ist nicht mein Leben!" Diese Gedanken schossen Cornelia Königsbauer durch den Kopf, während sie in der Selbsthilfegruppe saß. Die damals 59-jährige Ärztin und Mutter von fünf Kindern fühlte sich mehrere Wochen nach dem tragischen Tod ihres Sohnes Markus immer noch wie gelähmt. Was passiert war, kam ihr unwirklich, unfassbar vor: Kurz vor seiner Hochzeit, auf dem Weg zum Junggesellenabschied, war ihr 33-jähriger Sohn bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

Ein schweres Trauma für die Eltern

Eine innere Lähmung, das Gefühl, sich selbst nicht mehr wahrnehmen zu können, erleben viele Eltern, nachdem sie vom Tod ihres Kindes erfahren haben.

"Dieses Gefühl, die Welt wie durch einen Schleier wahrzunehmen, kann mehrere Wochen, sogar Monate dauern. Diese Form von innerer Lähmung ist im Grunde genommen ein akuter Schutz unserer Seele vor einer totalen Überforderung."

David Althaus, Psychotherapeut

Nach dem Tod eines Kindes – Wege aus der Erstarrung

In der akuten Phase der Trauer sind es die ganz einfachen Dinge, die grundlegend für eine erste Stabilisierung sind, erklärt Psychotherapeut David Althaus: "Essen und Trinken, sich bewegen, morgens aufstehen, tagsüber irgendetwas zu tun zu haben, Menschen treffen, abends ins Bett gehen, irgendwie schlafen können.“"

Im Fall von Cornelia Königsbauer war es die Erkenntnis, dass sie, nach einer kurzen Auszeit, unbedingt ihre Arbeit als Ärztin wiederaufnehmen wollte. "Das war ganz wichtig, weil es einfach meine Berufung ist. Und weil ich das Gefühl hatte, dass es meinem Alltag Struktur gibt."

Trauer: Neuer Umgang mit altbekanntem Gefühl

Abschied nehmen vom verstorbenen Kind ist wichtig

Jeder Mensch trauert anders. Doch es gibt einige Dinge, die besonders wichtig sind, damit die ungeheure Wunde, die der Verlust eines Kindes in die Seele der Angehörigen reißt, über die Zeit heilen kann. Dazu gehört, dass man ganz bewusst und intensiv Abschied nimmt vom verstorbenen Kind, sagt David Althaus.

"Wir ermutigen Menschen zum Bestatter zu gehen und auch das aufgebahrte Kind zu sehen und länger beim Kind zu verweilen, weil in diesen Augenblicken diese neue Wirklichkeit eine Chance hat, auch tiefer einzudringen in den Menschen und das Gefühl dauernder Unwirklichkeit verschwindet."

David Althaus, Psychotherapeut

Das verstorbene Kind nochmal zu berühren, ihm über die Wange zu streichen, das würde vielen Eltern helfen, zu verstehen, dass ihr Kind in diesem Körper jetzt nicht mehr drin ist, erklärt Psychotherapeut Althaus. Die Eltern würden realisieren, "dass dieser Körper, diese Hülle des Kinders nur noch wenig mit dem Kind von früher zu tun hat, und dass sie folglich nicht ihr Kind begraben, sondern nur den Leichnam ihres Kindes."

Raum für die Trauer schaffen – durch eine liebevoll gestaltete Feier

Im Fall von Markus Königsbauer beschloss die Familie, die Trauerfeier einen Tag nach der geplanten Hochzeit abzuhalten. In derselben Pfarrei, mit demselben Pfarrer, denselben Gästen. Teilweise wurden die Lieder gesungen, die auch auf der Hochzeit gesungen worden wären. Es kamen Freunde und Verwandte, ehemalige Lehrer und Mitschüler, Nachbarn und einige Patienten aus der Arztpraxis. "Das hat so gutgetan", erzählt Cornelia Königsbauer. Nicht nur, weil es ihr und ihrer Familie geholfen habe, zu verstehen, was passiert ist, sondern weil auch Außenstehende da waren, um den riesigen Verlust zu würdigen und anzuerkennen.

Der Weg zurück ins Leben - wie kann er gelingen?

Ob und wie schnell verwaiste Eltern wieder zurück ins Leben finden, hängt von vielen Faktoren ab. Zunächst spielt die eigene Persönlichkeit eine Rolle.

"Wer schon vor dem Tod des eigenen Kindes zu depressiven Stimmungen neigte oder unzufrieden mit seinem Leben war, für den ist es noch schwerer, so einen Schicksalsschlag zu bewältigen."

David Althaus, Psychotherpeut

Neben der Persönlichkeit sind aber auch andere Fragen entscheidend: Wie oder woran ist das Kind gestorben? Auch das Alter macht einen Unterschied. Der Schmerz über den plötzlichen Verlust eines Kindes im Kindergarten- oder Grundschulalter ist ein anderer, als über ein Kind, das mit Mitte zwanzig schon ausgezogen ist und nur noch einmal im Monat zu Hause vorbeikommt, erklärt David Althaus:

"Wenn das Kind plötzlich nicht mehr da ist, das ich jeden Abend ins Bett gebracht habe, das nach jeder Mahlzeit auf meinen Schoß gekrabbelt ist, mit dem ich vorgestern noch gekuschelt habe, dann ist die Wunde, die da geschlagen wird, ganz besonders heftig und unglaublich stark blutend."

David Althaus, Psychotherapeut

Den Tod des eigenen Kindes akzeptieren

Wichtig ist in jedem Fall, den Gefühlen von Trauer aber auch Wut oder Schuldgefühlen Raum zu geben, sie auf Dauer nicht auszublenden. Denn das kann über die Jahre zu chronischen Krankheiten führen, zu Burn-Out oder schweren Depressionen.

"Wenn jemand beispielsweise zwei Jahre nach dem Verlust des Kindes das Gefühl hat, nicht mit dem Alltag zurecht zu kommen, den gleichen Ohnmachtsgefühlen ausgeliefert zu sein wie in der Akutphase, der sollte darüber nachdenken, sich psychotherapeutische Hilfe zu holen."

Susanne Lorenz, Geschäftsleiterin des Vereins „Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e. V.“

Was hilft: Sprechen über das verstorbene Kind

Viele Eltern suchen den Austausch mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben. Es hilft, den Schmerz mit anderen zu teilen und mit der Zeit zu erkennen, dass er erträglicher wird. Auch für Cornelia Königsbauer war die Selbsthilfegruppe ein wichtiger Anker. Heute, sechs Jahre nach dem Verlust ihres Sohnes, leitet sie selber eine Gruppe im Münchner Verein „Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e. V.“

Was Cornelia Königsbauer heute weiß, und vor sechs Jahren nicht für möglich gehalten hätte: Dass es irgendwann wieder möglich ist, die kleinen Dinge des Lebens wieder zu genießen, Freude zu empfinden, wieder nach vorne zu schauen:

"Am Anfang habe ich auch gedacht, jetzt geht´s nicht mehr weiter, das Leben steht Kopf, alles ist kaputt. Und es gibt einem aber so viel Mut, wenn man Leute sieht, die nach drei Jahren kommen oder nach fünf oder nach zwanzig, und man einfach sieht: Es bewegt sich was. Bei manchen sind die Schritte kleiner, bei manchen größer, aber es kommt definitiv ganz viel vom Leben zurück."

Cornelia Königsbauer, Ärztin

Tipps von Trauernden für Trauernde

  • Reden Sie regelmäßig mit Ihren Freunden. Erzählen Sie, was in Ihnen vorgeht und was Sie fühlen. Für Situationen, in denen niemand greifbar ist, bitten Sie jemanden, Ihr "Telefonfreund" zu sein, den Sie im Notfall anrufen können.
  • Tragen Sie etwas an oder bei sich, das sie mit dem Verstorbenen verbindet - Schmuck, ein Souvenir, ein Kleidungsstück.
  • Legen Sie ein "Buch der Erinnerungen" an, das sie sich stets ansehen und anderen zeigen können.
  • Schreiben Sie über Ihre Gedanken und Gefühle, führen Sie ein Tagebuch: Seien Sie darin so ehrlich wie möglich.
  • Schreiben Sie an den verstorbenen Menschen: Briefe, Gedichte. Das hilft besonders in der ersten Zeit.
  • Sagen Sie den Menschen, was Sie brauchen und was Sie sich wünschen.
  • Pflanzen Sie etwas zum Andenken an den verstorbenen Menschen.
  • Erinnern Sie sich an Ihre Träume, vielleicht führen Sie ein Traumtagebuch.
  • Nutzen Sie Orte und Gegenstände, die Sie an den verstorbenen Menschen erinnern - aber nur, wenn Sie merken, dass es Ihnen hilft.
  • Zünden Sie täglich eine Kerze als Erinnerung an - morgens oder beim Essen.
  • Gestalten Sie zu Hause einen Platz für das Gedächtnis: mit Fotos, einem wichtigen Gegenstand, Kerzen.

Quelle: Bundesverband verwaister Eltern

Hilfe für Eltern, die ein Kind verloren haben

Der Austausch mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben, kann für verwaiste Eltern wohltuend sein. Hier können sie sich verstanden fühlen und müssen sich nicht dauernd erklären:

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